Eine Reise zum Champions-League-Finale:Keine Dusche, kein Schlaf - aber ein Pott!

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Unser Mitarbeiter in Wembley während des Champions-League-Finals 2013 zwischen Borussia Dortmund und FC Bayern München. (Foto: oh)

22 Stunden still sitzen, Schlaf und Bier der einzige Zeitvertreib: Die Busfahrt vom Wembley-Stadion in London zurück nach München ist zermürbend, aber ein Opfer, das jeder Fan jubelnd bringt. Ein Erlebnisbericht.

Von Christopher Köster

Als um 17:32 Uhr die Nachricht von den in München gelandeten Bayern-Spielern auf unseren Handydisplays auftauchte, fuhr der Bus gerade am Frankfurter Flughafen vorbei. Die Sitze: eng. Es riecht, wie es eben riecht, wenn 50 schwitzende und Bier trinkende Männer seit Stunden in einen Bus eingepfercht sind. München ist nah, aber doch noch so weit weg. Noch etwa fünf Stunden, die Sehnsucht nach einer Dusche könnte kaum größer sein. Nach einem Bett. Nach Schlaf.

22 Stunden dauert die Busfahrt von London zurück in die Heimat. Die Profis hatten es da leichter: kurzer Rückflug, erste Klasse natürlich - aber die haben ja auch gerade die Champions League gewonnen. Mit den eigenen Kreisklasse-Beinen hätte man dem FC Bayern im Finale wohl nicht behilflich sein können, deshalb müssen die Fans die Busfahrt durchstehen.

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Spannend, attraktiv, chancenreich: Das Champions-League-Finale erfüllte von der ersten Minute an die höchsten Erwartungen und endete mit einem denkwürdigen Tor. Die wichtigsten Spielszenen.

Um 23 Uhr Ortszeit am Samstagabend mussten die Fans das Wembley-Stadion endgültig verlassen - doch die stets zuvorkommenden englischen Ordner ließen immer wieder Bayern-Fans durch eigentlich schon abgesperrte Bereiche laufen. Ein kurzes "Just two minutes, please" und schon waren die Ordner einsichtig und ließen getrennte Grüppchen wieder gemeinsam feiern.

Zwei Stunden später fuhr der Bus los in Richtung Dover. Die Wartezeit wurde vor allem mit Party auf dem Busparkplatz und Müllentsorgung verbracht. Die leeren Kästen mussten raus, frisches Bier wieder hinein ins Businnere.

Um drei Uhr morgens an der Küste erwartete die Bayern-Fans eine ernüchternde Nachricht: Die Fähre kann erst um 6:30 Uhr betreten werden. Was tun als mittlerweile doch angeschlagener Fan? Dreieinhalb Stunden im stickigen Bus oder dreieinhalb auf dem nasskalten südenglischen Hafenparkplatz warten? Es war egal, denn das Szenario war hier wie dort dasselbe: Angetrunkene Männerkehlen gröhlen "Wieder alles im Griff, auf dem sinkenden Schiff. Keine Panik, auf der Titanic, Land in Sicht wir sterben nicht". Abwechslung im Liedgut wird überbewertet.

Auf der Fähre gab es dann mehr Optionen bei der Freizeitgestaltung, Party, Frühstück für die letzten übrigen Pfund, ein Nickerchen in den Sesseln. Am wichtigsten jedoch: das überlebenswichtige Smartphone wieder aufladen. Schließlich wollte jeder die Spielberichte lesen und Bilder vom historischen Stadionbesuch an die Daheimgebliebenen schicken. Lieber das Selbstporträt im Wembley oder der Moment der Pokalübergabe? Egal, zur Not werden einfach beide Bilder verschickt.

Im Vergleich zur Hinfahrt waren deutlich weniger Dortmund-Fans an Bord. Entweder hatten die Westfalen zeitig das Stadion verlassen und noch die letzte Fähre des Abends erwischt - oder ertränkten den Finalfrust noch in einer Londoner Kneipe, um erst am Sonntag die deutlich kürzere Rückfahrt ins Ruhrgebiet anzutreten. Das Miteinander mit den wenigen schwarz-gelben Anhängern verlief auf dem Rückweg jedoch friedlich. Es gab Trost für die Unterlegenen und faire Gratulationen für die siegreichen Fans. Die meisten Dortmunder schwiegen jedoch lieber betrübt anstatt sich selbst mit den Jubelgeschichten der gegnerischen Anhänger zu quälen.

Bankettrede von Rummenigge
:"Mit 1,8 Promille haben wir trotzdem eine Chance"

Nach dem Triumph folgt traditionell die Bankettrede des Vorstandschefs: Karl-Heinz Rummenigge erinnert an die schmerzhaften Momente im vergangenen Jahr, lobt die Einstellung der Mannschaft - und glaubt, das Pokalfinale notfalls auch betrunken gewinnen zu können. Der Wortlaut.

Anschließend ging es durch Belgien. Das eigentlich kleine Land war für den langsamen Bus erstaunlich groß. Vier lange Stunden zog die graue und regennasse Landschaft in trister Gleichmäßigkeit an uns vorbei. Entweder schlafen oder trinken, das waren fast die einzigen Möglichkeiten zum Zeitvertreib. Zunächst dachten viele neidisch an diejenigen, die frühzeitig kostengünstige Flüge gebucht hatten.

Während der ersten Pause in Deutschland dann endlich das Erinnerungsfoto mit der kompletten Busbesatzung. Sonnenschein wäre schön gewesen, doch vielleicht passte das Regenwetter auch besser zu den teils sehr mitgenommenen Gesichtern. Leider hat es mit dem Bild auch nicht ganz geklappt - der Busfahrer hat statt zweier Fotos ein Fünf-Sekunden-Video gemacht. Na ja, egal.

Um 22:30 Uhr war der Bus endlich zurück in der Landeshauptstadt. Fünf Stunden nach der Mannschaft, ohne weiches Hotelbett, ohne reichhaltiges Büffet beim nächtlichen Bankett, ohne Rummenigge-Rede. Dafür mit der Erinnerung, im Wembley-Stadion dabei gewesen zu sein und die Auferstehung des Arjen Robben live vor Ort miterlebt zu haben. Das ewig getragene Europapokal-Shirt endlich vom ungewaschenen Körper schälen, das T-Shirt von der Hinfahrt und die alten Socken wanderten auch direkt in die Wäsche.

Eine kleine Enttäuschung machte sich am Ende dieser ereignisreichen Fahrt dennoch in den Köpfen breit: Die Spieler dürfen laut Rummenigge eine Woche lang feiern und am kommenden Samstag mit 1,8 Promille das Pokalfinale bestreiten, die weitgereisten Fans aber müssen am Montagmorgen wieder auf der Arbeit erscheinen. Fit. Und mit 0,0 Promille.

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