Eishockey:Klatsche am Seilersee

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Die Chancen gnadenlos genutzt: Den Iserlohn Roosters gelingen gegen den EHC München acht Treffer, hier freut sich Schütze Jake Weidner (Mitte) über sein Tor zum 5:3. (Foto: osnapix/imago)

"Defensiv war es eine Katastrophe": Das 3:8 bei den Iserlohn Roosters zeigt, dass die große Stärke der vergangenen Jahre im Moment die größte Schwäche des EHC München ist. Noch immer wird aggressiv, aber eben nicht mehr gut abgestimmt verteidigt.

Von Christian Bernhard

Am Ende eines Abends zum Vergessen spielte selbst die Technik nicht mehr mit. Yasin Ehliz war nicht zu hören, als er sich am Dienstag das Headset von Magentasport aufsetzte und zu sprechen begann. Erst nach einer Unterbrechung war der Angreifer des EHC München akustisch zu vernehmen. Für sein Fazit reichten ihm dann drei Worte: "Katastrophe von uns." Der deutlichen Aussage des deutschen Nationalspielers war eine 3:8-Auswärtsniederlage bei den Iserlohn Roosters vorangegangen. Es war die höchste EHC-Niederlage der Saison - und die zweite in Serie gegen Teams aus der Nord-Staffel der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Weniger als 24 Stunden zuvor hatten die Münchner bereits in Düsseldorf 2:3 verloren.

"Das war nicht der Start, den wir in die Nord-Runde wollten", drückte es Verteidiger Konrad Abeltshauser sehr vornehm aus. Platz eins im Süden ist für die Münchner nicht nur punktemäßig, sondern auch atmosphärisch in weite Ferne gerückt. Es sei "nicht akzeptabel, zwei Auswärtsspiele so zu verlieren", sagte Ehliz, "da werden wir auf jeden Fall eine Besprechung haben". Die beiden Niederlagen setzte es gegen Teams, die zuvor sechsmal nacheinander (Düsseldorf) beziehungsweise ihr vorangegangenes Spiel gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten der Süd-Gruppe Nürnberg mit 3:7 verloren hatten (Iserlohn). Der Klub schob am Mittwoch schnell ein Interview mit Rückkehrer Derek Roy hinterher, um die peinliche Pleite zumindest auf der Homepage etwas in den Hintergrund rücken zu lassen.

In den ersten 36 Spielminuten leistet sich der EHC gleich sechs Strafzeiten

Was die Niederlagen noch beängstigender macht, ist die Tatsache, dass EHC-Trainer Don Jackson beim ersten Ausflug in den Norden bis auf Keith Aulie alle Spieler seines tief besetzten Kaders zur Verfügung standen. In Düsseldorf bildeten etwa die sehr erfahrenen Roy (Comeback nach über einem Jahr Verletzungspause), Andrew Ebbett und der deutsche Nationalspieler Maximilian Kastner die vierte Angriffsreihe. Iserlohns erfahrener Verteidiger Jens Baxmann, der bei seinem Tor zum 6:3 wohl selbst überrascht war, wie viel Raum die Münchner ihm gaben, hatte vor der Partie den "sehr guten Kader" des EHC hervorgehoben, aber auch darauf verwiesen, dass die Münchner in dieser Saison "zum Teil auch den Eindruck hinterlassen haben, dass sie vielleicht nicht ganz so stark sind wie in den vorangegangenen Jahren".

Die EHC-Schwächen zeigten die Roosters dann im Spiel gnadenlos auf. Immer wieder rückten die Münchner Spieler zu sorglos auf und boten den Sauerländern so Konterchance um Konterchance an. So fielen drei der ersten fünf Gegentore, zwei weitere kassierte der EHC in Unterzahl, weil er sich in den ersten 36 Spielminuten gleich sechs Strafzeiten leistete. Die Tore von Trevor Parkes (14.), Daryl Boyle (16.) und Ehliz (25.) reichten nicht aus, um diese Mängel zu kaschieren. "Defensiv war es eine Katastrophe, offensiv zu wenig", fasste Ehliz den Auftritt zusammen.

Der EHC München steht bei 80 Gegentoren in nur 26 Partien

Die Klatsche am Seilersee verdeutlichte einmal mehr, dass Münchens große Stärke der vergangenen Jahre im Moment die größte Schwäche ist: die aggressive Verteidigungsarbeit, die in der Vergangenheit kollektiv sehr gut abgestimmt war. In dieser Saison ist sie immer noch aggressiv, aber immer wieder alles andere als gut austariert. Oft fehlt die Absicherung, wodurch sich Lücken ergeben, die den Gegnern große Torchancen ermöglichen. Der EHC, der in den vergangenen Spielzeiten stets eine der besten Defensiven der Liga hatte, steht so bei 80 Gegentoren in nur 26 Partien. Im Schnitt sind das mehr als drei pro Partie. Zum Vergleich: Die Adler Mannheim kassieren pro Spiel ein Gegentor weniger.

"Defensiv ist das heute wieder mal ein sehr schwaches Spiel von uns", sagte Angreifer Justin Schütz vor dem Schlussdrittel, in welchem der EHC weitere drei Gegentore - zwei davon in der Schlussphase bei leerem Tor - kassierte. "Durch zu viele Fehler haben wir Iserlohn immer wieder Tore geschenkt", sagte Abeltshauser, der bereits in der vergangenen Woche darauf hingewiesen hatte, dass es beim Aufrücken der Verteidiger darum gehe, in jeder Situation abzuwägen, ob das "Chancen-Risiko-Verhältnis noch stimmt". Diese Entscheidungsfindung misslang in der laufenden Saison häufig.

Am Samstag steht für den EHC sein erstes Heimspiel gegen ein Nord-Team auf dem Programm, zu Gast sind die Kölner Haie. Da sei es wichtig, "dass die Mannschaft eine Reaktion zeigt", betonte Abeltshauser. "Jetzt müssen wir einfach zurückschlagen." Selbstverständlich meinte er das nur im übertragenen Sinn.

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