FC Barcelona:"Es ist noch nicht vorbei"

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Große Emotionen in Barcelona: Präsident Laporta dankt Trainer Xavi für dessen Verbleib. (Foto: Emilio Morenatti/dpa)

Knapp drei Monate nach Ankündigung seines "unwiderruflichen" Rücktritts erklärt die Klublegende Xavi, nun doch bis 2025 Barça-Trainer zu bleiben. Präsident Laporta zeigt sich gerührt, muss dem Coach jetzt aber Wünsche erfüllen.

Von Javier Cáceres, Berlin

Am Ende war auch noch viel Platz für die ganz großen Gefühle, für die emocions, wie es auf Katalanisch heißt. Die Pressekonferenz des FC Barcelona war eine gute halbe Stunde alt, als Klubpräsident Joan Laporta verkündete, der barcelonisme, wie die Barça-Gemeinde im heimischen Idiom genannt wird, könne "stolz auf unseren Trainer" sein. Laportas Vortrag stockte, Tränen schossen ihm in die Augen, so lächelte er liebevoll und doch gequält.

Der Trainer, um den es ging, Xavi Hernández, beugte sich zu Laporta hinüber, hauchte ein "gràcies, presi" und deutete lächelnd eine Umarmung an. Das war der Moment, da die Welt des FC Barcelona auf einmal wieder völlig in Ordnung zu sein schien: Xavi, 44, bleibt nun doch bis 2025 Chefcoach der Katalanen. Der Ende Januar als "unwiderruflich" angekündigte Rücktritt zum Saisonende ist widerrufen. "Diesmal unwiderruflich", versicherte Xavi.

Es sei alles andere als eine einfache Entscheidung gewesen, erklärte Xavi, und man konnte die Ernsthaftigkeit in seinen Gesichtszügen als aussagekräftigen Beleg werten. Xavi lächelte nur selten; vor allem tat er es nun, als ein Journalist spitz anmerkte, dass er nicht wisse, ob er Xavi für den Verbleib einen Glückwunsch oder lieber sein Beileid aussprechen sollte. Es stimmt ja: Die Probleme, die im Januar zur Demission geführt hatten, sind noch lange nicht überwunden - auch wenn nun dank Xavi eine "abrupte Drehbuchänderung" erfolgt ist, wie die Zeitung El País schrieb.

Es sei "grausam", Barça -Trainer zu sein - unter anderem, weil das Umfeld "toxisch" sei, hatte Xavi noch Ende Januar gesagt. Sein Rücktritt sei "das Beste für den Klub und alle Beteiligten", auch für die Mannschaft, die einen neuen Impuls benötige, fügte er damals hinzu. Präsident Laporta wiederum war wie vor dem Kopf gestoßen. Nur weil Xavi eine Klublegende sei, habe er dessen Entscheidung "hingenommen", jeden anderen hätte er ipso facto rausgeworfen, führte Laporta seinerzeit aus.

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Hinzu kam der Disput mit diversen Leitmedien in Katalonien, von denen sich der Trainer zu Unrecht verfolgt fühlt(e). Sie hätten nie gewürdigt, in welcher Lage er die Mannschaft führen musste, beschwerte sich Xavi, und die Medien hätten ihre Sehnsucht nach Ex-Trainer Pep Guardiola offengelegt durch ihre Glorifizierung der spanischen Überraschungsmannschaft FC Girona, die sich soeben für den Europapokal qualifiziert hat und dem Imperium des Guardiola-Klubs Manchester City angehört. Das alles scheint nun vorerst vergessen zu sein - oder zumindest auf Eis zu liegen.

Wahr ist, dass Xavi eine Reihe von Hürden zu nehmen hatte und hat. Das Heimstadion Camp Nou wird gerade umgebaut, was einen temporären Umzug ins ungeliebte Olympiastadion bedingt. Die Last der Affäre um unlautere Zahlungen an den früheren Schiedsrichterchef des spanischen Verbandes, José María Enríquez Negreira, hat das Barça-Image zerstört. Die Schulden des Klubs in Milliardenhöhe tun ihr Übriges. Trotz alledem hat Xavi den Verein stabilisiert - so weit, dass Laporta eine einst von ihm geäußerte Warnung nun relativiert. Sie lautete: "Verlieren wird Konsequenzen nach sich ziehen."

Das Wort gelte zwar immer noch, sagte der Klubchef am Donnerstag, und dass Barça die laufende Saison ohne Titel beenden wird (im Pokal und in der Champions League ausgeschieden, in der Liga inzwischen weit hinter Real Madrid), werde auch Folgen haben, betonte er. Nur sollen diese Folgen keine drastischen sein.

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Das lässt sich prima mit der Bemerkung Xavis unterfüttern, es sei "weise, sich zu korrigieren". Ja, er habe im Januar geglaubt, dass es besser sei zu gehen, aber: "Jetzt glaube ich, dass es besser ist weiterzumachen." Die Korrektur habe er vorgenommen, weil sich vieles zum Positiven geändert habe, insbesondere die Qualität des Fußballs der Mannschaft. Und Xavi gefällt wohl auch, dass ein paar junge Spieler nachgewachsen sind, mit denen sich Staat machen lässt: Cubarsí, Yamal und Fermín sind Eigengewächse, die Hoffnungen nähren. Vor zwei Jahren sei sein Team noch "außerstande gewesen, beim FC Bayern mitzuhalten", sagte Xavi, nun sei man in der Königsklasse an Paris "nur" aufgrund von Details zerschellt.

Überhaupt: Nicht nur das Präsidium um Laporta, auch die Mannschaft habe um seinen Verbleib gebeten. Ebenso die Menschen, denen er auf der Straße begegne. Zitat Xavi: "Sie haben mich erkennen lassen, dass dieses Projekt weitergehen muss, und dass es noch nicht vorbei ist."

Das Geld, betonte Xavi auch, habe bei seiner Entscheidung keine Rolle gespielt. Er habe vom ersten Tag an gesagt, dass er auf das ausstehende Jahresgehalt oder eine Abfindung verzichten und seinem etwaigen Nachfolger gewissermaßen zur Verfügung stellen würde. "Ich ratifiziere diese Worte", erklärte dazu Präsident Laporta.

Das heißt indes nicht, dass pekuniäre Dinge bei der verblüffenden Drehbuchänderung eine untergeordnete Rolle gespielt hätten. Zwar unterstrich Laporta, es habe "keine Verhandlungen" mit anderen Trainern gegeben, lose Gespräche gab es aber schon: unter anderem mit Hansi Flick und/oder dessen Makler Pini Zahavi, den Laporta einen "Bruder" nennt. Es sei dabei jedoch immer klar gewesen, dass Barça abwarten würde, ob Xavi es sich anders überlegt. Und es wäre schon auch ums Geld gegangen: Flick hätte wohl ein höheres Gehalt aufgerufen als Xavi, Roberto De Zerbi (Brighton) ebenso, zudem hätte Letzterer eine Ablöse in zweistelliger Millionenhöhe gekostet. Zuletzt hieß es, dass Barcelona, falls Xavi geht, den Trainer der zweiten Mannschaft, Rafael Márquez, befördern würde, und das lag auch an der Finanzlage. Am Ende dürfte Xavi unter den Lösungen, die ein Minimum an Garantien versprachen, die preisgünstigste sein.

Andererseits scheint eine Rolle gespielt haben, dass Barcelona bei der Reduzierung der Ausgaben und der Verbesserung des operativen Ergebnisses derart vorangeschritten ist, dass der Klub im kommenden Sommer Verpflichtungen tätigen kann, ohne Auflagen oder Bedingungen des spanischen Ligaverbandes erfüllen zu müssen. Das würde helfen, zentrale Wünsche Xavis zu erfüllen. Zum Beispiel: den Innenverteidiger Ronald Araújo zu halten und den Kader aufzumotzen. Im Visier sind Mittelfeldspieler, die Xavi schon im vergangenen Sommer haben wollte: Martín Zubimendi von Real Sociedad, Bernardo Silva von Manchester City - und Joshua Kimmich vom FC Bayern.

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