Eishockey:Am Limit mit Lukko

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Den finnischen Meister ins Stolpern gebracht: Yannic Seidenberg (links, gegen Pavol Skalicky) und die Münchner setzten sich nach Verlängerung gegen Lukko Rauma durch. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

"Wenn wir wissen, dass wir um etwas Großes spielen, spielen wir auf diese Weise": Der EHC München erreicht nach Verlängerung das Halbfinale der Champions Hockey League.

Von Christian Bernhard

Da war er wieder - der emotionale Jubelsprung von Justin Schütz gegen die Bande vor der Nordkurve der Münchner Olympia-Eishalle. Der Stürmer des EHC Red Bull München hatte ihn vor knapp vier Wochen erstmals inszeniert, nach seinem Treffer beim Derby-Sieg gegen die Augsburger Panther. "Wenn man da schon so vor den Fans ist, dachte ich mir: Spring einfach mal gegen die Bande", hatte er damals grinsend erklärt. Am Dienstag waren aufgrund der bayerischen Corona-Verordnungen keine Fans in der Münchner Kurve - was Schütz nicht daran hinderte, erneut jubelnd und vehement an jener Stelle an die Bande zu springen. Diesmal nach einem Treffer, der von seinen Teamkollegen besonders emotional gefeiert wurde, da er die Münchner unter die besten vier Mannschaften Europas gebracht hatte.

Schütz traf in der dritten Minute der Verlängerung zum entscheidenden 2:1 gegen den finnischen Meister Lukko Rauma. Das Tor am Ende einer sehr intensiven Partie brachte die Münchner in das Halbfinale der Champions Hockey League (CHL), wo sie es im Januar (Hinspiel 4. oder 5. Januar, Rückspiel 11. oder 12.) erneut mit einer finnischen Mannschaft, Tappara Tampere, zu tun bekommen. "Diese zwei Viertelfinalspiele waren speziell - und wir haben speziell gespielt", frohlockte EHC-Trainer Don Jackson.

"Geduldig zu bleiben und keine Fehler zu machen, das war die große Herausforderung im ersten Drittel", erklärt Jackson

Das Hin- und Rückspiel zwischen den Münchnern und Rauma war eines CHL-Viertelfinals würdig. Auf das hart umkämpfte 2:2 in Finnland folgte ein nicht minder erbitterter Eishockey-Kampf in München. Wie groß Münchens Aufgabe gegen den finnischen Meister war, machte besonders das Startdrittel deutlich. Was die Finnen dort läuferisch zeigten, war beeindruckend. Die Münchner liefen zwar auch viel - allerdings meist nur dem Gegner und der Scheibe hinterher. Das druckvolle Forechecking, ihre größte Stärke, wurde von den wendigen und antrittsschnellen Finnen aus der Gleichung genommen, der EHC bekam keinen Zugriff. "Wir sind gut gelaufen und haben die Scheibe gut gehalten, da hatten wir das Momentum", sagte Lukko-Trainer Marko Virtanen. Immer wieder spielten sich die Finnen im Münchner Drittel fest, doch der EHC verteidigte konzentriert und eng stehend. "Geduldig zu bleiben und keine Fehler zu machen, das war die große Herausforderung im ersten Drittel", erklärte Jackson.

Im Mitteldrittel wendete sich dann das Blatt. Fortan beschäftigten die Münchner die Gäste konsequenter, ließen sie nicht mehr ins Kreiseln kommen. Nun machte der EHC Druck, erspielte sich Chancen und setzte in Form eines harten Checks von Kapitän Patrick Hager ein Zeichen, das als Wir-sind-schon-auch-hier-Mitteilung verstanden werden konnte. "Wir waren aggressiv und haben die Scheiben an die richtigen Stellen gebracht", sagte Jackson. Was ihm am meisten gefiel: "Wir haben in der Offensive auf riskante Aktionen und Pässe verzichte, die man in den vorherigen zwei Partien gesehen hatte." Diese hatten am vorangegangenen Wochenende dazu geführt, dass der EHC aufgrund zweier Liga-Niederlagen mit elf Gegentoren die Tabellenführung in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) abgeben musste. Die großen Lücken hätten sich wie ein "roter Faden" durch diese Spiele gezogen, sagte Frank Mauer, "so können wir nicht weiterspielen. Wir haben es oft genug angesprochen, wir müssen im System bleiben."

Auf der internationalen Bühne fühlen sich die Münchner wohl - dort halten sie an ihrer Spielidee fest

Gegen Lukko schaltete der EHC wieder in seinen CHL-Modus, an dem in dieser Saison bereits die Schweizer Topmannschaften aus Zug und Fribourg gescheitert waren. Auf der internationalen Bühne fühlen sich die Münchner wohl, dort gelingt es ihnen, konzentriert und konsequent an ihrer Spielidee festzuhalten. "Wenn wir wissen, dass wir um etwas Großes spielen, spielen wir auf diese Weise", betonte Jackson. Der erfahrene Trainer hatte eine Reifeprüfung gefordert - und seine Spieler legten sie ab.

Die Münchner kamen dem Treffer im Mitteldrittel immer näher, Austin Ortega mit einem Lattentreffer (22.) und Ben Smith ungedeckt am langen Pfosten (31.) verpassten die Führung nur knapp. Nach Sebastian Repos 0:1 (33.) glich Münchens CHL-Topscorer Frederik Tiffels mit einer sehenswerten Einzelaktion in hohem Tempo zum 1:1 aus (39.). "Wenig Platz, wenig Zeit", Tiffels beschrieb das Spiel hinterher gut - und kreierte sich den Raum mit seiner Antrittsschnelligkeit selbst. Die Entscheidung fiel dramaturgisch passend erst in der Verlängerung, dank eines "Arbeitertores", wie Tiffels Schütz' Nachschuss-Siegtreffer bezeichnete. Münchens erste Führung in Hin- und Rückspiel war die entscheidende. "Lukko hat uns an unser Limit gebracht", gestand Jackson ein. Der EHC-Trainer hofft, dass seine Spieler die Erfahrungen dieser Partie mit in die heimische Liga nehmen. Bevor das Halbfinal-Hinspiel gegen Tampere steigt, tritt der EHC - angefangen mit dem Heimspiel am Freitag gegen die Düsseldorfer EG (19.30 Uhr) - in 17 Tagen noch achtmal in der DEL an.

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