Ein Liebesbekenntnis an den FC Bayern:Dahoam san mia mia

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Der Weg der Bayern ins Finale

Der Lyriker und Dramatiker Albert Ostermaier durchlebt seit Jahren alle Höhen und Tiefen seines Vereins FC Bayern. Der Münchner glaubt an das Fußballfegefeuer Nachspielzeit, huldigt Manager Uli Hoeneß und erklärt, warum sich der FC Bayern über Siege und nicht über Niederlagen definiert. Klub-Mitglied Nummer 40.838 über eine polarisierende Leidenschaft.

Albert Ostermaier

Immer wieder, wenn es Mai wird, die Gräser blühen, die Hormone sich labbadiaesk ,hochsterilisieren', wenn Madrid in Italien liegt, die Torkanonen auf Spatzen schießen und die Elfmeterschützen vor Petrus stehen, weil sie den Ball in den Wolken suchen - immer dann schlafen Bayernfans schlecht.

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Dabei ist der Mai ihre Jahreszeit, da versetzt es selbst den Stärksten unter ihnen beim Bier einen Stich, da werden die Schweißperlen auf der Stirn ballgroß. Oder die Tränen, die ein Roter, also ein waschechter Fan, nicht weint, denn: Indianer kennen keinen Schmerz!

Das gilt seit der ersten Blutgrätsche eines Blauen im Schulbus von hinten, oder seit er vor der Garagenwand die Bayernsiege nachgespielt und die kleinen Hände in die Luft gereckt hat wie der geniale Mehmet Scholl. Ende Mai, wenn für die Fans der Restrepublik schon so gut wie alles vorbei ist, wird es für den Bayernfan erst so richtig spannend.

Der Mai, das kann ein Monat der Wonne in der Siegersonne sein. Oder ein verspäteter launischer April, in dem der Bayernfan eine Woche zu Tode betrübt, eine himmelhoch jauchzend sein kann. Wenn es schlimm kommt, wird der Mai zur Hölle. Dann dauert er drei Minuten länger als jeder andere Monat. Genau jene drei Minuten, die immer noch quälen. Wie ein Teufelsmal steigen sie auf vor der inneren Anzeigetafel: +3. Ja, so stellen wir Bayernfans uns das Fußballfegefeuer vor: Dort geht der 26. Mai nie vorbei.

Barcelona, Camp Nou, 1999. Bayern führt, Bayern dominiert Manchester United. Scholl schießt an den Pfosten, der sein höhnisches Echo ins Rund jagt, Jancker trifft die Latte, aber es steht 1:0, wir führen ja. Dann die 80. Minute: Matthäus, der Lothar, bindet sich die Schuhe, unser Weltfußballer, der beste Mann auf dem Platz, ist plötzlich wie ausgewechselt und lässt sich auswechseln. Ist ein Muskel oder nur ein Schnürsenkel gerissen?

Eine erste Ewigkeit später bricht die Schlussminute an, die Schluss macht mit dem Mythos, dass ein Spiel 90 Minuten hat. Im Fegefeuer, das wir sehen, ein Feuerwerk aus Champagnerkorken, der liebe Gott ist halt doch ein Bayer, denken wir und zünden gegen jeden Aberglauben die nächste Zigarette an. Auftritt Sheringham. Und dann Solskjaer. Noch heute schreit jeder Bayernfan im Schlaf Solskjaer und weiß: Es ist mal wieder Mai, Mai o Mai. Wieder Finale.

Und dieses Mal dahoam. Daheim, da wo mia mia san. Und wo mia mia san, endet die Road to Munich und der Pokal ist dahoam und bekommt eine schöne Hirschlederne an, aber die Hörner haben die anderen auf.

Ein Bayernfan definiert sich nicht durch eine stets überflüssige Niederlage, sondern über die eindeutigen Siege, verdiente oder unverdiente, glücksduselige oder schicksalsdusselige. Normalerweise nimmt das Bayernglück genau den Weg des Balls wie am letzten Bundesligaspieltag der Saison 2000/2001, als in der Nachspielzeit Schalke, das schon die Meisterschaft feierte, vor der Stadionleinwand in der Hitze schockgefrostet erstarrte und ohnmächtig ansehen musste, wie Anderssons Schuss durch die Mauer und alle Beine hindurch das verriegelte Tor fand, als wäre er Odysseus und kehrte nach allen Gefahren und Irrfahrten endlich nach Hause zurück.

Dorthin, wo er herkommt und hingehört: in die Umarmung des Glücks oder durch die Arme des gegnerischen Torwarts. Das Schlimmste an Bayernniederlagen ist für den Bayernfan die ihm plötzlich von den anderen Fans zuteil werdende Liebe, weil es ihm einmal so schlecht geht wie ihnen jeden Samstag. Mittwochs spielen sie um diese Zeit im Mai fast nie.

Dabei ist Bayernfan zu sein heutzutage fast die einzige Chance, andere Menschen noch zu provozieren. Gibt man sich zu erkennen, entlädt sich ein Trommelfeuer von Vorurteilen, und ein Klischee nach dem anderen wird einem um die Ohren geklatscht. Als da wären: Es sei leicht, ein Bayernfan zu sein. Denn die würden ja immer gewinnen. Soll ich deshalb Sechziger werden? Weil Verlierer die Herzen gewinnen statt die Meisterschaft?

Für diesen unehrlichen Unsinn gibt es nur eine Entschuldigung: Man ist seinem Verein sein Leben lang treu. Also auch dem lebenslangen Irrtum, wenn man sich nicht für Bayern entschieden hat, weil die Tante lieber das billige Trikot aus der Grabbelkiste gekauft hat oder Papi nicht wollte, dass es sein Sohn mal besser hat und sich dachte: Geteiltes Leid ist halbseidenes Leid.

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