Eishockey:Sie beißen wieder

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"Offensiv und defensiv nicht gut genug"? Beim Rekordsieg in Bietigheim deutete bei den Münchnern, hier Benjamin Smith, Yasin Ehliz und Maximilian Kastner (von links), nicht mehr viel auf die Schwächen der vergangenen Wochen hin. (Foto: Volker Müller/Pressefoto Baumann/Imago)

Der EHC Red Bull München findet zurück zu seiner aggressiven Verteidigung - und damit auch zum Spaß am Spiel. Am Wochenende bekamen das Bietigheim und Straubing zu spüren.

Von Christian Bernhard

Mangelnde Selbstkritik konnte man Maximilian Kastner nicht vorwerfen, als er am Sonntag, direkt vor dem Derby bei den Straubing Tigers, vor die TV-Kameras trat. Seine Mannschaft müsse "definitiv" mehr Tore schießen, betonte der Stürmer des EHC Red Bull München bei Magentasport, "und wir kriegen auch zu viele Gegentore". Im Prinzip sagte der 29-Jährige damit: Wir sind offensiv und defensiv nicht gut genug. Kastners Aussagen zeigen, wie hoch die Ansprüche der Münchner sind. Denn die jüngsten Ergebnisse erzählen etwas anderes. 5:1 siegte der EHC am Sonntag in Straubing und feierte damit seinen vierten Sieg in Serie in der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Der Derbysieg rundete ein Wochenende ab, das sich die Münchner einrahmen können, denn zwei Tage zuvor war ihnen in Bietigheim nicht nur ihr 400. DEL-Erfolg, sondern durch das 9:1 auch der höchste Sieg ihrer DEL-Geschichte gelungen.

Den Kantersieg beim Aufsteiger hatte Kastner als "Erlöser" bezeichnet, da sich die Mannschaft von DEL-Rekordtrainer Don Jackson in den vorangegangen Partien in Sachen Torausbeute schwer getan hatte. Davon war in Bietigheim und Straubing nichts zu sehen. Kastners Wunsch ("Wir wollen offensiv mehr Akzente setzen") setzte der EHC auf beeindruckende Art und Weise um - auch weil Kastner mit seinen sechs Scorerpunkten (drei Tore) in Bietigheim und Straubing kräftig mithalf .

Bei den Münchnern ist der Spaß zurück. Der war ihnen Mitte Februar abhanden gekommen, als sie zu Hause gegen Straubing 0:2 verloren hatten. "Es ist eine schwierige Zeit", gestand Jackson damals ein, "im Moment haben wir nicht so viel Spaß." Der EHC war seinerzeit nur noch Tabellensechster und stand kurz davor, aus den direkten Playoff-Rängen zu fallen. Dann ging er auf große Auswärtstour - und kehrte mit vier Siegen aus Köln, Düsseldorf, Bietigheim und Straubing zurück. Die mannschaftsinternen Gespräche, von denen Kastner und Maximilian Daubner berichteten, hatten offenbar gefruchtet. "Wir haben uns vorgenommen, die vorherigen Monate, in denen wir nicht wie normal abgeliefert haben, wieder reinzuholen, damit wir zu den Playoffs wieder bei alter Stärke sind", sagte Daubner. Der Weg dafür ist bereitet. Auch tabellarisch. Statt aus den Top Sechs zu rutschen, ist der EHC als Vierter in der Tabelle ganz eng an die Adler Mannheim (3.) und Grizzlys Wolfsburg (2.) herangerückt.

Straubing verliert gleich zwei Verteidiger, für Bourque ist die Saison sogar beendet

Das hat mehrere Gründe. Alle Olympiateilnehmer stehen Jackson seit der vergangenen Woche wieder zur Verfügung, der Kanadier Ben Street traf seit seiner Rückkehr in jedem seiner Spiele in Düsseldorf, Bietigheim und Straubing, was Jackson am Sonntag dazu brachte, dezent darauf hinzuweisen: "Wir haben eine Top-Mannschaft." Das war in der laufenden Saison nicht immer offensichtlich. Mitte Februar noch hatte der EHC mehr Ligaspiele verloren (19) als gewonnen (18).

In Straubing aber waren die Münchner von Beginn an da - und brachten jene Stärke ein, die in dieser Saison phasenweise verschwunden war: das aggressive Forechecking, das die Gegner zu Fehlern in gefährlichen Zonen zwingt. Die Münchner seien von Beginn an "sehr bissig und läuferisch sehr stark" gewesen, unterstrich Tigers-Trainer Tom Pokel, "sie haben sehr viele Scheibenverluste erzwungen, weil wir die Scheibe nicht aus unserer Zone befreien konnten". So wie beim frühen 1:0 von Ben Smith nach 50 Sekunden, der einen Schuss von Kastner erfolgreich abfälschte. Für Pokel war das Derby doppelt bitter, denn seine zwei Verteidiger Trent Bourque (Saisonaus) und Stephan Daschner, der laut Vereinsangaben "voraussichtlich länger" ausfalle, zogen sich Verletzungen zu. Mit nur noch vier Abwehrspielern war es für die Tigers schwer, dem EHC Paroli zu bieten.

Auch wenn die Münchner bei ihren zwei Siegen am Wochenende 14 Tore erzielten, thematisierten sie lieber die wiedergefundene defensive Stabilität. "Unsere Stärke ist einfach, aus einer guten Defensive heraus zu agieren", erklärte Torschütze Frank Mauer. "Wir haben es schon 100 000 Mal erwähnt - und so ist es einfach: Wenn wir hinten gut stehen, ergeben sich vorne die Chancen, weil wir genug Qualität haben." Die Defensive als Fundament, um die Kreativität ins Spiel zu bringen - so lautet Mauers Credo. Und daraus zieht der EHC laut dem erfahrenen Angreifer, der in dieser Saison auch schon als Verteidiger ausgeholfen hat, nun seine Kraft.

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