Pfiffe gegen einen bestimmten, einzelnen Spieler sind beliebt unter Fußballfans. Der Anlass ist da manchmal sekundär. Das können Gerüchte über einen Vereinswechsel sein, eine abfällige Geste von einem gegnerischen Spieler oder das allseits kritisierte Foto eines deutschen Nationalspielers mit dem umstrittenen türkischen Präsidenten. Für die Fans ist das immer auch ein Aufmerksamkeitsspiel. Sie folgen dem Lauf des Balls, und jedes Mal, wenn der Ball beim besagten Spieler landet, dann pfeifen sie. Man muss da schon sehr aufmerksam sein, damit einem kein Ballkontakt des auszupfeifenden Spielers entgeht.
Mit diesem Spiel kann man sich durch eine maue Spielhälfte retten. So wie am Freitagabend. Das deutsche Spiel gegen Saudi-Arabien (Endstand 2:1) war nicht sehr aufregend, und als İlkay Gündoğan eingewechselt wurde, der für Deutschland spielt, aber mit Erdoğan posierte, da entwickelten einige Leute Spaß an punktuellen Pfiffen - nur gegen ihn. Natürlich, diese Debatte hat auch eine wichtige politische und kulturelle Ebene, aber viele Fans haben auch einfach nur Spaß am Pfeifen. Man darf sie da nicht überschätzen.
Gündoğan hat in den vergangenen Tagen irgendwie versucht, die Sache zu erklären. Den einen genügt das (Bundestrainer Joachim Löw und Teammanager Oliver Bierhoff), andere verstehen die Foto-Aktion nach wie vor nicht. Löw findet: "Irgendwann ist's auch mal gut." Ihn haben die Pfiffe vor allem deshalb gestört, weil Gündogan ja vom kommenden Sonntag an zusammen mit der deutschen Nationalmannschaft versuchen wird, Weltmeister zu werden. Würde Gündoğan im Endspiel den Siegtreffer schießen und den Fans wenige Tage später in Berlin den Weltpokal präsentieren - würden sie dann auch noch pfeifen? Oder jubeln? Oder beides? Gündoğan hätte am Freitagabend kurz nach seiner Einwechslung um ein Haar ein Tor geschossen. Das Mischverhältnis von Pfiffen und Jubel hätte man da schon gerne mal gehört. Vermutung: Der Jubel hätte überwogen.
Gündoğan äußert sich am Tag danach über Twitter
Direkt nach dem Spiel mit den Pfiffen hat sich Gündoğan nicht mehr äußern wollen. Am Tag danach lud er aber ein Foto via Twitter hoch, das ihn neben seinen Mitspielern Thomas Müller, Julian Brandt und Timo Werner zeigt, dahinter sind zwei schwarz-rot-goldene Fahnen zu sehen. Er schreibt: "Immer noch dankbar, für dieses Land zu spielen."
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Gündoğan hofft, dass die Abneigung der Fans nicht weitergeht in Russland, dass die paar tausend deutsche Fans sich dort ganz auf die volle Unterstützung für die Mannschaft konzentrieren. "Ich bin selbst gespannt, welche Reaktionen es in Russland noch geben wird", sagt Löw. Sorgen um Gündoğan macht er sich aber keine. "Da muss er durch", fügte Löw noch hinzu, daraus klang ein bisschen hervor, dass Gündoğan ja auch selbst schuld ist an den Reaktionen im Allgemeinen. Er hat das Foto bewusst mitgemacht, jetzt wird ihm bewusst, dass die Fans das bewerten. So oder so. Mesut Özil, der auf den Fotos auch mit drauf war, ist am Freitag um Pfiffe herumgekommen, weil er wegen einer Knieblessur pausiert hat.
Gündoğans Kollegen machen sich jetzt vor allem Sorgen um die Stimmung im Team, denn explizite Vorbehalte einiger Fans können das Selbstvertrauen von Gündoğan und Özil und womöglich sogar einiger sensibler Spieler beeinträchtigen. "Ab jetzt", sagt der eigentlich coole Stürmer Mario Gomez, "ab jetzt bitte ich die Leute daran zu denken, dass wir Weltmeister werden wollen - und dafür brauchen wir den Illy ebenso wie den Mesut."