Eishockey-WM: Halbfinale:Nur ein Fehler

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Die deutschen Eishockey-Spieler denken nach einem grandiosen Kampf im WM-Halbfinale gegen die übermächtigen Russen schon an die Verlängerung. Da passiert er doch noch: der entscheidende Fehler.

David Bernreuther

Als Sergej Fedorov hörte, dass er mit der russischen Eishockey-Nationalmannschaft im Halbfinale der WM gegen Deutschland spielen soll, da stutzte er. "Sind Sie sich sicher?" fragte der Stürmer und wollte es zunächst kaum glauben. Doch es stimmte tatsächlich: Deutschland stand zum ersten Mal seit 72 Jahren in einem WM-Halbfinale, als Gegner des scheinbar übermächtigen Rekordweltmeisters Russland.

Unerwartet harter Kampf: Hier retten gleich mehrere Russen vor dem Deutschen John Tripp. (Foto: rtr)

Und wenn man Fedorov erzählt hätte, dass seine Mannschaft gegen Deutschland große Mühe haben würde, dann hätte er womöglich nur den Kopf geschüttelt oder gelacht. Doch auch das stimmte tatsächlich: Der krasse Außenseiter Deutschland hielt überraschend gut mit und lag nach einem Tor von Marcel Goc (16.) lange in Führung. Nach dem Ausgleich von Evgeni Malkin erzielte Pavel Datsyuk erst in der vorletzten Spielminute den Siegtreffer - und schoss Russland ins Finale gegen Tschechien. Deutschland spielt nun am Sonntag gegen Schweden um die Bronzemedaille.

"Die Mannschaft hat eines ihrer bislang besten Spiele geliefert", sagte Bundestrainer Uwe Krupp, der den vergebenen Möglichkeiten im ersten Drittel nachtrauerte: "Wir hatten die Chance auf den zweiten und dritten Treffer. Die Russen aber machen das Tor. Das ist der Unterschied." Die Spieler waren nach der Schlusssirene niedergeschlagen und enttäuscht. Christian Erhoff tat sich "schwer, Worte zu finden", Marcel Goc fand die knappe Niederlage "frustrierend". Die Euphorie, die das DEB-Team durch die Heim-WM getragen hatte, war auf einen Schlag verflogen.

Am Donnerstag, nach dem 1:0-Sieg gegen die Schweiz und dem überraschenden, ja historischen Einzug ins Halbfinale, war die deutsche Mannschaft geradezu überschwänglich. Dass nun die Russen warteten, die zuletzt 26 WM-Spiele und zwei WM-Titel in Folge gewonnen hatten, war da kein Grund für demütige Worte. Marcel Müller forderte: "Jetzt muss unser Ziel das Finale sein, jetzt müssen wir die Russen schlagen." Und Torhüter Dennis Endras sagte: "Wir werden ihnen alles abverlangen. Sie werden merken, dass sie gegen 20.000 Deutsche spielen."

Doch Endras, der im Viertelfinale überragend gehalten hatte, saß gegen Russland nur auf der Bank. Der Torwartwechsel kann als Indiz dafür gewertet werden, dass Bundestrainer Uwe Krupp Russland im Gegensatz zu seinen Spielern für übermächtig hielt - und seinen besten Torwart für das entscheidende Spiel um eine Medaille schonen wollte. Im Halbfinale hütete Rob Zepp das deutsche Tor und sah den Puck bereits in der zweiten Minute haarscharf an sich vorbeifliegen: Evgeni Malkins Schuss prallte allerdings an den Pfosten.

Anschließend fand die deutsche Defensive wieder die kompakte Ordnung, die sie in den Spielen zuvor so stark gemacht hatte - und deshalb war Russland im ersten Drittel keineswegs übermächtig. In der elften Minute war Deutschland zum ersten Mal in Überzahl, Marcel Goc scheiterte mit einem Schuss an Wassili Koschetschkin. Russland versuchte, sich mit Härte gegen die forschen Deutschen zur Wehr zu setzen. Korbinian Holzer sackte nach einem Bandencheck von Nikolai Kulenin benommen zusammen und musste von zwei Betreuern vom Eis geführt werden. Die Aktion bescherte dem Russen eine Fünf-Minuten-Strafe und den Deutschen eine zweiminütige Fünf-gegen-Drei-Überzahl. Christian Erhoff probierte es zweimal per Schlagschuss, wurde jedoch geblockt.

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Auch als Russland wieder zu viert war, machte Deutschland Druck. Nach einem Schuss von der blauen Linie rutschte der Puck durch Koschetschkins Schoner. Die Scheibe schlitterte durch den Torraum der Russen, doch kein Deutscher kam hin, um sie über die Linie zu befördern. Kurz darauf scheiterte Alexander Barta nach einem Alleingang. Die Führung für den Außenseiter lag in der Luft, die mit 18.734 Zuschauern ausverkaufte Kölner Eishalle bebte. Und als sich dem DEB-Team nach sechzehn Minuten erneut eine doppelte Überzahl bot, war es soweit: Erhoff schoss von der blauen Linie, Marcel Goc drückte den Abpraller ins Tor. Deutschland überstand anschließend auch die erste Unterzahl des Spiels schadlos und ging mit der Führung in die Kabine.

Zu Beginn des zweiten Drittels verschärften die Russen das Tempo, ihr großer Star Alexander Owetschkin gab zwei Schüsse ab. Doch die beste Chance hatte zunächst Deutschland - in Unterzahl: Felix Schütz lief bei einem Konter alleine aufs Tor zu, brachte den Puck aber nicht an Koschetschkin vorbei. Russland wurde jetzt stärker, ließ den Puck laufen und spielte die individuelle Überlegenheit aus. Obwohl beide Mannschaften fünf Spieler auf dem Eis hatten, sah es bei manchen Spielzügen so aus, als spielte Russland in Überzahl. In der 32. Minute stand Malkin nach einer feinen Puck-Stafette frei. Er zog direkt ab und traf zum 1:1.

Russland war jetzt überlegen und hatte drei Minuten vor Ende des zweiten Drittels die große Chance zur Führung: Dmitri Kulikovs Schlagschuss aus fünf Metern prallte jedoch gegen die Latte. Deutschland war nun meist in der Defensive und versuchte es mit schnellen Gegenstößen, gute Torchancen sprangen dabei jedoch nicht heraus. Auch im letzten Drittel ließ der Druck der Russen nicht nach, doch die deutsche Mannschaft stemmte sich gegen die Niederlage. Mal brachte ein Verteidiger im letzten Moment einen Schläger dazwischen, mal parierte Torhüter Zepp. Und als Zepp in der 44. Minute schon geschlagen war, da warf sich Robert Dietrich wagemutig in einen Schuss. Und auch als Sven Felski fünf Minuten vor dem Ende auf die Strafbank musste, hielt das deutsche Abwehrbollwerk.

Doch dann, zwei Minuten vor dem Ende, passierte er doch noch: der entscheidende Fehler, den Russland eiskalt bestrafte. Philipp Gogulla passte im Spielaufbau genau auf Pavel Datsyuk, der blitzschnell den Konter einleitete. In der Mitte hätte er zwei Anspielstationen gehabt, doch Datsyuk entschied sich für den Schuss - und traf zum 2:1. Uwe Krupp nahm anschließend den Torwart vom Eis, aber Deutschland kam nicht mehr zum Ausgleich.

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