Eishockey-WM: Deutschland:Triumph zum Vergessen

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Vor dem Spiel gegen Finnland müssen die Deutschen ihren Traumstart in die Eishockey-WM verdrängen - sie bleiben Außenseiter.

Michael Neudecker, Köln

Uwe Krupp blickte ernst, angespannt, er stand in den Katakomben der Kölnarena, es lag eine eigenartige Spannung in der Luft, als wäre etwas passiert: etwas Böses. Das Training der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft war gerade zu Ende gegangen, es war Sonntag, zwei Tage nach dem fulminanten Eröffnungsspiel der Deutschen vor 77.803 Zuschauern in der Arena auf Schalke, dem 2:1-Sieg nach Verlängerung gegen die USA, diesem Abend voller positiver Emotionen für das deutsche Eishockey.

Torwart Dennis Endras wird nach dem Sieg gegen die USA gefeiert. (Foto: Foto: ddp)

Aber jetzt stand Uwe Krupp da und blickte angespannt, und man bekam dann ein Gefühl dafür, wie lange zwei Tage sein können.

Herr Krupp, welche Erkenntnisse haben Sie aus dem Spiel Dänemark gegen Finnland am Samstagabend gewonnen? Dänemark und Finnland sind die beiden verbleibenden Vorrundengegner der Deutschen, und am Samstagabend gewann Dänemark sehr überraschend 4:1 gegen die favorisierten Finnen.

"Dass die nächsten zwei Gegner sehr stark sind", Punkt.

Nun: Glauben Sie, dass es für Sie an diesem Montagabend gegen Finnland dadurch noch schwieriger wird?

"Die Finnen sind gestolpert, das wird jetzt ein ganz anderes Spiel", Punkt.

Hatten Sie eigentlich schon Kontakt mit Christian Ehrhoff, der schon am Montag mit Vancouver aus den NHL-Playoffs ausgeschieden sein könnte?

"Ja. Aber wir warten auf keinen, wir haben auch gute Spieler hier", Punkt.

Der Druck bei so einer Heim-Weltmeisterschaft kann sehr groß sein, zumal für den Trainer, zumal in einer Randsportart wie Eishockey, für die diese WM womöglich auf Jahre hinaus entscheidet über die Art der öffentlichen Wahrnehmung. Schon vor Freitag war der Druck gewaltig gewesen, da wirkten alle angespannt, sogar der sonst so gelöste, beinahe joviale Verbands-Präsident Uwe Harnos. Als es dann vorbei war, da stand Harnos vor dem Hotel neben der Schalker Arena, er rauchte eine Zigarre, er plauderte mit ein paar Fans, es war schon weit nach Mitternacht. "Ein unglaublicher Abend", sagte Harnos, er war sehr glücklich.

Freitag war ein Abend gewesen, der vieles bot, was man im deutschen Eishockey zuletzt so oft vermisste: viele Fans, ein großes öffentliches Interesse mit Live-Übertragung in 78 Länder, und dann natürlich einen Sieg. "Jeder hat sich beide Beine ausgerissen, und auch noch beide Arme", sagte Verteidiger Korbinian Holzer, "und am Ende haben wir endlich mal den Ertrag geerntet. Gigantisch." Ein Sieg gegen die USA, das war Deutschland letztmals vor 17 Jahren gelungen, und auch diesmal war die Ausgangsposition eher ungünstig; die USA kamen mit einem Kader voller NHL-Profis, die Deutschen dagegen haben in Marcel Goc nur einen, der in der besten Eishockeyliga des Erdballs dauerhaft spielt.

Aber dann liefen die Mannschaften ein, sie sahen diese gewaltige Stehplatztribüne, eine Wand in Schwarz-Rot- Gold, und als die Amerikaner das Eis betraten, wurden sie erdrückt, von Pfiffen aus über 70000 Mündern. "The crowd was amazing", sagte Kapitän Jack Johnson, er war immer noch beeindruckt. Natürlich waren auch die Deutschen nervös, aber sie kamen ganz offensichtlich besser zurecht mit dieser Menschenmenge. Sie wussten ja, was sie erwartet.

Sie rannten, kämpften, opferten sich auf, sie brachten die USA von Anfang an in Bedrängnis, und als die Amerikaner dann doch besser wurden, war da noch Dennis Endras. "Ihr Torhüter war unfassbar", sagte Johnson, und das war er wirklich. Der Augsburger Dennis Endras wehrte auch ab, was nicht abzuwehren war, er wurde selbstverständlich hinterher zum besten Spieler Deutschlands gewählt. Permanente Bissigkeit, eine gute Ordnung in der Defensive, kontrolliertes Konterspiel und ein überragender Torwart: So gewinnt man als Außenseiter gegen einen übermächtigen Gegner. Zumal gegen die USA, ein Team, das sich erst ein paar Tage vor der WM getroffen hat. Eigentlich hätte Finnland der Auftaktgegner Deutschlands sein sollen, aber der Deutsche Eishockey Bund verhandelte noch mit dem Weltverband, sie wollten die USA, unbedingt.

Mit Zepp gegen Finnland

Uwe Krupp war natürlich gut gelaunt am Freitagabend, er war erleichtert. "Das war heute auch wichtig für den Trainer", sagte Endras, "es wird ja so viel geredet." Krupp lächelte, "es geht hier nicht um mich", sagte er, und dann versuchte er sofort, die Euphorie des Abends zu dämpfen. "Es war toll", sagte er, "aber mehr auch nicht." Und das stimmt ja auch: Uwe Krupp hat selbst schon erlebt, wie so ein Turnier trotz eines Auftakterfolges verlaufen kann. 2007 war Krupp U20-Trainer, seine Mannschaft gewann auch 2:1 gegen die USA im ersten Spiel - und stieg doch ab.

Fünf Spieler aus dem damaligen Kader sind nun auch in Köln dabei, auch das ist die Erklärung dafür, wie die Spieler mit dem Sieg gegen die USA umgingen: Noch beim gemeinsamen Essen Freitagnacht sprachen sie untereinander über die Fehler, die sie gemacht hatten. "Es war atemberaubend", sagt Stürmer Philipp Gogulla, 2007 wie jetzt dabei, "aber es war auch nur ein Spiel." Und Marcel Goc fügt mit Blick auf das Spiel gegen Finnland diesen Montag (20.15 Uhr) an: "Für uns ändert sich gar nichts." Deutschland ist immer noch Außenseiter, trotz seines Sieges gegen die USA, trotz der Niederlage Finnlands gegen Dänemark.

Es wird also wieder auf den Torwart ankommen, diesmal aber nicht auf Dennis Endras: Er werde gegen Finnland pausieren und im vermutlich entscheidenden letzten Gruppenspiel am Mittwoch gegen Dänemark wieder auflaufen, sagte Krupp, "da muss er frisch sein". Etwas überraschend wird gegen Finnland allerdings nicht der in der Vorbereitung so starke Dimitri Kotschnew von Spartak Moskau auflaufen, sondern der Berliner Rob Zepp. "Rob kennt die finnische Liga, er hat dort zwei Jahre gespielt", begründete Krupp seine Entscheidung.

Zepp kommt aus einer deutschen Familie, ist aber in Kanada aufgewachsen, weshalb er nur ein wenig Deutsch mit Akzent spricht. Die Hymne, sagt Zepp, könne er nicht, "das ist mir peinlich". Nach jeder Partie wird die Hymne des Siegers gespielt, weshalb man nun nicht davon ausgehen muss, dass am Montagabend die deutsche Hymne zu hören sein wird.

Aber das war ja vor dem Freitagabend auch schon so.

© SZ vom 10.5.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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