FC Bayern München:Spaß vor dem Bildschirm

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Die Fußballerinnen des FC Bayern verpflichten die schwedische Nationalspielerin Hanna Glas - und kündigen weitere Zugänge für die kommende Saison an, in der sie "angreifen" wollen.

Von Anna Dreher

Die Erinnerung an eine der jüngsten Begegnungen ist keine so schöne. Und das gleich bei einigen Spielerinnen. Giulia Gwinn, Carolin Simon, Linda Dallman, Melanie Leupolz, Lina Magull und Torhüterin Laura Benkarth waren ja alle dabei, als Schweden das Viertelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft 2:1 gegen Deutschland gewann und dem Team damit die Heimfahrtickets ausstellte, die dieses im Sommer 2019 noch gar nicht so früh einlösen wollte. Aber die schwedische Defensive hatte sich zu effektiv und unnachgiebig gegen die Angriffe gewehrt und so flossen nach dem Schlusspfiff viele Tränen bei den Deutschen, während die Schwedinnen am Ende der WM Dritte wurden. Umso mehr dürften nun vor allem die Nationalspielerinnen des FC Bayern München (ein) zu schätzen wissen, wer am Dienstagmittag von dem Bundesligazweiten als Zugang bekannt gegeben wurde.

Die schwedische Außenverteidigerin Hanna Glas, 26, wird kommende Saison für den FC Bayern spielen. Sie kommt von Paris Saint Germain und hat einen Vertrag bis 2023 unterschrieben. Damit setzten sich die Münchner, wie die spanische Zeitung AS schreibt, im Buhlen um Glas gegen Real Madrid durch. "Ich habe mich für den FC Bayern entschieden, weil es ein großer Verein ist, der Titel gewinnen will. Das motiviert sehr", wird Glas in der Mitteilung zitiert. "Ich mag die Spielphilosophie und denke, dass sie gut zu mir passt." Bayern wird damit von einer erfahrenen und ambitionierten Fußballerin verstärkt, die entscheidend werden könnte im Bestreben, national wieder Titel zu gewinnen und sich international fest zu etablieren.

Zuvor hatte als Zugang die torgefährliche deutsche Nationalspielerin Lea Schüller festgestanden, die von der SGS Essen kommt und ebenfalls einen Dreijahresvertrag unterschrieb. Die Nachwuchstalente Julia Pollak und Maria Grohs rücken von der zweiten in die erste Mannschaft auf. Und von den bewährten Spielerinnen hatte Magull bereits im Dezember verlängert, Benkarth folgte im Januar, Dallmann und Lineth Beerensteyn im Februar. Kapitänin Leupolz hingegen wird nach sechs Jahren nicht mehr Teil des Kaders sein. Die 26-Jährige wechselt mit Beginn der nächsten Saison zum FC Chelsea in die Women's Super League, deren Ruf zuletzt viele frühere FCB-Spielerinnen gefolgt sind. "Ich wollte in meiner Karriere unbedingt auch im Ausland spielen. Den Wechsel nach England sehe ich als eine Herausforderung, um mich weiterzuentwickeln", sagt Leupolz, die hofft, dass ihr Abschied kein abrupter wird: "Es ist kein schöner Gedanke, dass ich für den Klub schon mein letztes Spiel gemacht haben könnte."

Platz drei bei der WM 2019: Die schwedische Nationalspielerin Hanna Glas (re.) wechselt von Paris St.Germain zum FC Bayern München. (Foto: Jose Breton/imago)

Ob das der Fall sein wird oder nicht, kann Leupolz noch niemand beantworten. Denn so normal die Bewegungen auf dem Transfermarkt geblieben sind: Das ist im Frauenfußball der einzige Bereich, der durch den Ausbruch des Coronavirus nicht komplett durcheinandergewirbelt wurde. Während im Männerfußball durch das Coronavirus die Verhandlungen und Vertragspoker weitgehend ausgesetzt sind, spüren viele Klubs im Frauenfußball die Auswirkungen eingeschränkter, weil andere Mechanismen greifen. Geplant wird langfristig, bei größeren Vereinen steht der Kader für die neue Saison schon in der Winterpause. Was auch daran liegt, dass es nicht um Millionen von Euro geht und nach wie vor nur die wenigsten Fußballerinnen aus bestehenden Verträgen abgelöst werden. Es geht darum, bei auslaufenden Kontrakten rechtzeitig Interesse anzumelden. So auch für den FC Bayern. "Wir versuchen immer, die Gespräche frühzeitig zu führen. Für die nächste Saison sind wir mit den Planungen fast durch", sagt Sportleiterin Bianca Rech. "Es wird noch mal einen Umbruch geben mit dem ein oder anderen Transfer, der überraschen wird. Wir wollen angreifen." Die Verpflichtungen von Glas und Schüller sind Belege hierfür, weitere feststehende oder angebahnte Personalien sind noch nicht veröffentlicht worden.

Ansonsten geht es den Fußballerinnen des FC Bayern wie quasi allen anderen im Sport auch: Management, Trainerteam und Spielerinnen bereiten sich auf Partien vor, von denen sie nicht wissen, ob und wann diese stattfinden werden, und gestalten ein Training, bei dem gar nicht klar ist, in welcher Phase es sich gerade befindet.

Der Übergang von normal zu surreal war kurz. Die deutschen Nationalspielerinnen des FC Bayern beispielsweise hatten beim portugiesischen Testturnier Algarve Cup - zum Auftakt hatten sie 1:0 gegen Schweden gewonnen - das Finale erreicht, das jedoch abgesagt wurde, nachdem Italiens Mannschaft aufgrund des schweren Ausbruchs der Corona-Pandemie in ihrem Heimatland vorzeitig abreiste. Auch die darauffolgenden Highlights fanden nicht statt: Das Champions-League-Viertelfinale bei Titelverteidiger Lyon sowie das Bundesliga-Topspiel gegen Hoffenheim.

Bis wieder der normale Rhythmus aufgenommen werden kann, arbeiten Bayerns Fußballerinnen individuell daheim. Und nachdem Männer-Trainer Hansi Flick gute Erfahrungen mit dem Cybertraining gemacht hat, wechselt auch das Frauen-Team immer wieder vor die Bildschirme. Einheiten in Kleingruppen sind noch nicht eingeführt worden. "Wir müssen kreativ bleiben. Anfangs haben wir uns an das Cybertraining herantasten müssen, aber jetzt klappt es ganz gut", sagt Rech. "Auch zwischenmenschlich ist es wichtig, dass sich alle untereinander mal sehen. Die meisten wohnen ja alleine. Es ist schön, wenn die Mädels Späße miteinander machen."

„Wir versuchen immer, die Gespräche frühzeitig zu führen. Für die nächste Saison sind wir mit den Planungen fast durch.“ – Bayerns Sportliche Leiterin Bianca Rech. (Foto: imago images / MIS)

Das Ziel lautet, den aktuell bis zum 30. April ausgesetzten Spielbetrieb der Bundesliga bis 30. Juni abzuschließen. Sechs Runden verbleiben noch, plus die ebenso verschobenen Pokal- und Champions-League-Partien. Geisterspiele werden in Erwägung gezogen. Die Zuschauereinnahmen - zu Heimspielen des FC Bayern kamen diese Saison im Schnitt knapp 600 Fans - machen bei vielen zwar nur einen kleinen Teil des Budgets aus. Die ausbleibenden Einnahmen wären über kurze Zeit verkraftbar - weniger jedoch, dass bei reinen Frauenfußballklubs sowie kleineren Vereinen das Sponsorennetz aus mittelständischen Unternehmen bald löchrig werden könnte. Und wenn dann ohne Spiele die Präsentationsplattformen fehlen, macht es die Situation nicht leichter. "Da können wir uns glücklich schätzen, dass wir im FC Bayern zu einem großen Verein gehören", sagt Rech. "Aber es wird für alle anders schwer." Beim SC Sand zum Beispiel ist Kurzarbeit ein Thema geworden.

Ein Gehaltsverzicht der Spielerinnen kommt kaum in Frage, auch hier ist der Frauen- im Gegensatz zum Männerfußball sehr weit von Millionenbeträgen entfernt, das Salär bewegt sich meist eher im unteren bis mittleren vierstelligen Bereich. Auch beim FC Bayern studieren viele, um für die Zeit nach der sportlichen Karriere gut aufgestellt - und um auch geistig gefordert zu sein. Zum Lernen immerhin bleibt gerade deutlich mehr Zeit.

© SZ vom 15.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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