EM-Qualifikation: Italien - Serbien:Fackeln auf den Torwart

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Krawalle in Genua: Die italienischen Behörden sollen von der Gefahr randalierender Hooligans gewusst haben. Die serbische Regierung vermutet hinter den Ausschreitungen politische Saboteure.

Der vermummte Mann mit Totenkopf auf dem T-Shirt saß auf einer zwei Meter hohen Plexiglas-Absperrung zwischen Tribüne und Spielfeld, mit einer Zange durchschnitt er das Netz, das darüber gespannt war. Dann zündete er einen Feuerwerkskörper an und hielt ihn den Polizisten entgegen. Schließlich hing er sich an die Absperrung und versuchte, das Plexiglas mit den Füßen einzutreten.

Randale in Genua: Serbische Fans zünden Raketen, durchschneiden Zäune - und provozieren so einen Spielabbruch. (Foto: dpa)

Die Szene, die an einen Aufstand im Gefängnis erinnerte, ereignete sích am Dienstagabend beim EM-Qualifikationsspiel zwischen Italien und Serbien in Genua. Die Partie musste nach sechs Minuten abgebrochen werden, nachdem Italiens Torhüter Emiliano Viviano von einem Leuchtgeschoss aus dem Block serbischer Zuschauer getroffen worden war.

"Es ist traurig, dass ein Fußballspiel so endet", sagte Viviano. "Ich habe dem Schiedsrichter gesagt, dass ich nicht im Tor stehen kann, während hinter mir Fackeln auf mich geworfen werden." Nach Vivianos Angaben weinten einige serbische Spieler. "So etwas habe ich noch nie gesehen", sagte Italiens Trainer Cesare Prandelli. "Die serbischen Spieler hatten alle Angst und erzählten, dass alles vor dem Spiel geplant worden ist. Stojkovic traut sich nicht einmal nach Belgrad zurück."

"Es hätte zu einer Tragödie wie in Heysel kommen können", sagte ein Polizeisprecher mit Blick auf die 39 Toten beim Europapokalfinale 1985 zwischen Juventus Turin und dem FC Liverpool in Brüssel.

Morddrohungen an den Torwart

Schon vor der Begegnung hatten serbische Anhänger für Krawalle gesorgt und vor dem Hotel Spieler der eigenen Mannschaft attackiert. Dabei wollten sie handgreiflich gegen Stammtorwart Vladimir Stojkovic werden und bedrohten ihn mit Fackeln. Daraufhin blieb Stojkovic im Hotel, für ihn sollte Ersatztorwart Zeljko Brkic spielen. Nach seinem Wechsel von Roter Stern Belgrad zum Lokalrivalen Partizan hatte Stojkovic nach eigenen Angaben Morddrohungen erhalten.

Der vermummte Mann, der mittlerweile auf zahlreichen Videos im Internet zu sehen ist, wurde von italienischen und englischen Medien als Ivan B. identifiziert, einer der Anführer der so genannten "Ultra Boys", die sich selbst als Fans von Roter Stern Belgrad bezeichnen. Ivan B. nennt sich selbst "Coi" und ist den serbischen Behörden bekannt, er wurde in Serbien bereits wegen Körperverletzung, Drogenbesitz und anderer Vergehen verhaftet.

Berichten italienischer Medien zufolge haben die italienischen Behörden Hinweise der Belgrader Polizei auf die Anreise von rund 400 rechtsextremistischen und gewaltbereiten Randalierern unterschätzt. Gezielt sollen die serbischen Sicherheitskräfte auch vor der mutmaßlichen Absicht der Hooligans zur Verhinderung der Spielaustragung gewarnt haben.

Beim italienischen Verband sollen keine Angaben zur Gewaltbereitschaft der Gäste-Fans angekommen sein. "Man hatte uns über die Zahl der anreisenden Fans, nicht über ihre Gefährlichkeit informiert. Diese Leute hätten niemals einreisen dürfen", sagte der Sicherheitsbeauftragte Roberto Massucci.

Die serbische Regierung vermutet hinter den Ausschreitungen politische Saboteure. "Offensichtlich will jemand beweisen, dass Serbien weder bereit noch reif für Europa ist", sagte Slobodan Homen, Staatssekretär im Justizministerium, in einem TV-Interview des serbischen Senders B92. Er stellte die Krawalle in einen Zusammenhang mit den EU- Beitrittsabsichten Serbiens und den Unruhen nach dem Umzug von Homosexuellen in Belgrad am Sonntag. "Nach diesen zwei Vorfällen kann ich sagen, dass diese Hooligans Teil einer organisierten Gruppe mit finanzieller Unterstützung sind", sagte Homen

Nach dem Abbruch des Spiels kam es in der Innenstadt von Genua zu weiteren Krawallen, bei denen mindestens 16 Menschen verletzt wurden. Die schwersten Verletzungen erlitt ein Polizist durch die Explosion eines Feuerwerkskörpers direkt vor seinem Gesicht. Auch ein serbischer Fan wurde bei den Ausschreitungen im Gesicht verletzt.

17 Menschen sind verhaftet worden, darunter auch der Anführer Ivan B. Von 140 Randalierern nahm die Polizei Personalien auf, 35 seien angezeigt worden. Serbiens Innenminister Ivica Dacic sagte der italienischen Polizei seine Unterstützung zu. Sportministerin Snezana Markovic-Samardzic sagte: "Eine Gruppe von Menschen, die sich serbische Anhänger nennen, haben nicht nur sich selbst, sondern ganz Serbien beschämt. Bilder der Gewalt in Genua werden um die Welt gehen und den Ruf des serbischen Sports schädigen, der mit viel Mühe und Arbeit aufgebaut wurde."

Nach Auskunft der Polizei bekamen die Einsatzkräfte die Situation am frühen Mittwochmorgen unter Kontrolle, als sie die serbischen Anhänger auf einem eingezäunten Parkplatz in der Nähe des Stadions zusammentreiben konnten. Anschließend wurden die Randalierer in kleineren Gruppen mit Bussen und unter Polizeibegleitung abtransportiert.

Ob die Partie der Gruppe C nachgeholt oder Italien am Grünen Tisch zum Sieger erklärt wird, blieb zunächst offen. Die europäische Fußball-Union (Uefa) will erst den Spielbericht des schottischen Schiedsrichters Craig Thomson abwarten, bevor eine Untersuchung eingeleitet wird. Der serbischen Nationalmannschaft droht im schlimmsten Fall ein Ausschluss von der Europameisterschaft.

© (sueddeutsche.de/dpa/sid) - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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