FC Bayern:Minuten fürs Museum

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Für sich, Bayern und die Geschichtsbücher: Robert Lewandowski (links) erzielt das Tor zum 5:2 gegen Augsburgs Torwart Rafal Gikiewicz. (Foto: Matthias Schrader/dpa)

Die Saison des deutschen Meisters endet wie perfekt inszeniert: mit tränenreichen Abschieden und dem 41. Saisontor von Robert Lewandowski. Danach trifft der Rekordstürmer im Stadion Gerd Müllers Ehefrau.

Von Sebastian Fischer, München

Sogar auf einem der mutmaßlich letzten von vielen Bildern, die zum Ende dieser Bundesligasaison in der Münchner Arena aufgenommen wurden, passte die Kulisse. Als wäre dieser Tag von einem Menschen inszeniert worden, der sich mit Inszenierungen auskennt und es gerne etwas kitschig mag; einem Menschen mit großen Sympathien für den FC Bayern wohlgemerkt.

Auf diesem Bild also stand Robert Lewandowski im FC-Bayern-Museum im Stadioninneren, er trug seine Medaille für den neunten Meistertitel in Serie um den Hals und hielt ein T-Shirt in den Händen. "4EverGerd" stand darauf, ähnlich wie auf jenem, das der Stürmer schon in der Vorwoche in Freiburg unterm Trikot getragen hatte, als er sein 40. Saisontor geschossen und damit den für die Ewigkeit gedachten Rekord von Gerd Müller aus der Saison 1971/72 eingestellt hatte.

Diesmal, nach seinem 41. Treffer, stand noch eine persönliche Widmung daneben: "Für Legende Gerd, große Inspiration, vielen Dank", wenn man es richtig entzifferte. Lewandowski überreichte das Shirt Müllers Ehefrau Uschi. Gemeinsam standen sie vor einer Museumswand mit Bildern und einem Text, aus dem zwei Überschriften hervorstachen: "Die goldene Achse" und "Ende einer Ära".

Im Museum ist damit die Achse aus den Siebzigern gemeint, die mit Sepp Maier im Tor begann, über Franz Beckenbauer führte und im Sturm bei Müller endete. Doch auch in der Gegenwart ging es am Samstag - neben der Bewunderung für die Tore des Weltfußballers - um eine Achse, eine Ära und deren Ende.

Die letzten Minuten des Spiels, eines 5:2 gegen den FC Augsburg, eigneten sich tatsächlich für die Aufbereitung im Museum. Zunächst die 61. Minute, da ging Jérôme Boateng, 32, vom Platz und konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Der Verteidiger war der erste der vielen bedeutenden Protagonisten des Klubs, der zu seinem Abschied eine besondere Würdigung der Menschen im Stadion erfuhr, zu denen erstmals seit März 2020 auch wieder ein paar Zuschauer zählten, 250 insgesamt, sie applaudierten. Genau wie alle Münchner Profis auf dem Platz, die noch mal zur Mitte gelaufen kamen, bevor Boateng dort letztmals im Bayern-Trikot den Rasen verließ, um auch Javi Martínez, 32, noch seine letzten Minuten für den Verein zu gewähren.

Bayern München in der Bundesliga - in ARD und ZDF bald auch mit Werbung für Sportwetten. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Zehn Minuten später war dann David Alaba, 28, dran, von dem zwar immer noch nicht klar ist, ob er nun wirklich zu Real Madrid geht, doch sein Abschied aus München, wohin er 2008 als Jugendspieler von Austria Wien gewechselt war, stand seit Monaten fest. Die Stadionregie spielte einen Walzer.

Es seien "die bewegendsten Momente" des Tages für ihn gewesen, sagte Hansi Flick, um dessen Abschied es natürlich auch ging. Als er im Herbst 2019 die Mannschaft übernommen hatte, waren Boateng und Alaba im Zentrum seiner ersten Maßnahmen gestanden. Boateng, damals nicht in bester Verfassung, stärkte der Trainer gegen jede Wahrscheinlichkeit den Rücken. Alaba, damals Linksverteidiger, machte er zum Abwehrchef und damit zum Teil jener heutigen Achse, die mit Torwart Manuel Neuer begann und vorne mit Lewandowski endete. Sieben Titel in eineinhalb Jahren waren das Ergebnis.

Es waren Elogen, die Flick in der Pressekonferenz auf die beiden Profis anstimmte: Alaba habe "Weltklasse-Niveau" auf drei Positionen, links und innen in der Abwehr sowie im defensiven Mittelfeld. Was ihn aber noch mehr auszeichne, sei "soziale Kompetenz". Alaba sei "das Herz der Mannschaft, der alle mitnimmt", der "Spieler auf den richtigen Weg begleitet". Boateng wiederum sei Bayerns "konstantester Innenverteidiger in dieser Saison" gewesen: "Ich konnte mich immer auf ihn verlassen."

Als Gruß an Hasan Salihamidzic betonte Flick nochmals, "wie gerne er", also Boateng, "hiergeblieben wäre". Der Abschied des Weltmeisters von 2014 nach seinem Vertragsende war bekanntlich eine Episode des Streits zwischen Trainer und Sportchef gewesen, der die so kurze wie erfolgreiche Ära Flick zu ihrem Ende geleitete. Als Gruß an Joachim Löw, dessen Nachfolger er demnächst werden dürfte, auch wenn er das am Wochenende immer noch nicht bestätigte, erwähnte Flick außerdem, Boateng sei einer "der besten Innenverteidiger Deutschlands". Er, Flick, habe "wirklich gehofft", dass Boateng zur Europameisterschaft in die Nationalmannschaft zurückkehre. Das indes sah Löw anders.

Und noch einer, der bei den Bayern seinen Dienst quittiert: Co-Trainer Hermann Gerland wird von der Mannschaft in die Luft geworfen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Bevor am Samstag dann noch weitere Abschiede gefeiert wurden, etwa der von Assistenztrainer Hermann Gerland, den die Spieler bei der Meisterfeier auf dem Rasen in die Luft warfen und wieder auffingen, ging es aber um Lewandowski. Flick erzählte, er habe kurz vor Ende der Partie schon zu Torwarttrainer Toni Tapalovic gesagt: "Ich glaube, heute macht er kein Tor mehr." So viele Chancen hatte Lewandowski vergeben, so oft war er an seinem Landsmann Rafal Gikiewicz im Augsburger Tor gescheitert. Der Stürmer hatte es per Kopf und mit dem Fuß versucht, von nah und fern, alles beherrscht er ja, die 40 Saisontore zuvor waren der Beweis. Doch es dauerte bis zur letzten Minute, bis Gikiewicz einen Schuss von Leroy Sané nur nach vorne abprallen ließ. Lewandowski traf im Nachsetzen, aus der Drehung am Fünfmeterraum.

Es war wieder ein Bild fürs Museum. Die Drehung, der Schuss, es sah aus wie früher bei Gerd Müller.

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