"Fall Erfurt":Vorgehen der Wada irritierend

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Nach der Wende im "Fall Erfurt" am Freitag werden immer mehr Sachverhalte bekannt, die die Wada in ein schlechtes Licht rücken. Vizepräsident Arne Ljungqvist, als Vorsitzender des Medizinischen Komitees in entscheidender Position, war nicht über die Vorgänge informiert.

Das Vorgehen der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) in der Erfurter Doping-Affäre wirft immer mehr Fragen auf. Vize-Präsident Arne Ljungqvist, als Vorsitzender des Medizin- und Wissenschaftskomitees innerhalb der Wada eigentlich in entscheidender Position, war nicht über die Vorgänge informiert, die am Freitag zur Wende im "Fall Erfurt" geführt haben.

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"Dieser spezielle Fall ist in meinem Komitee in den letzten Monaten und auch davor gar nicht behandelt worden", sagte Ljungqvist dem Deutschlandfunk. Das erste Mal habe er von der neuen Entwicklung am Freitag gehört, niemand habe ihn zuvor informiert, sagte der Schwede. Er sei "auf der Suche nach Informationen".

Die Wada hatte am Freitag den Fall Erfurt überraschend neu bewertet. Für die Wada und damit auch die Nada stellt Frankes Methode nun doch nur im Falle von Behandlungen, die nach dem 1. Januar 2011 durchgeführt wurden, einen Verstoß gegen die Anti-Doping-Richtlinien dar.

Zuvor hatten beide Anti-Doping-Agenturen die Sichtweise vertreten, die Methode sei "nie erlaubt" gewesen (Wada) beziehungsweise "seit mehreren Jahren verboten" (Nada). Von ursprünglich mindestens 30 betroffenen Athleten im Fall Erfurt bleiben damit nach sid-Informationen nur noch drei übrig. Gegen zwei davon, eine Eisschnellläuferin und einen Radsportler, laufen bereits Verfahren.

Anscheinend hatte die Wada an ihren deutschen Ableger Nada kommuniziert, dass die juristische Neueinschätzung der umstrittenen Blutbestrahlung des Erfurter Mediziners Andreas Franke in Abstimmung mit sämtlichen Wada-Kommissionen getroffen worden ist. Dies lässt ein Schreiben des Nada-Vorstands Lars Mortsiefer an den Nada-Aufsichtsrat vermuten.

"Die Wada hat eine Vielzahl von Dokumenten und Informationen ausgewertet, Gutachten eingeholt und externe Experten zur Beurteilung der UVB-Methode ( die von Franke durchgeführte Blutbestrahlung, d. Red.) hinzugezogen. Zudem ist die Mitteilung in den verschiedenen Gremien der Wada (Science, Legal und Medical Department sowie List Committee) abgestimmt worden", schrieb Mortsiefer - dies entspricht den Ausführungen von Ljungqvist zufolge nicht den Tatsachen.

Das Schreiben liegt dem Sport-Informations-Dienst vor. Möglich ist demnach auch, dass die Ausklammerung von Ljungqvists Komitee in der Wada zu Fehleinschätzungen beigetragen hat. Der Wada-Justiziar Julien Sieveking hatte Mortsiefer am 2. Mai 2011 eine E-Mail geschrieben, in der er der Nada die Unrechtmäßigkeit von Frankes Behandlungsmethode schon vor 2011 bestätigte.

Er begründete dies unter anderem mit der vermeintlichen Tatsache, dass die Erfurter Blutbestrahlung "definitiv den Sauerstofftransfer" verbessere - eine Aussage, die kein medizinisches Gutachten stützt. Die E-Mail liegt dem sid vor. Die Wada kommunizierte die Neueinschätzung der Causa Erfurt in einer Mitteilung auf seiner Website ähnlich, wie es die Nada am Freitag getan hatte. Wegen der beiden noch laufenden Verfahren in Deutschland könne man keine weiteren Kommentare zu dem Fall abgeben.

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