FC Bayern Basketball:Vor einem vollen Sommer

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Sportdirektor Daniele Baiesi hat mit zahlreichen auslaufenden Verträgen zu tun.

Von Felix Haselsteiner

Ein bisschen Wert auf die Begrifflichkeit legt Daniele Baiesi dann schon. Während Geschäftsführer Marko Pesic sich am Ende der Saison mit den Spielern einfach irgendwo zusammensetzt, nennt Baiesi das ganze professionell "Exit-Interviews", wie in der NBA. Baiesi setzt sich dann mit jedem der Spieler hin, analysiert die Leistungen, spricht über Ziele und Verträge, das ganze findet auch gerne mal im Biergarten vor dem Audi Dome statt. Und selten hatten die Exit-Interviews eine wichtigere Bedeutung für den Sportdirektor des FC Bayern Basketball als in diesem Jahr, denn: Baiesi hat einen vollen Sommer vor sich.

Nicht nur, dass die Münchner nach dem enttäuschenden Viertelfinal-Aus beim Finalturnier zum ersten Mal seit 2017 ohne Titel da stehen, nein, es laufen auch noch die Verträge einiger Kaderstützen aus. Greg Monroe, Mathias Lessort, Danilo Barthel und Maodo Lo sind die vier wichtigsten Namen, mit denen sich Baiesi aktuell beschäftigt. Während die Lage bei Lessort, Barthel und Lo noch sehr undurchsichtig ist - Exit-Interviews folgen noch -, glaubt Baiesi bei Monroe nicht an eine Rückkehr: "Er ist ein Spieler, den wir uns nicht mehr leisten können", sagt der Italiener am Dienstagvormittag im Pressegespräch. Er meint: Monroe ist ein idealer Spieler für gewisse Gegner und Situationen, müsste aber eigentlich in Rotation mit einem zweiten hochklassigen Center auflaufen. Den wiederum können sich die Bayern nicht leisten, daher dürfte ein Abschied von dem statistisch wertvollsten Spieler der vergangenen Saison folgen.

Auch die Trainerposition ist noch eine offene Frage: Ob Oliver Kostic bleibt oder nicht, sei noch nicht abschließend entschieden, Lob gibt es für den Serben dennoch: Er habe sich im Januar für einen Job entschieden, bei dem er "mehr verlieren konnte als gewinnen", sagt Baiesi. Kostic, der sich mit dem Sportdirektor eine Leidenschaft für Wein und gutes Essen teilt, dürfte auf Dauer eine zu kleine Lösung sein, mit einer finalen Entscheidung ist wohl im Juli zu rechnen.

Bis dahin möchte der Sportdirektor lieber noch einmal ausführlich über die Fehler der vergangenen Saison sprechen. Auch und insbesondere, wie es bei dem selbstkritischen Baiesi stets der Fall ist, über die eigenen: "Ich habe die Abhängigkeit von Nihad Djedovic unterschätzt", sagte Baiesi zum Beispiel. Weil der Shooting Guard die ganze Saison über mit Verletzungsproblemen zu kämpfen hatte und für das Finalturnier komplett ausfiel, hatten die Münchner immer wieder große Probleme: "Djedovic war der einzige, der sich nicht verletzen durfte. Es war mein Fehler, da nicht für Ersatz zu sorgen."

Ansonsten beschäftigt sich die bisherige Saisonanalyse des FC Bayern allen voran damit, dass man in der Saison 2019/20 zwar den teuersten und individuell vermutlich besten Kader der Vereinsgeschichte hatte - aber häufig keine Mannschaft. "Es gab vor allem in den Spielen Probleme in der Team-Chemie", sagt Baiesi. Der Referenzpunkt sei die Saison davor, als die Münchner mit Spielern wie Derrick Williams und Devin Booker von der Energie des Teams lebten und nicht, wie so häufig in der vergangenen Saison, von der Qualität des Einzelnen.

Auch die Schuld, dass aus den guten Einzelspielern kein Team wurde, sucht Baiesi bei sich selbst und nicht etwa beim im Winter entlassenen Trainer Dejan Radonjic oder dessen Nachfolger Kostic: "Ich frage mich, ob es überhaupt möglich war, aus den einzelnen Spielern eine Mannschaft zu formen", sagt Baiesi. Die Analyse der Teamkultur sei mit Abstand die schwerste, trotzdem ist Baiesi anzumerken, dass es ihn frustriert, keinen stabileren Kader zusammengestellt zu haben. Stattdessen müssen die Münchner nun wieder neu anfangen, nicht bei Null, aber doch mit den Basics: "Wir werden weiterhin Risiken nehmen müssen auf dem Transfermarkt", ist Baiesi überzeugt. Dass der europäische Transfermarkt sich im Zuge der Corona-Krise stark verändern wird und es zu einer Abkehr von den steigenden Gehältern kommt, glaubt der Italiener nicht: "Die Spitzengehälter werden weiter steigen oder zumindest hoch bleiben, das sieht man in ganz Europa jetzt schon."

Es dürfte daher nicht leichter für die Bayern werden, Personal einzukaufen: Die finanzielle Rahmenstruktur ist zwar abgesichert, im Vergleich zu den Euroleague-Konkurrenten dürften die Münchner sich allerdings weiter darauf verlassen, dass der Gehaltsscheck nicht der entscheidende Faktor ist: "Wir müssen in den Spielern Begeisterung für den FC Bayern wecken", sagt Baiesi. Immerhin habe man sich den vergangenen Jahren einen guten Ruf in Europa erarbeitet und "Fortschritte gemacht" - trotz der enttäuschenden Spielzeit 2019/20.

© SZ vom 25.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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