Eishockey-WM in der Slowakei:Was ist bloß mit Deutschland los?

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Erster WM-Sieg gegen Russland, den Gastgeber Slowakei geschlagen, erster Vorrunden-Gruppensieg seit 1933. Die deutsche Eishockey-Auswahl verblüfft bei der WM und muss nun internationale Pressekonferenzen geben.

Michael Neudecker

Felix Schütz kam um die Ecke gebogen, in die Mixed Zone der Ondrej Nepela Arena, schweißnass noch vom soeben erreichten Sieg gegen den WM-Gastgeber Slowakei, er grinste, "na", sagte er, "wie geht's?" Ihm selbst ging es gut, natürlich, nicht nur wegen dieser zwei erstaunlichen Siege gegen Russland und die Slowakei, 2:0 und 4:3, sondern schon allein deshalb, weil er jetzt hier ist, bei der Nationalmannschaft.

Deutschland gewinnt: Dennis Endras nach dem 2:0 gegen Russland. (Foto: AFP)

Bei seinem Arbeitgeber in Ingolstadt gefällt es ihm nicht so gut, er versteht sich mit dem dortigen Trainer Rich Chernomaz nicht. Bereits im November, sagt Schütz, "hab' ich mich auf die Nationalmannschaft gefreut", und das ist dann schon ein Teil der Antwort auf die Frage, die sich gerade alle in Bratislava stellen: Was ist bloß mit Deutschland los?

Der deutschen Eishockey-Auswahl ist bei dieser WM in Bratislava Historisches gelungen, und jetzt sind überall diese Zahlen zu lesen: erster WM-Sieg gegen Russland nach 37 vergeblichen Versuchen, erstmals seit 2003 zwei Auftaktsiege bei einer WM (damals allerdings waren die Gegner Japan und Ukraine), erstmals seit 1933 Vorrundengruppensieger bei einer WM, schon vor dem abschließenden Spiel gegen Slowenien an diesem Dienstag.

Die Deutschen bekommen viel Aufmerksamkeit in diesen Tagen, manchmal ist das kurios: Am Montag wurde für Bundestrainer Uwe Krupp sowie die Spieler Felix Schütz, John Tripp und Michael Wolf eigens eine internationale Pressekonferenz angesetzt. "Das war das erste Mal, dass ich so etwas erlebt habe", sagt Schütz, er bekommt leuchtende Augen, "man fühlt sich fast wie ein Star." Internationale Pressekonferenzen, das kenne er eigentlich nur aus dem Fernsehen.

Schlüsselerlebnis in Bern

Mr. Krupp, fragt ein englischsprachiger Reporter, können Sie uns bitte erklären, was im deutschen Eishockey in den letzten Jahren passiert ist? Uwe Krupp antwortet ausführlich, er spricht über Strukturen, Nachwuchsförderung, über sein Programm, über den Typ Spieler, den er dafür brauche. In einem Satz zusammengefasst wäre die Antwort: Uwe Krupp und der Deutsche Eishockey-Bund haben die richtigen Lehren gezogen aus Bern 2009. Dort, bei der WM in der Schweiz, stieg die deutsche Mannschaft nach einigen üblen Auftritten ab, "und das", sagt Krupp nun, "war unser Schlüsselerlebnis".

In Bern waren elf Spieler des aktuellen Kaders dabei, Michael Wolf zum Beispiel, der Kapitän. "Wir wollen so etwas nicht mehr erleben", sagt er. Dafür rennen sie jetzt, es ist viel von einem speziellen Spirit die Rede, Uwe Krupp formuliert es so: "Unsere Spieler sind Krieger, sie ziehen das Nationaltrikot über, und dann geht ein Ruck durch die Mannschaft."

Krupp ist bislang nicht als Freund martialischer Sprache aufgefallen, aber das ist wohl auch als Teil seines Versuchs zu verstehen, zu erklären, was gerade in Bratislava passiert. Dabei gibt es auch konkrete, weniger pathetische Gründe für die Tatsache, dass Deutschland nach dieser WM wohl erstmals seit sieben Jahren wieder in den Top Acht der Weltrangliste geführt wird.

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Nach Bern hat Uwe Krupp seinen Trainerstab umgebaut, seitdem steht Harold Kreis bei Turnieren als Co-Trainer zur Verfügung. Der Cheftrainer der Adler Mannheim gilt als maßgeblich verantwortlich für das System, das die deutsche Mannschaft spielt; er hat vor der Heim-WM 2010 für jeden Spieler ein Playbook mit der Grundidee des deutschen Systems angefertigt.

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Auch die hat sich ja verändert: Zu Beginn seiner Amtszeit 2005 versuchte Uwe Krupp noch, die Mannschaft offensiver auszurichten als seine Vorgänger, jetzt aber konzentriert sich das Team wieder mehr auf seine typischen Tugenden, die Defensive, die körperliche Fitness, die Bissigkeit. Mit einem Unterschied zu früher: Die deutschen Spieler erzielen jetzt auch Tore.

"Wir haben mehr Zug zum Tor", sagt Michael Wolf. Im Training lässt Krupp häufig Torschüsse mit sofortigem Nachschuss üben, er verlangt ein geradliniges Spiel, ohne Schnörkel, mit schnellen, raumgreifenden Pässen. Die Verteidiger sind angehalten, schnell den Puck aus der eigenen Zone auf die andere Seite der Eisfläche zu bringen, gegen die Slowakei sah das manchmal aus wie beim Handball: Scheibengewinn, die Stürmer sprinten los, ein, zwei schnelle Pässe, Abschluss, wie beim Tempogegenstoß.

All das funktioniert auch deshalb, weil die Mannschaft aus einem Kern besteht, der über die Jahre gleichgeblieben ist. Für seine Nominierungstaktik, sagt Alexander Barta, "ist der Trainer oft kritisiert worden, aber er hat seinen Plan durchgezogen". Der Plan war, einen Stamm aus jungen Spielern zu schaffen, die sich auf der gleichen Wellenlänge bewegen. "Man kommt nach einem halben Jahr wieder zusammen", sagt Wolf, "aber es ist, als habe man sich erst gestern getroffen."

Uwe Krupp wird nach der WM zu den Kölner Haien wechseln, definitiv, der Verband sucht derzeit einen Nachfolger. In seiner sechsjährigen Amtszeit hat Krupp nicht immer Lob bekommen, er hat die Gegebenheiten des Geschäfts erlebt, die sich stets am Resultat des letzten Spiels orientieren. Die Gegebenheiten sind jetzt so, dass auf einmal alles möglich erscheint. Kann Deutschland Weltmeister werden? Felix Schütz wurde das gefragt, da schmunzelte er, und dann antwortete er nur: "Warum nicht?"

Aber Schütz und seine Kollegen werden die Bodenhaftung nicht verlieren, sie haben schon zu viel erlebt. 2007 zum Beispiel, die U20-WM in Leksand, Schweden: Schütz und vier weitere des heutigen A-Kaders waren dabei, als Deutschland zum Auftakt die USA und die Slowakei besiegte, danach aber jedes Spiel verlor. Und abstieg.

© SZ vom 03.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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