Eishockey:Wie einst Gagarin

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Mit ehemaligen Stars und ganz viel Geld: Die russische Liga kämpft um die Vormachtstellung im Welt-Eishockey.

Michael Neudecker

Vor ein paar Tagen saßen René Fasel und Wladimir Putin zusammen, der Präsident des Eishockey-Weltverbandes IIHF und der Premierminister Russlands. Der Schweizer Fasel war beeindruckt von den Deutsch-Kenntnissen Putins, es sei keine Übersetzung nötig gewesen, was aber auch daran gelegen haben mag, dass das Gespräch um eines der Lieblingsthemen Putins kreiste, der Sport als Außenpolitik betrachtet.

Natürlich haben Fasel und Putin vor allem über Eishockey und die Kontinentale Hockey Liga (KHL) gesprochen, er habe zu Putin gesagt, berichtete Fasel, dass er die KHL möge, aber dass es da gewisse Streitpunkte gebe. "Um es metaphorisch auszudrücken", sagte Fasel, "KHL-Präsident Alexander Medwedew spielt kanadisches Hockey: Puck in die Zone und hinterher. Aber ich ziehe den russischen Stil vor: passen und auf die richtige Gelegenheit für den Torschuss warten."

René Fasel hat damit umschrieben, was sie in den USA schon als Kalten Hockey-Krieg bezeichnen: die aggressiven Versuche Medwedews und der an diesem Donnerstag in ihre zweite Saison startenden KHL, die Weltherrschaft im Eishockey an sich zu reißen. Man kann das auch als Sinnbild für das große Ganze sehen - nicht zuletzt für Wladimir Putin hat Sport ja eine Symbolik: Sieh her, Welt, wir sind stark! Die Meistertrophäe ist ein riesiger Pokal mit dem Abbild des Kosmonauten Jurij Gagarin, des ersten Mannes im All. Gagarin hat die USA besiegt, so sehen sie das in Russland.

Besonders die beste Liga der Welt, die National Hockey League (NHL), gilt als Feindbild; in der Vergangenheit kam es immer wieder zu Transferstreitigkeiten der beiden Ligen, zum Beispiel zwischen dem Tschechen Jiri Hudler, seinem ehemaligen Arbeitgeber Detroit Red Wings und seinem neuen Klub Dynamo Moskau. Dynamo hatte Hudler so viel Geld geboten, dass er wechseln wollte, am Mittwochabend entschied der Weltverband nach langem Hin und Her zugunsten Moskaus.

Oder der Fall des 17-jährigen Kiril Kabanow: Der hochtalentierte Stürmer hat mehrere Angebote aus der KHL abgelehnt, er will stattdessen eines aus der Quebec Major Junior Hockey League (QMJHL) annehmen, einer kanadischen Nachwuchsliga. Die KHL droht nun, eine einjährige Sperre für ihn zu beantragen. Kabanow gilt als Top-Kandidat für die NHL-Talente-Ziehung 2010, seine Chancen sänken rapide, sollte er in Russland bleiben - die NHL-Klubs fürchten die unklare Situation im Streit mit der KHL. Medwedew sagt: "Es muss klar sein, dass unsere Bedingungen erfüllt werden." Das bedeutet: Ausgleichszahlungen. Geld, so einfach ist das.

Das Geld kommt in der 24 Mannschaften umfassenden KHL von russischen Mineralölkonzernen, die die Liga 2008 gründeten, allen voran Gazprom, wo Medwedew Vize-Aufsichtsratschef ist. Gazprom war auch Hauptsponsor der 2008 mit großen Erwartungen gestarteten Champions Hockey League, ehe die Firma nach einem Jahr plötzlich wieder ausstieg, was für die Liga das abrupte Ende bedeutete. "Die Russen ließen die Champions Hockey League womöglich fallen, weil sie hoffen, sie könnten ihre russische Liga KHL auf Europa ausdehnen", glaubt Marc Furrer, Chef der Schweizer Nationalliga, "aber ich bin überzeugt, dass eine Europaliga unter der Führung der Russen zum Scheitern verurteilt wäre." Am Mittwoch erneuerte Medwedew sein Interesse, Mannschaften aus Europa, auch aus Deutschland, in die KHL zu integrieren: "Unsere Liga hat sehr hohe Ansprüche und könnte einst die besten Klubs Europas vereinigen." Eisbären Berlin gegen Lokomotive Jaroslawl, für deutsche Fans - zugegeben - eine sonderbare Vorstellung.

Trotz der potenten Geldgeber und Stars wie Jaromir Jagr oder Alexej Jaschin aber klafft in der KHL noch eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die meisten Hallen sind alt, lediglich Dynamo Minsk verfügt seit kurzem über eine neue, 15000 Zuschauer fassende Spielstätte. Der Kanadier Jeff Ulmer war vergangenen Sommer vom DEL-Klub Frankfurt Lions nach Minsk gewechselt, jetzt ist er zurückgekehrt. Vor allem die bis zu elfeinhalb Stunden langen Reisen mit den veralteten Flugzeugen seien problematisch gewesen, "die Landungen waren sehr hart", sagt Ulmer, "da wurde es einem schon mulmig zumute."

© SZ vom 10.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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