Eintracht vor dem Spiel gegen den FCB:Angst geht um im Frankfurter Stadtwald

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In der Vorsaison Moderator des Erfolgs, jetzt irritiert über den schwachen Saisonstart: Frankfurts Trainer Armin Veh. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Erst ein 1:6-Fehlstart in Berlin und nun Bammel vor einer Blamage gegen den FC Bayern: Die Vorfreude bei Eintracht Frankfurt auf die Saison ist bereits verflogen. Trainer Armin Veh wirkt genervt - und zeigt Zähne.

Von Thomas Kilchenstein, Frankfurt

Der Frankfurter Terrier Sebastian Rode ist in dieser Woche von einer Biene gestochen worden. Daraufhin trug er einen dicken Verband ums lädierte Handgelenk. Rode, der am Ende dieser Saison die Eintracht verlassen wird - vermutlich zum Heimspielgegner an diesem Samstag, dem FC Bayern München -, fand das ein bisschen übertrieben, er zählt ja zu den Harten. "Es brannte nur und tat ein bisschen weh", erzählte er, aber die medizinische Abteilung von Eintracht Frankfurt hielt es für angebracht, mit Mull nicht zu sparen. Auch Trainer Armin Veh und noch ein paar andere Spieler waren Opfer der kleinen Quälgeister geworden. "Sind aggressiv, die Viecher", sagte der 22-jährige Rode.

Mit ein wenig Gehässigkeit könnte man sagen: Davon könnte sich Eintracht Frankfurt derzeit eine Scheibe abschneiden. Tatsächlich steckt der Stachel nach der schier unglaublichen 1:6-Ohrfeige zum Rundenauftakt beim Aufsteiger Hertha BSC Berlin noch tief. 1:6 - so verliert man einfach nicht, vielleicht mal gegen die Bayern oder, wie zu Beginn des Jahrtausends mal unter Zuchtmeister Felix Magath passiert: im Pokal gegen die Amateure des VfB Stuttgart.

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Der Nationalspieler könnte gegen die Eintracht sein Debüt feiern. Diego Maradona arbeitet bei einem Fünftligisten in seiner Heimat als "Mental-Coach". Mario Götze steht erstmals in einem Ligaspiel im Kader der Bayern, Maria Scharapowa trennt sich von ihrem Trainer.

"Abschlachten" habe man sich lassen, drückte es der in Berlin selbst allenfalls höflich Geleitschutz gebende Eintracht-Stopper Marco Russ drastisch aus: "Im Sport", pflichtete Kollege Rode bei, "kriegt man halt mal was auf die Fresse".

In Frankfurt sind sie jedenfalls nach nur einer Saison-Niederlage im Mark getroffen, die Mannschaft geschockt, die Funktionäre fassungslos. Die Schlappe kam aus heiterem Himmel, nichts hatte darauf hingedeutet. Die Vorbereitung galt als gelungen, eine erstaunliche Frühform wurde der Überraschungsmannschaft der Vorsaison attestiert, selbst die Hürde der ersten Pokalrunde wurde recht souverän genommen (2:0 in Illertissen). Die Neuen, Jan Rosenthal und Johannes Flum aus Freiburg sowie Joselu und Stephan Schröck aus Hoffenheim, schienen haargenau zu passen.

Zudem war ganz Frankfurt wegen des Loses für die Playoffs der Europa League aus dem Häuschen: FK Karabach Agdam aus Aserbaidschan, das ist lösbar. Die Teilnahme am Europapokal, die mindestens fünf Millionen Euro in die Kassen spülen soll, ist also zum Greifen nah. Aufsichtsrat Philip Holzer, ein Banker bei Goldman Sachs, empfahl dem Klub bereits kühn, "sich am FC Arsenal zu orientieren".

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Nach 90 Ligaminuten war dann nichts mehr wie zuvor. Was ist in Berlin passiert mit dieser Mannschaft, die weitgehend die gleiche ist wie im Vorjahr? War ihr der Erfolg zu Kopf gestiegen? Dachte sie, es gehe von allein, mit Hacke, Spitze, tralala? "Womöglich", sinnierte Sportdirektor Bruno Hübner, "haben die Spieler die eigen Stärke überschätzt."

Seriös erklärbar ist der Tiefschlag nicht. In Berlin hatten die Frankfurter 60 Prozent Ballbesitz und gewannen 54 Prozent der Zweikämpfe - brotlose Künste. Die entscheidenden Duelle aber gingen verloren. Lag es am geänderten System, 4-4-2 statt des vertrauten 4-2-3-1? Die Mannschaft jedenfalls scheint sich wohler zu fühlen mit der Doppelsechs.

In dieser Woche wurde der Ton rauer. Trainer Armin Veh, der meist charmant und cool daherkommt, faltete seinen Verteidiger Bamba Anderson zusammen: "Du bist Abwehrspieler, kapierst du das nicht?", vernahm der Brasilianer, der in Berlin gar nicht gespielt hatte. Danach bekamen die anderen ihr Fett weg, fünf Minuten redete Veh auf sein Team ein. Keine Frage, der Trainer ist angespannt, richtig sauer, wirkt genervt. Der Moderator des Vorjahres-Euphorie zeigt nun Zähne.

Die nicht enden wollende Diskussion über - reale und angebliche - Meinungsverschiedenheiten mit Klubchef Heribert Bruchhagen, dessen Aussagen Veh in der Tat öffentlich schon mal als "Unverschämtheit" bezeichnet hat, nervt den Coach ebenso wie die immer noch nicht zustande gekommene Verpflichtung des Wunschstürmers Vaclav Kadlec von Sparta Prag. Dazu kommt die Erwartungshaltung des Umfelds, Platz sechs vielleicht noch zu toppen: "Das ist Wahnsinn", findet Veh.

Auch die Frage, warum er ohne Not die erfolgreiche Taktik verändert habe, regt ihn auf: "Das ist ein Krampf von gestern." Er wolle das Team flexibler und variabler machen, sagt Veh, im Moment aber klappt kaum noch etwas, weder die Doppelsechs noch die Raute. Diese Woche ließ der Coach mit drei Defensiven im Mittelfeld üben und mit Meier in der Spitze.

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Mit breiter Brust werden die Hessen den FC Bayern nicht empfangen, selbst eine Trotzreaktion wagt Veh nicht zu prophezeien. Er weiß: "Wenn du verlierst und verlierst, kriegst du ein Problem" - aber kein Selbstvertrauen. Das war in der vergangenen Saison umgekehrt, da surfte die Eintracht auf der Erfolgswelle, startete mit vier Siegen am Stück; nun droht die Abwärtsspirale. Nach den Bayern warten Karabach und auswärts Braunschweig, dann kommt Dortmund, danach muss die Eintracht nach Bremen und Stuttgart reisen. Es gibt leichtere Auftaktprogramme.

Die Angst geht um im Frankfurter Stadtwald, die Angst davor, vieles zu verspielen, was man sich in 34 Spielen zuvor mühsam aufgebaut hatte. Abstiegskampf, unten rumkrebsen - Das sollte doch alles Vergangenheit sein. Und jetzt?

Die Vorfreude auf die 51. Bundesligasaison ist merklich abgeflaut. Klubchef Bruchhagen schwant gar Böses. Mit der Leistung von Berlin, sagt der Vorstandsvorsitzende düster, "kriegen wir gegen die Bayern zehn Stück."

© SZ vom 17.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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