FC Bayern München:Der halbe van Gaal

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Seit mehr als 500 Tagen ist der reiche FC Bayern nicht Erster. Dabei beweisen die Größen im Ausland, dass Geld die Verhältnisse regeln kann. Was machen die Bayern nur falsch?

Klaus Hoeltzenbein

Kaum beachtet ist in der vergangenen Woche ein bitteres Jubiläum verstrichen: Seit mehr als 500 Tagen hat der FC Bayern die Konkurrenz nicht mehr von oben betrachtet, seit mehr als 500 Tagen ist er nicht mehr Tabellenführer der Bundesliga gewesen. Das wiegt schwer, gerade in diesen Zeiten, in denen die spanischen Duellanten (Real und Barça) und die englischen Monarchen (Arsenal, Chelsea, Liverpool, Manchester United) beweisen, dass Geld eben doch die herrschenden Verhältnisse bis zur Langeweile betonieren kann.

Die Münchner hingegen - laut Umsatz-Tabelle weiterhin die Nummer vier unter den Weltklubs - laufen dem europäischen Trend entgegen. Sie geben sich auch in dieser Saison wieder generös, sie lassen die Bundesliga spannend werden. Nach acht Spielrunden ist Alarm an der Säbener Straße, bei acht Punkten Rückstand ist man auf lange Sicht, vermutlich bis zum Saisonfinale, auf eine Verfolgerrolle festgelegt, in der mancher schon die Nerven verlor. Zum dritten Mal binnen vier Jahren (2007 Stuttgart, 2009 Wolfsburg) könnte es wieder einen Meister geben, der nicht der FC Ruhmreich ist.

Die Suche nach den Gründen für diesen Anachronismus, danach, warum das langjährige Bayern-Credo ("Geld schießt Tore!") außer Kraft gesetzt ist, dürfte innerbetrieblich heftig, womöglich lautstark werden. Steht doch die Personalpolitik des Louis van Gaal, der als stur gilt, in Widerspruch zur Einkaufpolitik des Duos Hoeneß/Rummenigge, das als nicht weniger stur gilt.

Der neue Trainer setzt zwei der drei Multi-Millionen-Transfers, die die Münchner Führung in diesem Sommer tätigte, nur sporadisch ein (Gomez) oder lässt sie auf der Bank versauern (Timoschtschuk). Man darf das als sportfachliches Misstrauen werten, allerdings ist da eine Patt-Situation entstanden: Die beiden Transfers, die nur van Gaal zugerechnet werden (Braafheid, Pranjic), haben auch beim 0:0 am Samstag nicht demonstrieren können, wie sie den FC Bayern voranbringen können.

Überhaupt scheint erst der halbe van Gaal angekommen zu sein. Seine Elf hat sensationelle Ballbesitzwerte, aber auch eine rekordverdächtige Abschlussschwäche; sie kann ihr Publikum begeistern wie in der ersten Halbzeit gegen Turin, und sie enttäuscht es, wie in der zweiten. Mächtig schizophren, das alles: Einerseits ist da dieses Gefühl, dass das auf lange Sicht was werden könnte, wenn die van-Gaal-Eleven das Tor wieder finden, andererseits ist da der Zweifel, ob der FC Bayern die internen Debatten der nächsten 250 Tabellenführer-freien Tage verkraften kann. Das Thema ist ja vorgegeben: Wer versteht dort mehr vom Fußball?

© SZ vom 05.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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