Eishockey:Quarterback im Sonnenaufgang

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Ausgebildet auf einer kleinen Hinterhof-Eisfläche: Augsburgs bester Vorbereiter Jesse Graham. (Foto: Stefan Bösl/Imago)

18 Spiele, 19 Torvorlagen: Beim 4:2-Heimerfolg der Augsburger Panther über den Tabellenletzten Schwenninger Wild Wings bereitet Jesse Graham alle vier Panther-Treffer vor - und ist damit punktbester Verteidiger der Deutschen Eishockey Liga.

Von Christian Bernhard

Jesse Graham konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Der Verteidiger der Augsburger Panther hatte beim Jubeln seine Arme derart wild in die Luft gerissen, dass ihm dabei sein Helm vom Kopf purzelte, als er direkt vor der Augsburger Kurve abdrehte. Der verlorene Helm war Grahams einziges Missgeschick am vergangenen Wochenende. Denn dass er alleine unter die Kurve beordert wurde, hatte einen guten Grund: Beim 4:2-Heimerfolg der Augsburger Panther über den DEL-Tabellenletzten Schwenninger Wild Wings bereitete der 27-jährige Verteidiger alle vier Panther-Tore vor.

Dass das In-Szene-Setzen der Teamkollegen seine Paradedisziplin ist, war auch beim 4:3-Heimsieg gegen Bremerhaven zwei Tage zuvor deutlich geworden, da leistete Graham zu zwei Treffern die Vorarbeit. In 18 Saisonspielen hat er nun 19 Torvorlagen gesammelt, kein DEL-Spieler hat so viele auf seinem Konto. Unter den Verteidigern ist Graham der punktbeste der Liga, und auch in Augsburg kommen seine Sturmkollegen nicht an seine Offensivstatistiken heran.

Vier Punkte in einem Spiel seien ihm vielleicht mal in der Jugend gelungen, sagte er nach dem "definitiv großartigen" Sonntagsspiel bei Magentasport. Die Gründe dafür machte der Kanadier an zwei Faktoren fest: einem "rund laufenden" Überzahlspiel und dem Umstand, dass "wir die Scheibe wirklich gut bewegt haben". Ohne groß über sich selbst zu reden, sprach Graham damit zumindest indirekt über sich, denn zu seinen größten Stärken gehören sein präzises Passspiel und seine Regisseur-Fähigkeiten in Überzahl. Graham verfüge über ein enorm gutes Spielverständnis, das ihn auch zu einem "hervorragenden Quarterback im Powerplay" mache, sagt sein Trainer Mark Pederson über ihn.

Den Panthern tat Grahams Gala-Wochenende besonders gut, da sie aus einer Negativphase von fünf Niederlagen in Serie kamen. "Für viele unserer Jungs ist am Wochenende die Sonne aufgegangen", sagte Torjäger Drew LeBlanc. Auf den "Curt-Frenzel-Faktor" konnten sich die Schwaben wie schon die ganze Saison über verlassen: Im neunten Heimspiel der Saison feierten sie am Sonntag den siebten Sieg. "Du wirst auf dem Eis mitgerissen, weil die Energie in unserem Stadion so toll ist", erklärte LeBlanc.

In die NHL schaffte er es wohl auch wegen seiner eher schmächtigen Eishockeystatur nicht

Der in der Nähe der Eishockey-Metropole Toronto geborene Graham wurde als Kind von seinem Vater zum Eishockey gebracht, der ihm jeden Winter eine kleine Hinterhof-Eisfläche errichtete. 2012 wurde er von den New York Islanders gedraftet, in die NHL schaffte er es wohl auch wegen seiner eher schmächtigen Eishockeystatur - Graham wiegt nur 80 Kilogramm bei einer Körpergröße von 1,82 Metern - nicht. Zu seinen Juniorenzeiten profitierte er aber von zwei aktuellen NHL-Größen: Mike van Ryan, der vor zwei Jahren als Co-Trainer der St. Louis Blues den Stanley Cup gewann, war Grahams Trainer; sein damaliger Verteidigungspartner auf dem Eis ist seit Jahren einer der offensivstärksten Verteidiger der NHL: Dougie Hamilton.

Den offensiven Verteidiger-Stil saugte auch Graham auf und in den vergangenen zwei Spielzeiten bewies er in Finnland, dass dieser ihn in Europa weit bringen kann. Sein gutes Aufbauspiel und sein Auge für den Mitspieler fielen in der DEL schnell auf, seit Oktober ist auch sein Scoring auf einem sehr hohen Niveau angekommen. "Er sieht das Eis so gut", schwärmt Pederson. An der Seite des robusten Henry Haase kann Graham seine Qualitäten besonders gut einbringen, Haase sichert ihn ab, wenn er sich in die Offensive mit einschaltet.

Einen Spielertyp wie Graham hatten die Augsburger in der vergangenen Saison schmerzlich vermisst, da Patrick McNeill coronabedingt nicht mehr aus Kanada zurückgekehrt war. Nun füllt Graham diese Rolle sehr gut aus. "Er spielt riskant, aber gleichzeitig auch nicht riskant", sagt Pederson. Was auf den ersten Blick unlogisch klingt, wird verständlicher, wenn man Grahams "läuferische Leichtfüßigkeit", wie Pederson sie nennt, mit in die Gleichung nimmt. Diese helfe ihm, "sich aus misslichen Lagen zu befreien", erklärt der Panther-Trainer. Was jetzt noch fehlt, ist sein erstes Saisontor. Solange sein Team gewinne, mache ihm das nichts aus, sagte Graham lachend. Bis zum nächsten Versuch hat er dank der Nationalmannschaftspause nun neun Tage Zeit.

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