Der Mann, der einst elf Millionen Euro wert war, erledigte sein letztes Fußballspiel am 10. Oktober, im Kreissparkassen-Cup bei den Sportfreunden Aying. 6:1 gewann die Reservemannschaft des Drittligisten SpVgg Unterhaching, vor 80 Zuschauern. "Savio Nsereko tanzte seine Gegenspieler auf der linken Seite aus", heißt es im Spielbericht der Lokalzeitung. Danach verloren sich die Spuren. Der Klub teilte mit, der Mittelfeldspieler habe sich einen Muskelfaserriss zugezogen.
Jetzt ist er wieder aufgetaucht, in Thailand. Die Geschichte geht so: Sein Vertrag beim Drittligisten, den er erst im Verlauf dieser Spielzeit geschlossen hatte, war nach dem Spiel in Aying auf Nserekos eigenen Wunsch aufgelöst worden. Er habe den Kopf voll mit alten Geschichten, könne sich nicht auf den Fußball konzentrieren, sagte er dem Trainer. Dann ist Nsereko, 23, in den Ferienort Pattaya gereist.
Dort brachte er binnen weniger Tage 25 000 Euro durch, und als das Geld zu Ende war, wollte er den Urlaub nicht beenden. Er soll sich laut Bangkok Post telefonisch bei Familienmitgliedern gemeldet und mitgeteilt haben, er sei in Thailand entführt worden, 3000 Euro Lösegeld müssten überwiesen werden. Der Mann, der einst elf Millionen Euro wert war, belog Verwandte wegen 3000 Euro. Die Angehörigen zahlten aber nicht, sie schalteten stattdessen die deutsche Botschaft ein. Die thailändische Polizei griff Nsereko auf und nahm ihn in Obhut. In Deutschland erwartet ihn ein Verfahren wegen Vortäuschung einer Straftat.
Unterhaching hatte für Nsereko ein Neubeginn werden sollen. Er stammt aus München, mit 17 wechselte er aus der Jugend des TSV 1860 nach Italien. Er galt als eines der größten deutschen Talente seines Jahrgangs, war Junioren-Nationalspieler. 2009 zahlte West Ham jene elf Millionen Euro an Brescia, acht Monate später zog er für 6,2 Millionen zum AC Florenz weiter. Wer sich mit diesen irrationalen Transfers und abenteuerlichen Summen die Taschen voll gemacht hat, ist die eine Geschichte.
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Die andere ist der beispielhafte Lebenslauf von Savio Nsereko. Sie geht darum, was mit einem Jungen geschieht, wenn er elf Millionen Euro wert sein soll.
Es ist keine Überraschung, dass er bald merkte, dass Geldausgeben mehr Spaß machte als Fußballspielen, und dass es sich besser anfühlte, Dienstagnacht für eine Lokalrunde feinster Spirituosen von schönen Frauen beklatscht zu werden als Mittwochmorgen im Training von den zuschauenden Rentnern für eine Flanke. Ein Problem damit bekam er, weil er systematisch erlernt hatte, dass er nur so viel wert war, wie er besaß.
Es war Mitte September, als Savio Nsereko in der Sportgaststätte in Unterhaching saß. Daneben saß der Pressesprecher des Vereins. Nsereko war gekommen, um über sich zu sprechen. Wieso er sich nie in seiner Karriere an einem der Orte durchgesetzt hat, an die ihn Florenz zuletzt immer wieder verlieh. Nicht bei Chernomorets Burgas in Bulgarien, nicht bei Juve Stabia in Italiens Serie B, nicht beim FC Vaslui in Rumänien. Und auch nicht im Sommer 2010 beim Zweitligisten 1860 München.
Damals, im Trainingslager in Tirol, stellte sich Nsereko als der neue Superstar vor. Er redete nicht über seine Fehler, nur über seine Begabung. Er feierte am Abend im Hotel seinen Geburtstag, mit großer Entourage und Champagner. Es folgten kleine Eklats, Nsereko begehrte auf, als es um die Ausführung eines Elfmeters und ums Auslaufen nach dem Spiel ging. Ein paar Wochen später erschien er einfach nicht mehr zum Training. 1860 meldete ihn als vermisst, tagelang war er verschwunden.
Reporter recherchierten vor dem Haus der Familie und in einem Tante-Emma-Laden, in dem seine Mutter arbeitete. Erst hieß es, er trauere um seinen in Uganda erschossenen Halbbruder; weder seine Mutter noch die Botschaft wussten etwas davon. Dann kam das Gerücht auf, er sei auf der Flucht vor Personen gewesen, denen er Geld schuldete. "Es geht jetzt darum, eine menschliche Seele zu retten", sagte der damalige 1860-Sportdirektor Miroslav Stevic, bevor er den Vertrag mit Nsereko auflöste.
Es wäre ziemlich interessant gewesen, an diesem Septembertag in der Unterhachinger Sportgaststätte von Savio Nsereko zu erfahren, warum all das passiert war und ob schon mal jemand versucht hatte, seine Seele zu retten. Aber da saß nicht Savio Nsereko. Da saß eine schüchterne, distanzierte Hülle, die aussah wie er. In der Hülle steckte eine Maschine, die die Wortfetzen ausspuckte, die die Leute von Savio Nsereko hören wollten. Abgeschlossen mit der Vergangenheit. Hart arbeiten. Auf Fußball konzentrieren. Wieder angreifen.
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Anständig gekleidet war er auch. Ein Klubverantwortlicher hatte gemahnt, wenn er noch mal mit so dicken, bunten Kopfhörern rumlaufe, brauche er gar nicht mehr zu kommen. Er dachte wohl, sie seien Zeichen von Coolness und Lässigkeit, Eigenschaften, die sie im Fußball und vor allem in Haching nicht schätzen. Dabei waren die dicken Kopfhörer dazu da, um Savio Nsereko von einer Welt zu trennen, mit der er schon lang nichts mehr zu tun hatte.