FC Augsburg:Bild des Augsburger Aufstiegs

Lesezeit: 3 min

Lange Zeit der Dirigent im Augsburger Mittelfeld: Daniel Baier, 36. (Foto: Ulmer/imago)

Nach elf Jahren und 355 Spielen verlässt Daniel Baier den Verein, für dessen Entwicklung er steht wie kein anderer.

Von Felix Haselsteiner

Es ist schon ein paar Jahre her, als sich Daniel Baier zu einem Thema äußerte, das in diesen Tagen wieder aktuell erscheint. "Ich kann nur für mich sprechen", sagte Baier damals, 2017, im Interview mit der SZ, "und ich freue mich, wenn die Jüngeren im Vordergrund stehen und die Mannschaft besser machen." Neid sei ihm völlig fremd, sagte er auch noch, er "kann damit nichts anfangen".

Drei Jahre später zeigt sich, dass Baiers Aussagen von damals nicht bloß leere Worte waren. Am Donnerstagnachmittag meldete sich Augsburgs Kapitän mit einem Instagram-Video, es war in einem melancholischen schwarz-weiß-Format gefilmt, was durchaus passte, denn: Es ging um Baiers Abschied aus Augsburg. "Über 350 Mal habe ich das Trikot mit Freude und Stolz getragen", sagte der 36-Jährige und bedankte sich bei den Fans, den Klubmitarbeitern, den Betreuern, bei seinen Mitspielern. Es werde ein Abschiedsspiel geben, versprach er, wo er versuchen wolle noch einmal "alle Weggefährten" einzuladen.

Das wiederum könnte eine echte Herausforderung werden, denn in den elf Jahren, die er beim FCA spielte, hat Baier viel erlebt, vermutlich mehr als die meisten Bundesligaprofis in ihrer gesamten Karriere. Exemplarisch ein Rückblick auf Baiers erstes Spiel für den FC Augsburg, ausgetragen am 14. September 2008 im Rosenaustadion, damals noch die Heimat des Zweitligisten aus Schwaben. Gegen den SC Freiburg spielte Baier als Rechtsaußen gemeinsam mit dem ungarischen Sturmduo Imre Szabics und Sandor Torghelle. Trainer der Mannschaft war Holger Fach und auch sonst war der FC Augsburg vor allem eins: ein ambitionierter, aber unscheinbarer Zweitligist.

Für Baier, der beim TSV 1860 München einst als großes Talent galt, dem auch nach dem Abstieg der Münchner aus der höchsten Liga eine Bundesliga-Karriere vorhergesagt wurde, sollte Augsburg ursprünglich nur eine Zwischenstation werden - er war vom VfL Wolfsburg verliehen worden. 2009 kehrte er noch einmal für ein halbes Jahr nach Niedersachsen zurück, sah dort allerdings keine Perspektive und wechselte Anfang 2010 nach Augsburg. Und diesmal blieb er.

Es sollte ja dennoch ein Schritt in die Bundesliga werden, über den Umweg der Relegation: Zweimal gewann Augsburg 2010 gegen Nürnberg und stieg auf, Baier war unter Trainer Jos Luhukay längst auf die Position gewechselt, die sein fußballerisches Wirken bestimmen sollte. Zentral vor der Abwehr spielte Baier, auf eine Weise, die ihm in den vergangenen zehn Jahren den Ruf einbrachte, einer der besten, wenngleich unauffälligsten Sechser der Bundesliga zu sein. Baier mag nur acht Tore erzielt haben, hatte dafür allerdings Passstatistiken, die teilweise besser waren als die von Xabi Alonso, des Weltmeisters in Diensten des FC Bayern München. Selbst in der Hinrunde der vorigen Saison, mit damals 35, hatte Baier die meisten Balleroberungen pro Spiel vorzuweisen.

Für Manuel Baum waren die statistischen Werte allein jedoch nicht das, was Daniel Baier auszeichnete. "Dani hat alles miteinander vereint", sagt Baum: "Er war ein Bild des Aufstiegs des FC Augsburg in den letzten zehn Jahren." Knapp zweieinhalb Jahre arbeiteten Baum und Baier in Augsburg zusammen, für den Trainer war Baier der wichtigste Bezugspunkt in der Mannschaft. "Anhand seiner Gestik und Mimik konnte man während des Spiels schon ablesen, wie es läuft - und entsprechend reagieren", sagt Baum, der sich nach Spielen häufig als erstes an Baier wandte: "'Dani, wie war's?' habe ich immer gefragt. Wenn er dann sagte, er habe ein gutes Gefühl, wussten wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind."

Baum lernte Baier in einer Zeit kennen, in der die Augsburger nach ihrem Europa-Höhenflug in der Saison 2015/16 wieder in der Realität des Abstiegskampfes angekommen waren. Während andere Leistungsträger damit zu kämpfen hatten (oder nicht mehr da waren), spielte Baier auf demselben Niveau weiter. "Er war immer dadurch ein Führungsspieler, dass er seine Leistung gebracht hat", sagt Baum.

Diese Aussage gilt auch für den Daniel Baier der vergangenen Monate. Er hatte zuletzt zwar häufig mit Verletzungen zu tun, dass der FC Augsburg im Herbst allerdings seine beste Phase hatte, als Baier unter Martin Schmidt fitter Stammspieler war, war aber wohl kein Zufall. Folgerichtig verlängerte Baier im Winter seinen auslaufenden Vertrag noch einmal um ein Jahr.

Allein: Unter Heiko Herrlich fehlte Baier nicht nur die Einsatzzeit in den letzten Spielen der Saison, sondern vor allem die Perspektive. In Tobias Strobl, 30, haben die Augsburger aus Gladbach einen ähnlichen Spielertypen geholt, es wäre wohl auf eine Art Altersteilzeit für Baier rausgelaufen. Die Vertragsauflösung, das betonte jedoch auch der Profi in einer Mitteilung, sei einvernehmlich gewesen. Er wolle sich nun erst mit seiner Familie besprechen, wie es weitergeht, die Optionen heißen Karriereende oder Abenteuer. Um seinen Status in Augsburg muss Daniel Baier sich nach 355 Spielen in elf Jahren nicht mehr sorgen. Das mit Abstand am häufigsten verwendete Wort in den Kommentaren unter seinem Abschieds-Video lautete: Legende.

© SZ vom 26.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: