FC Bayern München:Douglas Costa - lässig oder arrogant?

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Erst ein Tor, dann ein Selfie mit den Fans: Douglas Costa vom FC Bayern. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Der Brasilianer erweitert die Historie des Torjubels durch ein Handyfoto mit Freunden - das führt beim FC Bayern zu Debatten.

Aus dem Stadion von Christopher Gerards , München

Carlo Ancelotti war fast am Ausgang angekommen, er hatte jetzt alle Fragen beantwortet. Er hatte über Rafinhas Verletzung gesprochen (die Adduktoren), über Philipp Lahm (geschont), der Trainer des FC Bayern wollte den Presseraum der Münchner Arena gerade verlassen, da stoppte ihn noch ein Besucher. Die beiden besprachen sich kurz, dann stellte sich der Mann neben Ancelotti. Er zog ein Handy aus seiner Tasche, lächelte in die Kamera, Ancelotti lächelte auch. Klick.

Die Kulturgeschichte des Torjubels hat schon Spieler gesehen, die sich als Batman verkleideten oder sich in Werbeflächen einrollten. Aber am Samstagabend hat sie noch ein neues Kapitel bekommen, beim 2:0-Sieg des FC Bayern gegen Borussia Mönchengladbach, und der Grund dafür war Douglas Costa. Sein erstes Ligator der Saison hatte er geschossen, in der 31. Minute. Er ließ sich von Rafinha umarmen, später folgte der Rest der Mannschaft. Aber dann lief Costa zur Tribüne. Er nahm ein Smartphone in die Hand, posierte vor zwei Bekannten und drückte auf den Auslöser, lächelnd. Er dachte vermutlich nicht daran, dass er gerade eine Debatte über das Spannungsverhältnis von Lässigkeit und Arroganz auslösen würde, per Knopfdruck.

Blitz-Umfrage ergibt: Die Mehrheit stützt den Posierer

Jeder Würdenträger, der vor die Reporter trat, musste sich zu Costas Selfie äußern, wobei jeder von ihnen die Situation mit Humor lösen wollte. Ja Gott, sagte zum Beispiel Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, "das gab's zu meiner Zeit noch nicht. Aber sonst hätten wir das auch gemacht". Carlo Ancelotti sagte, dass Costa ihn ja nächstes Mal anrufen könne; dann würde er mit aufs Foto kommen. Und das Bezahlfernsehen startete eine Art Volksbefragung. Welches Attribut eher auf den Jubel zutreffe, lässig oder arrogant? Ergebnis: Die Mehrheit der Zuschauer (68 Prozent) fand den Jubel lässig. Gott sei Dank.

Genau genommen war Costa jedoch nicht der erste Fußballer, der die Aufgaben von Stürmer und Fotograf auf sich vereinte. Francesco Totti hatte beide Jobs schon im Januar 2015 übernommen, beim 2:2 des AS Rom gegen Lazio. Dass Costas Foto nun überhaupt so eine große Sache wurde, liegt wohl auch daran, dass der Brasilianer als Wiederholungstäter gilt, was leicht arrogante Anfälle angeht. Beim 3:0 gegen Leverkusen im vergangenen August hatte er seinen Gegenspieler Julian Brandt mit der Hacke überlupft, sein Team-Kollege Arjen Robben empfand das nicht als übermäßig gelungen ("man muss den Gegner auch respektieren").

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Aus dem Stadion von Christopher Gerards

Was in der ganzen Debatte über Selfies etwas unterging, war, dass Costa ein ziemlich gutes Spiel gemacht hatte. Es war ja erst sein erster Auftritt in der Liga von Anfang an in dieser Saison, zuvor war er - auch verletzungsbedingt - erst zwei Mal eingewechselt worden. Mit schnellen Antritten und vielen Positionswechseln belebte er Bayerns Offensivspiel. Seine Rolle als Linksaußen, interimsweise vom verletzten Franck Ribéry und dem geschonten Thomas Müller übernommen, interpretierte er vergleichsweise frei, er tauschte gern mal die Seite mit Robben. So kam es, dass sein Treffer zum 2:0 von der rechten Strafraumseite fiel. David Alaba war über die linke Seite gelaufen, Costa lauerte da schon in der Mitte. Er hob den Arm, lief, schaute, lief. Alaba flankte, kein Mitspieler erreichte den Ball, kein Gegenspieler. Und im Rückraum wartete Costa, stoppte den Ball mit der Brust - und traf.

Er habe "es sehr gut gemacht", sagte Rummenigge hinterher über Costa, wobei er sich nicht auf die Qualität des Fotos, sondern auf die des Spiels bezog. Ähnlich äußerte sich Ancelotti, "ein gutes Spiel" hatte er von Costa gesehen. Und nachdem Mats Hummels über die Ausgelassenheit von Brasilianern sinniert hatte, sagte er noch diesen Satz: "Wenn er immer trifft, kann er von mir aus 100 Selfies in der Saison machen."

© SZ vom 23.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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