FC Augsburg:Die Achse der Routine

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"Von außen betrachtet denkt man, dass der FCA immer gegen den Abstieg spielt": Flügelspieler Daniel Caligiuri (am Ball) will das ändern. (Foto: Alexandra Beier/Getty Images)

Trotz des 0:3 gegen Hertha BSC freut sich der FCA über einen gelungenen Saisonstart - und fühlt sich in seiner Personalpolitik bestätigt.

Von MAIK ROSNER

Alfred Finnbogason sprach den hoffnungsvollen Satz aus, und dass ihm dieser in Augsburg über die Lippen kam, war ein hübscher Zufall. "Wir können wieder Geschichte schreiben", sagte der Stürmer des FCA. Allerdings bezog er sich nicht auf seinen Arbeitgeber, sondern auf Islands Nationalmannschaft. Die Insel im Nordatlantik hat sich mit ihren gerade einmal rund 360 000 Einwohnern im Weltfußball einen ähnlichen Status erarbeitet wie der FCA aus der rund 300 000 Menschen zählenden Stadt Augsburg in der Bundesliga. Beiden gelingt es, sich gegen die Großen zu behaupten und diese zuweilen zu überraschen. Finnbogason hofft darauf an diesem Donnerstag, wenn es in Ungarn darum geht, den letzten Gruppengegner der deutschen Nationalelf bei der EM 2021 zu ermitteln. Für Island und Augsburgs Stürmer wäre es die dritte Teilnahme an einer Endrunde nach der EM 2016 und WM 2018. Zuvor hatte es Island nie zu einem Turnier geschafft.

Finnbogasons erwartungsfroher Satz während Islands Vorbereitung auf Augsburgs Trainingsgelände passt durchaus auch zum FCA. Denn beim im Ligavergleich kleinen Klub hegen sie gerade ebenfalls Hoffnungen. Daran hat auch das 0:3 gegen Hertha BSC, für Trainer Heiko Herrlich "das schlechteste Spiel bisher", nichts grundlegend geändert. Durch ihre bisher zehn Punkte aus sieben Spielen fühlen sie sich bestätigt in ihrer Strategie des Sommers, zumal sie mit ihrem Ertrag hochgerechnet auf rund 49 Punkte kämen. Exakt jene Zahl, mit der sie 2015 auf Platz fünf einliefen und zum bisher einzigen Mal in die Europa League einzogen. Stolz erinnerte der Verein jüngst an den fünften Jahrestag des 4:1 gegen AZ Alkmaar, es war Augsburgs höchster Sieg in Europa.

Die Hoffnung auf einen Ausreißer nach oben sprechen sie beim FCA selbstredend nicht aus. Aber die Zuversicht, womöglich mehr zu erreichen als allein die Versetzung in ihr elftes Bundesliga-Jahr, klingt an. "Von außen betrachtet denkt man, dass der FCA immer ausschließlich gegen den Abstieg spielt. Aber meiner Meinung nach haben wir einen so guten Kader und eine so gute Zusammenarbeit, dass ich optimistisch bin, unsere Ziele zu erreichen", sagt Daniel Caligiuri, "es macht ja auch Spaß, ambitioniert nach vorne zu schauen." Zweistellige Platzierungen sind für den FCA die Regel. Nur 2014 (Platz acht/52 Punkte) und 2015 gelang es, deutlich besser abzuschneiden. "Aus der Erfahrung meiner Karriere kann ich auf jeden Fall sagen: Unsere Teamarbeit funktioniert gerade besonders gut", meint Caligiuri, 32, "wir sind in der richtigen Spur." Trotz des jüngsten Rückschlags und vor der schweren Dienstreise nach Mönchengladbach in neun Tagen.

Der Flügelspieler (360 Profi-Spiele für Freiburg, Wolfsburg und Schalke mit 51 Toren und 59 Vorlagen) mit dem deutschen und italienischen Pass ist eine wesentliche Säule jener Strategie, die sie im Sommer umgesetzt haben. Damals wurden der langjährige Kapitän und Sechser Daniel Baier, 36, sowie der bei den Fans ebenfalls angesehene Torwart Andreas Luthe, 33, eher unsanft aussortiert, was Kritik hervorrief. Zudem verabschiedete sich Leistungsträger und Linksverteidiger Philipp Max, 27, nach Eindhoven. Vollzogen hatten sie beim FCA zuvor die ablösefreien Zugänge von Caligiuri aus Schalke, des Torwarts Rafal Gikiewicz, 33, von Union Berlin und defensiven Mittelfeldspielers Tobias Strobl, 30, aus Gladbach. Hinzu kamen die Rückkehr des an Schalke verliehenen Offensivspielers Michael Gregoritsch, 26, die für Augsburger Verhältnisse kostspielige Verpflichtung des zuvor aus Wolfsburg geliehenen Innenverteidigers Felix Uduokhai, 23, und Rechtsverteidiger Robert Gumny, 22, aus Posen.

Vor allem die Routiniers Caligiuri (acht Pflichtspiele/drei Tore, eine Vorlage für den FCA) und Gikiewicz, mit dem die jahrelangen Torwart-Debatten beendet wurden, scheinen dem Team neue Stabilität zu verleihen. Auch Strobls Stellenwert steigt. So haben sich die Augsburger das vorgestellt, als sie die neue Achse einbauten, die den jüngeren Spielern mehr Halt geben soll. Wie dem gerade in die deutsche Nationalelf berufenen Uduokhai sowie Ruben Vargas, 22, Marco Richter, 22, Iago, 23, und Carlos Gruezo, 25. Zugleich war der grundlegende Eingriff in die Statik Teil jenes Plans, mit dem Caligiuri vom Wechsel überzeugt wurde. Vorgestellt hätten ihm die Geschäftsführer Stefan Reuter und Michael Ströll sowie Herrlich, "wie sie den FC Augsburg in den nächsten Jahren sehen. Das hat mich beeindruckt", sagt Caligiuri, "ich möchte mit dem FCA diesen nächsten Schritt machen." Also heraus aus dem Souterrain der Liga, weg vom Regelfall Abstiegskampf.

Es ist ein Hoffen auf eine neue Blüte mit der Mischung aus vielversprechenden jungen Spielern und einem antiken Anstrich durch die Routiniers. Zu diesen zählen auch der neue Kapitän und Abwehrchef Jeffrey Gouweleeuw, 29, André Hahn, 30, Florian Niederlechner, 30, und Finnbogason, 31, der nun mit Island Geschichte schreiben möchte. Und danach vielleicht mit dem FC aus der Stadt der Renaissance, wie Augsburg genannt wird. Mit der erfolgreichen Rückbesinnung auf alte Werte kennen sie sich dort jedenfalls aus.

© SZ vom 12.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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