EHC München:Projekt auf Wolken

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DEL-Neuling EHC München will sich in der Stadt etablieren - er setzt auf die neue Euphorie nach dem Aufstieg.

Michael Neudecker

Es war im dritten Drittel, da wurden sie wütend in der Nordkurve der Münchner Olympia-Eishalle. Es war das erste Heimspiel des EHC München in der Deutschen Eishockey-Liga, 3200Zuschauer waren gekommen, das ist ordentlich gegen die Iserlohn Roosters, die gute Spieler haben und einen sympathischen Trainer, aber nicht zu den Publikumsmagneten der DEL zählen. In der Nordkurve standen die Fans dicht gedrängt, und nun schrien sie: "Scheiß FC Bayern!" Der Stadionsprecher hatte durchgesagt, dass die Anzeigetafel wegen der Software für die Basketballer des FC Bayern nicht richtig funktioniere, und auf der Sitzplatztribüne muss Jürgen Bochanski in diesem Moment dem Herzinfarkt nahe gewesen sein. Die Bayern-Basketballer spielen neuerdings in derselben Halle wie der EHC, und das Verhältnis zu den großen Bayern kann ja entscheidend sein für die Zukunft des EHC: Das Münchner Eishockey braucht eine neue Halle, um langfristig mithalten zu können, und mit dem FC Bayern als Partner geht in dieser Stadt eben vieles einfacher.

Freude über den Aufstieg: die Spieler des EHC München. (Foto: lok)

Aber Bochanski, der Präsident des EHC, lächelt und sagt: "Ach, das ist okay, man muss den Fans ihren Spaß lassen." Das ist bemerkenswert: Gelassenheit zählte bislang nicht unbedingt zu den Stärken des EHC. Woher soll sie auch kommen im Münchner Eishockey? Geschichte prägt eben, und die Geschichte in München erzählt vorwiegend von Insolvenzen und Umzügen. Der EHC ist der vierte Münchner Klub in der höchsten Eishockeyliga, er ist wohl Münchens letzte Chance auf Erstliga-Eishockey. Und die größte seit zwei Jahrzehnten.

Als Christian Winkler am späten Sonntag in der Eishalle steht, in der Hand hält er einen Apfel, den er ab und zu hochwirft, da sagt er, ihm sei ein Stein vom Herzen gefallen heute, "ein riesiger". Der EHC hat gewonnen, 5:3 gegen Iserlohn, und weil am Freitag bei Ligakrösus Adler Mannheim durch ein 3:4 nach Verlängerung ein Punkt geholt wurde, ist der EHC in der Tabelle nach dem ersten Wochenende Vierter. Winkler ist der Manager des EHC, seit fünf Jahren, er ist - neben Trainer Pat Cortina - verantwortlich für Erfolg oder Misserfolg. Er hat viel durchgemacht, der EHC ist sein erster Job dieser Art, vorher war er Torwart in den unteren Ligen und Moderator im Lokalradio. Er hat Fehler gemacht, Anfängerfehler, wie sie in der Branche tuschelten - aber er hat gelernt, und er ist immer noch da, das sagt viel über das Projekt EHC. Kontinuität kann doch ein Bestandteil des Münchner Eishockeys sein.

Drei Kandidaten für Krupp

Kontinuität schafft Identifikation, und Identifikation bringt Zuschauer, auch deshalb hat Winkler 15 Spieler aus der zweiten Liga mitgenommen, darunter Torwart Joey Vollmer, der jetzt der erste Spieler im deutschen Eishockey ist, der mit demselben Verein von ganz unten, der Bayernliga, bis ganz oben aufgestiegen ist. Nicht, dass der 30-Jährige nicht gut genug wäre für die DEL: Aber Vollmer, den Liebling des Publikums, zu behalten, war schon aus Marketinggründen richtig. Marketing ist ein bedeutsames Feld für einen Verein, der den Menschen in der Stadt erst einmal erklären muss, dass es ihn überhaupt gibt.

Bisher ist dem EHC das noch nicht ganz gelungen, und wenn man am Sonntag zum ersten DEL-Heimspiel der Klubgeschichte gefahren ist, dann war man nicht sicher, ob es je gelingen wird: Auf dem Weg zum Stadion findet sich noch immer kein Hinweis, dass man in der Nähe eines DEL-Klubs ist, es gibt auf dem Mittleren Ring nur ein großes Plakat, auf dem steht: "Bundesliga-Eishockey beim EHC München." Bundesliga, das ist im Eishockey die zweite Liga.

"Es stimmt schon, wir müssen noch einiges lernen", sagt Winkler. Ende Oktober kommen zwei Videoleinwände in das inzwischen über 40 Jahre alte Stadion, dazu wird ein neuer Vip-Raum gebaut, immerhin. Und auch wenn die Finanzierung zum großen Teil von Bochanski und seinen zwei Mitgesellschaftern gestemmt wird, haben sie in den vergangenen Wochen, was die Sponsoren betrifft, durchaus beachtliche Verträge mit einigen größeren Firmen abschließen können. Weder auf dem Eis noch auf den Trikots sind noch Werbeflächen frei, das ist nicht selbstverständlich in München.

Entscheidend dafür, ob der EHC eine langfristige Zukunft hat, ist aber letztlich der sportliche Erfolg. Der Klub hat einen Dreijahresplan, "im ersten Jahr etablieren, im zweiten um die Playoffs mitspielen, im dritten die Playoffs erreichen", sagt Winkler. Auch deshalb ist er so erleichtert: Mit einem erfolgreichen Wochenende zum Auftakt und der guten Stimmung, die in der Halle herrschte, ist es einfacher, die Münchner zu überzeugen, in die Eishalle zu kommen.

In der Branche jedenfalls wird das Projekt EHC mit Interesse verfolgt, am Sonntag war auch Bundestrainer Uwe Krupp da. Der EHC habe "einige Spieler, auf die wir ein Auge haben", sagt Krupp, den Verteidiger Felix Petermann zum Beispiel oder die Stürmer Christian Wichert und Martin Buchwieser. Und München, findet Krupp, sei "von der Eishockeykultur her einer der besten Standorte überhaupt" - wichtig sei nur, fügt er an, "dass das Umfeld auf dem Boden bleibt". Er weiß, dass das oft das Problem in der Münchner Geschichte war.

Andererseits, die Euphorie, die in München seit dem Zweitligatitel zu spüren ist, scheint die Spieler noch immer zu tragen. Und Euphorie kann nicht schaden in einem Sport, in dem allein die Vorrunde 52 Spieltage hat.

© SZ vom 07.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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