FC Bayern unterliegt Borissow:Die erste Panne

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Ein enttäuschender FC Bayern kassiert beim weißrussischen Außenseiter Bate Borissow im zweiten Gruppenspiel der Champions League eine 1:3-Niederlage. Weil Trainer Heynckes vor dem Spiel Sportchef Sammer widerspricht, droht plötzlich auch noch zusätzliche Unruhe.

Leitete den erfolgreichen Abend für die Weißrussen ein: Aleksandr Pavlov (re.) mit dem 1:0 für Borissow gegen den FC Bayern.  (Foto: Bongarts/Getty Images)

Matthias Sammer hat unbedingt verhindern wollen, dass es zu lässig zugeht beim makellos in die Saison gestarteten FC Bayern, dass sich alle in den Armen liegen. Es müsste Sammer also eigentlich gefallen haben, dass Trainer Jupp Heynckes vor dem Champions-League-Spiel beim weißrussischen Vertreter Bate Borissow vor einem Mikrofon des Fernsehsenders Sky stand und dieses sagte: "Mit der Form, der Art und Weise war ich nicht einverstanden. Das habe ich ihm auch gesagt." Er meinte Sammer, der die Mannschaft nach dem Spiel in Bremen in knackigem Tonfall zu mehr Körperspannung ermahnt hatte. "Wir waren nicht richtig hellwach, wir waren nicht richtig gallig. Wir waren zu lätschern", so hatte Sammer gesprochen, und nun stand Heynckes also drei Tage später in einem Stadion in Minsk und sagte: "Ich finde, dass die Kritik überzogen war. Ich finde auch, wir sollen die Kritik intern machen und nicht extern."

Da war sie also, die erste öffentliche Meinungsverschiedenheit, oder gar: der erste Konflikt? "Das war in der Wortwahl doch völlig harmlos", verteidigte sich Sammer vor dem Anpfiff, dennoch zogen die Bayern zum ersten Mal in dieser Saison in einer neuen Stimmungslage in ein Pflichtspiel. Ob es daran lag, dass sie sich am Ende eine extrem enttäuschende 1:3-Niederlage beim krassen Außenseiter einfingen? Es waren zum Teil erschreckende Abwehrschwächen, die zur ersten Panne der Saison führten. Die Bayern haben in ihrer Gruppe jetzt drei Punkte Rückstand auf den Tabellenführer: auf Bate Borissow. "Das ist ein guter Gegner, das wusste ich im Gegensatz zu vielen anderen schon vorher", sagte Trainer Heynckes später.

Es gab durchaus eine Mannschaft an diesem Abend, die hellwach und gallig in die Partie startete, aber es war nicht die Mannschaft, die Sammer gemeint hatte. Es waren die Gastgeber, die forsch begannen, in der dritten Minute initiierten die Weißrussen, inspiriert vom ehemaligen Bundesligaspieler Aliaksandr Hleb, sogar eine Kurzpass-Staffette, die nach Barcelona roch. Dieses Niveau konnten sie aber dann doch nicht halten, dennoch dürfte Trainer Heynckes ganz froh gewesen sein, dass Matthias Sammer nach sechs Minuten kein Mikrofon in seiner Nähe hatte. Was er wohl dachte, als Poljakow Badstuber überlief und flankte? Was er dachte, als Olechnowitsch schneller schaltete als Dante und aus der Drehung zum Schuss kam? Anschließend dürften Sammer und Heynckes immerhin gemeinsam aufgeatmet haben, denn Torwart Neuer parierte hellwach, gallig und überhaupt ziemlich hervorragend.

Die Bayern, nun ja, sie wirkten etwas lätschern in dieser Anfangsphase, aber allmählich war doch erkennbar, dass Borissow über seine Verhältnisse in diese Partie gestartet war. Nach 13 Minuten schlummerte Lichtarowitsch fahrlässig vor sich hin, Toni Kroos schnappte sich den Ball und lief allein auf den Torwart zu. Er umkurvte ihn in vollem Lauf und - traf den Pfosten. "Bei so einem Spiel musst du natürlich 1:0 in Führung gehen", sagte Heynckes. Dennoch nun sah es doch so aus, als würden die Bayern ihre Überlegenheit durchdrücken. Sie wurden präsenter, dominanter - und lagen plötzlich 0:1 zurück.

Es war ein einziger Konter, der die Versuchsanordnung dieser Partie komplett veränderte. Die Weißrussen fingen einen Angriff ab, konterten so geschwind, dass Lahm auf seiner rechten Abwehrseite fehlte, und als die Flanke das gegenüber liegende Strafraumeck erreichte, zeigte sich, dass der Konter auch für den anderen Bayern-Außenverteidiger zu schnell gegangen war. Badstuber fehlte ebenfalls, Polyakow zog den Ball scharf nach innen, wo Wolodkos Querschläger zur idealen Vorlage für Pawlow wurde - 1:0 (23.).

FC Bayern in der Einzelkritik
:Lätschert auf Kreisklassen-Niveau

Philipp Lahm wirkt trotz Sammers mahnender Worte lasch, Franck Ribéry erlebt ein Déja-vu in Weißrussland und Toni Kroos trifft den Pfosten wie einst Frank Mill. Die Bayern beim 1:3 gegen Bate Borissow in der Einzelkritk.

Johannes Aumüller

Die Bayern reagierten mit wütenden (bzw.: galligen) Angriffen, Thomas Müller und Mario Mandzukic scheiterten per Kopf an Torwart Gorbunow, und von den flinken Füßen der Gastgeber war erst mal nichts mehr zu sehen. Sie zogen sich weit zurück und machten den Bayern nach Herzenslust das Leben schwer. Räume fanden sich nun immer weniger, nicht für Mandzukic zum Hineinsprinten, nicht für Kroos, Ribéry oder Javi Martínez zum Hineinpassen. Heynckes hatte den Spanier diesmal von Beginn an gebracht und dafür Bastian Schweinsteiger eine Ruhepause gewährt.

Es war nicht überraschend, wie Borissow spielte, überraschend war aber, wie dramatisch die Bayern nach der Pause ihre Überlegenheit einbüßten. Bedenklich wenig fiel ihnen ein, trotz Rotation wirkten sie müde, auch die Abwehr wirkte behäbig (bzw.: lätschern). Den Gastgebern war das nicht entgangen, Oleknowitsch (55.) und Radionow (61.) tauchten nach schnellen Kontern vor Neuer auf - anfangs nach ohne Erfolg, aber schon in diesen Momenten deutete sich an, was kommen würde. Borissow ließ die Bayern weiterwursteln und nutzte nach einem weiteren Konter das nächste Abwehrchaos zum 2:0 durch Rodionow (78.). Die Bayern steckten nicht auf, Ribéry traf erst die Latte und in der Nachspielzeit zum 1:2. Zu mehr reichte es nicht mehr - Borissow verteidigte gallig und schoss noch ein hellwaches Kontertor durch Bressan (90.+4).

© SZ vom 04.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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