Ex-Basketballer über Polizeigewalt:Michael Jordan - ein Turnschuhverkäufer wird politisch

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Michael Jordan hat alles gewonnen - jetzt findet er endlich auch eine politische Stimme. (Foto: Charles Rex Arbogast/AP)

Als Basketballer war er vom Siegen besessen, als Geschäftsmann will er Profit. Jetzt erhebt Michael Jordan erstmals seine Stimme gegen rassistische Gewalt - und zugleich für Polizisten.

Von Jonas Beckenkamp

Eines konnte Michael Jordan schon immer besonders gut: fliegen. Als Basketballer schwebte er zum Korb, wenn andere längst wieder gelandet waren. Jordans Dunks, seine Athletik, sein Lossagen von den Gesetzen der Schwerkraft - diese Eigenschaften brachten ihm den Spitznamen "Air" ein. "Air" Jordan hießen auch die Turnschuhe, mit denen er sein eigenes Imperium erbaute. Wer in den 90ern als Knirps Bälle in Körbe schmiss, brauchte Jordans Treter.

Michael Jordan hat den Basketball dominiert wie kein anderer Spieler zuvor - aber er war auch ein Geschäftsmann. Er wollte gewinnen und er wollte Gewinn machen, Geld verdienen. Nie besonders gut war MJ dagegen darin, Stellung zu politischen Themen zu beziehen. Obwohl er als stiller Unterstützer der Demokraten galt, prägte er einst den Satz: "Auch Republikaner kaufen Schuhe." Kritiker hielten His Airness seine Fixierung auf die eigene Vermarktung oft vor. Es dauerte bis Anfang dieser Woche, ehe der längst nicht mehr fliegende Jordan erstmals öffentlich seine Stimme erhob, um Stellung zu beziehen. Mit 53 Jahren.

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Der beste Basketballer der Geschichte will zur Versöhnung zwischen Afroamerikanern und der Polizei in den USA beitragen. "Ich kann nicht länger schweigen", schrieb er in einem ganzseitigen offenen Brief, den die Nachrichtenseite The Undefeated am Montag veröffentlichte. Der einstige Luftakrobat der Chicago Bulls und heutige Mehrheitseigentümer der Charlotte Hornets will demnach zwei Millionen Dollar spenden. Eine gehe an ein neues Institut des Verbands der Polizeichefs IACP, das sich um die Beziehungen zwischen Polizei und Gemeinden kümmert, die andere Million an einen Rechtsbeihilfe-Fond der Bürgerrechtsorganisation NAACP.

"Als stolzer Amerikaner, als Vater, der seinen eigenen Vater bei einer sinnlosen Gewalttat verloren hat, und als schwarzer Mann bin ich zutiefst beunruhigt über die Tode von Afroamerikanern durch Gesetzeshüter und wütend über das feige und hasserfüllte, gezielte Töten von Polizeibeamten", schrieb Jordan. Die Ereignisse der vergangenen Monate ließen ihn offenbar nachdenklich werden, schließlich wurde sein eigener Vater im Jahr 1993 bei einem Raubüberfall erschossen. Jordan hatte damals nicht zuletzt aus Trauer zwischenzeitlich mit dem Basketball aufgehört und sich in einer unterklassigen Baseballliga versucht.

Heute ist der Rückzug ins Private für ihn wohl keine Option mehr. Die tödlichen Schüsse durch Polizisten auf Schwarze hatten zuletzt immer wieder heftige Proteste ausgelöst. In der Folge kamen in Dallas und Baton Rouge insgesamt acht Polizisten durch Vergeltungstaten ums Leben. Zwischenfälle, die Jordan zutiefst beschäftigen. "Meine Eltern brachten mir bei, Menschen ganz unabhängig von deren Herkunft oder Hautfarbe zu respektieren", berichtet der gebürtige New Yorker, "umso mehr betrübt mich jetzt die zersetzende Rhetorik, die in den USA zu Spannungen zwischen Schwarz und Weiß führt."

Seine Jugend verbrachte der spätere Markenkönig der NBA in der Südstaatenhitze North Carolinas, wo Rassendebatten schon lange ein Thema sind. Große Teile der schwarzen Bevölkerung sehen sich dort in besonderem Maße diskriminiert, immer wieder kommt es zu Willküraktionen wie jener Anfang März 2016: Ein wegen Drogendelikten gesuchter Afroamerikaner wurde in Raleigh von einem Polizisten getötet - obwohl der Flüchtige unbewaffnet war. Im Schnitt werden in den USA pro Tag drei Menschen von Polizisten erschossen.

Jordan sieht sich nun als Sprachrohr, als Schnittstelle zwischen der "Black Lives Matter"-Bewegung und den Autoritäten. "Ich weiß, dass dieses Land es besser kann. Wir brauchen Lösungen, so dass Afroamerikaner endlich genauso behandelt werden wie weiße Amerikaner", sagt er, "aber gleichzeitig sollten auch Polizisten, die täglich ihr Leben für unsere Sicherheit geben, Respekt und Unterstützung genießen." Er habe sich entschieden, seine politische Zurückhaltung aufzugeben, weil er sich endlich einen Friedensdialog wünsche, "damit wir unsere Gesellschaft konstruktiv verändern."

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Von Jonas Beckenkamp

Die Wandlung Jordans vom Businessman zum Vermittler kommt in der amerikanischen Sportszene gut an. Doch es schwingt auch ein wenig Bedauern mit, dass MJ seine Stimme so lange ungenutzt ließ. Im Gegensatz zu Jordan engagieren sich aktuelle NBA-Idole wie LeBron James, Chris Paul, Dwyane Wade und vor allem Carmelo Anthony seit Jahren in Debatten über die Gesellschaft, die Liga selbst ermuntert sie sogar dazu. Anthony, einer der Anführer des US-Olympiateams in Rio, lobte Jordans Politisierung als "brillanten Schritt", es sei aber auch höchste Zeit gewesen, dass er Stellung beziehe.

Die Bedeutung eines haltungsstarken Sporthelden wie Jordan hält Anthony für enorm. "Er ist selbst Afroamerikaner, ein sehr einflussreicher noch dazu. Dass er in Zeiten sozialer Zerrissenheit die Komfortzone verlässt, bedeutet eine Menge." Es geht um ein Signal aus Worten und Taten eines amerikanischen Sporthelden. "Dass er seine Äußerungen mit einer Geldspende unterstützt, ist perfekt", sagte Anthony. Vielleicht lernt Michael Jordan also gerade auch das: Es geht um mehr als nur darum, möglichst viele Schuhe zu verkaufen.

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