Eisschnelllauf:Tüftler im Eisoval

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"Ich habe die perfekte Kufe": Hendrik Dombek will auch bei der Eisschnelllauf-WM in Inzell überzeugen. (Foto: Naoki Morita/Aflosport/Imago)

Hendrik Dombek ist auf schmalen Kufen in diesem Winter in die Weltspitze gelaufen. Er nutzt auch die Möglichkeiten, die die Forschungseinrichtungen IAT und FES den deutschen Athleten bieten.

Von Barbara Klimke

Vor einer Weile hat Hendrik Dombek mit seinen Eltern ein Zehntelsekundengespräch geführt. Es handelte tatsächlich sich um einen ausführlichen familiären Austausch, aber er kreiste um minimale Zeiteinheiten: um die Bruchteile von Sekunden, die als Messeinheit im Leben eines Eisschnellläufers gelten.

Dombeks Rechnung ging so: Wenn er sich sportlich stetig so weiterentwickle wie bisher, wenn er Saison für Saison seine Bestzeit um eine Zehntelsekunde verbessere, sich jeweils um einen Ranglistenplatz hocharbeite - dann habe er sich am Ende der Karriere trotzdem kaum nach vorn bewegt. Dann würde er in zehn Jahren noch immer in der B-Gruppe im Weltcup laufen, gewissermaßen in der zweiten Liga seines Sports. Der Zeiger der Uhr ist unerbittlich beim gleichförmigen Gleiten im Eisoval.

Und dann hat Hendrik Dombek, 26, aus München, der in Erfurt trainiert, doch einen Quantensprung hingelegt. Er hat sich in diesem Winter in der A-Gruppe des Weltcups etabliert, weil er schneller über die Runden kommt. Über 1000 Meter lief er vor zwei Wochen in Calgary persönliche Bestzeit. Und im Weltcup-Klassement über 1500 Meter wird er als Nummer neun geführt. An diesem Donnerstag beginnen in Inzell die Weltmeisterschaften im Mehrkampf sowie im Sprint, und Dombek ist endlich angekommen in der Elite seiner Zunft. "Letztes Jahr", sagt er, "hätte ich nicht im Traum geglaubt, dass ich mal so gut bin. Ich war so weit davon entfernt."

Dombek läuft mit FES-Schienen: Prototypen, die das Institut entwickelt hat

Plötzliche Leistungsschübe sind selten in dieser Laufdisziplin auf Klappschlittschuhen. Man kann keine Akrobatik-Nummern einstudieren, wie etwa die Eiskunstläufer, um damit die Punktezahl nach oben zu katapultieren. Es gibt keinen Schalter, den man nur umzulegen braucht. Aber man könne im übertragenen Sinne die "Stellschrauben finden", sagt Dombek, die für den Athleten wichtig sind: "Und an diesen Schrauben muss man drehen, mit dem Trainer zusammen." Es ist, wie er erfahren hat, ein individueller Prozess. Aber das Vorgehen gibt generell Aufschluss über die Detailarbeit für Beschleunigung auf dem Eis. "Ob glücklicher Zufall oder perfekte Vorbereitung", sagt Dombek: "Es hat jedenfalls in diesem Jahr geklappt."

Die erste Voraussetzung war tatsächlich mehr als eine glückliche Fügung: Konstanz in der Trainingsgruppe am Stützpunkt Erfurt, wo seit nunmehr drei Jahren der US-Amerikaner Peter Mueller, 69, Olympiasieger von 1976, als Bundestrainer wirkt. Dessen Erfahrung, sagt Dombek, komme ihm zugute. Denn sein Problem war Folgendes: "Wenn oft der Trainer gewechselt wird, entweder durch den Verband oder wegen meiner persönlichen Entscheidung, dann bricht meine Leistung ein." Er brauche wohl länger, um sich auf ein neues Trainingsregime einzustellen, Vertrauen zu fassen. Diese Betriebssicherheit ist für ihn eine Stellschraube, an der er besser nicht allzu kräftig dreht.

Umso mehr wurde an anderer Stelle geschraubt: Dombek arbeitet seit Beginn der Saison enger mit den beiden Forschungseinrichtungen zusammen, die den deutschen Sport fördern und begleiten: mit dem Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) und dem Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES). Alles in Absprache mit dem Eisschnelllaufverband DESG und dem Bundestrainer, wie er sagt: "Ich habe Peter Mueller gefragt, ob es in Ordnung ist, wenn ich über unseren Trainingsplan und meine Testleistungen auch mit dem IAT spreche. Er betreut ja eine Reihe von Athleten, und das sind eine Vielzahl von individuellen Details. Er hat mir das Okay gegeben." Und so folgt Dombek nun einer Empfehlung zur Intensivierung seines Ausdauertrainings - und sitzt oft eine Stunde länger als die anderen auf dem Rad.

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Zudem tüftelte er mit den Sportgeräteexperten vom FES an den Klappschlittschuhen. Dombek läuft mit FES-Schienen, mit Prototypen, die das Institut entwickelt hat und die in Faktoren wie Kufenhärte, Schliff und Verbiegbarkeit seinen Bedürfnissen angepasst wurden. Mit dem Projektleiter Eisschnelllauf des Instituts, Michael Büttner, testete er die Schienen bereits auf dem Sommereis. Dombek ist nicht nur von der "perfekten Kufe", sondern in jeder Hinsicht begeistert von der Arbeit dieser Institutionen, die vom Bundesinnenministerium gefördert werden: "Welches Land", sagt er, "hat das schon: Sportwissenschaftler, die angestellt sind von Staat, nur damit ich das Beste aus meiner Leistung machen kann?"

Laut Büttner arbeitet das FES auch mit anderen Trainingsgruppen, etwa bei der Optimierung von kommerziellen Kufen, mit denen viele Athleten laufen. Die Entwicklung von Helmen und Rennanzügen gehört ebenfalls zum Fachgebiet. Und vor wenigen Wochen wurde ein weiterer Erfurter Eisschnellläufer, Moritz Klein, mit FES-Kufen ausgestattet. Klein, 23, will mit den Testschienen nun bei der WM in Inzell auf Kurvenjagd gehen. Seine alten, kommerziellen Standardkufen, sagte er in einem Gespräch vor einigen Tagen, erschienen ihm besonders bei hohen Geschwindigkeiten im Vergleich ein wenig zu weich.

Hendrik Dombek und Moritz Klein sind bei den Männern für die Sprintdisziplin der Inzeller WM qualifiziert; und auch wenn beide ihre Vorzüge inzwischen eher auf der Mittelstrecke sehen, so bieten vier Rennen in zwei Tagen durchaus Chancen. Gemeinsam mit dem Erfurter Kollegen Stefan Emele, in Inzell als Reserveläufer nominiert, sind sie kürzlich bei der Einzelstrecken-WM in Calgary im Teamsprint deutschen Rekord gelaufen. Es reichte zwar nur zu Platz sieben, aber sie verbesserten die Bestmarke um eine Sekunde. Das ist eine Menge, wenn es um minimale Messeinheiten geht.

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