Europa League: RB Salzburg:Ein Knurrer für die Dosenkavaliere

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Das Geld des Energielimonaden-Milliardärs Mateschitz und der Trainer-Stil von Huub Stevens: Warum Salzburg international plötzlich Erfolg hat.

Moritz Kielbassa

International orientiert, wie das Fußballimperium von Red Bull ist, erschien auf der poppig inszenierten Internetseite des österreichischen Meisters RB Salzburg dieser Tage ein 79-Sekunden-Video, mit lustigen, mehrsprachigen Weihnachtsgrüßen an die lieben Fans am Computer. Aus 15 Ländern stammen die Salzburger Spieler, einige von ihnen verraten in dem Clip, wie "frohes Fest" und "Neujahr" in ihrer Heimat klingt.

Unter Huub Stevens hat Salzburg international Erfolg. (Foto: Foto: AP)

Auch der neue Sportdirektor aus Fürth in Franken ist zu sehen, mit einer ulkig schief aufgesetzten roten Zipfelmütze mit Bommel. Er empfiehlt "besinnliche Tage im Kreis der Familie", in jenem bedächtigen Tonfall, den man von Dietmar Beiersdorfer noch aus der deutschen Bundesliga kennt. Schneidiger platzt der Trainer ins Bild: "Ik bin's!", ruft Huub Stevens, sprachlich gemischt, und dann wünscht auch der Holländer allen Fans der Bullenherde ein "gelukkig kerstfeest en een gezond nieuwjaar".

Der Fußballlehrer Stevens, 56, wurde in Deutschland (Schalke, Hertha, Köln, HSV) unter dem Beinamen "Knurrer aus Kerkrade" bekannt, und als Erfinder der stehenden Null, weil ihm nichts so heilig ist wie die defensive "Orchanisation" der Mannschaft. Seit Sommer dirigiert der Disziplinliebhaber in der Mozartstadt Salzburg. Inzwischen weiß man dort, dass hinter der sperrigen, bisweilen rechthaberischen Anmutung von Stevens auch sonnige und verschmitzte Charakterseiten stecken. Und nach zähen Anfangswochen hat sein spezieller Fußballstil den Österreichern in kurzer Zeit beachtliche internationale Resultate beschert.

Als einziges von 48 Teams der Europa League hat Salzburg vor dem letzten Gruppenspiel an diesem Donnerstag eine schneeweiße Bilanz: fünf Spiele, fünf Siege, nicht gegen Laufkundschaft, sondern gegen namhafte Favoriten aus Spanien (Villarreal) und Italien (Lazio Rom). Als durch das 2:1 gegen Lazio vor 14 Tagen das Weiterkommen feststand, ließen 26.000 die Welle durch die Bullenarena schwappen. Auch Stevens, dem dieser Erfolg Respekt verschaffte, griff zu Vokabeln, die man selten vernimmt von ihm: "Unglaublich! Super! Ein Traum!"

Seit Jahren buhlen die Salzburger um Einlass in die Champions League, mit üppigen Zuwendungen des Energielimonaden-Milliardärs Dietrich "Didi" Mateschitz. Doch keinem von Stevens' Vorgängern (Jara, Trapattoni, Adriaanse) war das Erreichen des großen Projektziels vergönnt. Auch diesmal scheiterten die Dosenkavaliere jäh in der Qualifikation, am späteren FC-Bayern-Gegner Haifa. Der Trauer folgte die frohe Einsicht, dass der Spaßfaktor auch eine Europacup-Etage tiefer hoch sein kann. Die Siege gegen Villarreal und Rom, begünstigt durch Schwächeperioden beider Gegner, lieferten gute Argumente für den gruppendynamischen Arbeitsansatz von Stevens, der das Ergebnis über das Erlebnis stellt.

Hinten dicht, kaum Fehler, schnörkellose Konter, kein Fußball für Schönheitswettbewerbe, der Stevens-Stil ist bekannt, und der Trainer lässt sich gerne anmerken, dass er damit schon in höheren Sphären Erfolg hatte. Die heimischen Reporter belehrte er gleich zu Beginn: "Ihr redet in Österreich zu viel über einzelne Spieler. Ich denke an die Mannschaft."

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Fußball: Europa League
:Bluten, treffen, siegen

Bremen und Rom spazieren zu Gruppensiegen, in Berlin brauchen die Fans Glühwein, und in Belgrad gibt es einen Faustkampf im Schneetreiben. Der Spieltag im Überblick.

Stevens hatte Marc Janko, den Toptorjäger der Vorsaison (39 Treffer), als Solostürmer aufgestellt und ihm laufintensives Pressing befohlen. Als Janko missmutig reagierte, war er Reservist. Das irritierte viele Beobachter, doch inzwischen ist das Verhältnis der beiden dem Vernehmen nach prima, und aus einem taktisch gut dressierten Kollektiv ragen neben Janko weitere Solisten heraus.

Wie der lässige Torwart Gustafsson (Schweden). Oder Flügelangreifer Somen Tchoyi (Kamerun), den Stevens "grenzgenial" nennt, weil er mit vielen Aktionen den Haarausfall des Trainers forciert, aber auch Tore erzielt wie das 2:1 gegen Lazio, mit zwei Haken und einem Heber über den Torwart - im Landesidiom: einem "Schupferl". Bei Innenverteidiger Sekagya (Uganda), der mit Afolabi (Nigeria) ein starkes afrikanisches Duo bildet, kann es passieren, dass er auch im eigenen Fünfer zu schupferln anfängt. Alexander Zickler, 35, der 2005 aus München geholte Sturmroutinier, kommt auf dem Kunstrasen in Salzburg-Wals immer noch sporadisch zum Einsatz.

In Europa ging Salzburgs für Außenseiter maßgeschneiderte Taktik bisher ideal auf. Der Ligaalltag gestaltet sich für den hohen Meisterfavoriten schwieriger und grauer. Die "Winterkrone", wie der Halbzeittitel in Österreich heißt, errang Rapid Wien. Salzburg ist Zweiter und wirkte in den letzten Spielen urlaubsreif.

Frisch in die Arbeit gestürzt hat sich der neue Sportdirektor. Beiersdorfer, neben dem Geldgeber nun der zweite "Didi" im Haus, wurde von Stevens empfohlen, beide harmonierten schon in Hamburg. Beiersdorfer soll den Bullen Konzepttreue beibringen. "Es ist wichtig, nicht heute linksrum zu gehen und morgen rechtsrum", sagte er zum Einstand.

In Salzburg gab es in der Mateschitz-Ära, in der das Saisonbudget auf geschätzte 50 Millionen Euro stieg, mehrere radikale Kehrtwenden in der sportlichen Ausrichtung: Dem Betonanrührer Trapattoni folgte ein Hurrastil-Trainer aus Holland, Co Adriaanse, jetzt Stevens. Auch die kostenintensive Transferpolitik wirkte zeitweise hektisch und undurchdacht.

Beiersdorfer hat als Handlungsreisender viel zu tun, er betreut neben dem Stammsitz Salzburg vier weitere Fußballprojekte des Konzerns: Nachwuchsakademien in Brasilien und Ghana, ein zuletzt erfolgloses Team in New York - und den Fünftligisten RB Leipzig, der in Deutschland durchstarten soll. Ein reger Austausch von Spielern zwischen allen fünf Standorten ist geplant. Doch anders als in Salzburg ist bei den Auslandsprojekten noch viel Aufbau- und/oder Überzeugungsarbeit nötig.

© SZ vom 17.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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