Düsseldorfs Trainer Reck:Pannen-Olli war gestern

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Lange hat er gebraucht, um sich Respekt zu erarbeiten. Seit Oliver Reck Trainer von Fortuna Düsseldorf ist, spielen die Rheinländer wieder erfolgreichen Fußball. Recks Selbstbewusstsein ist groß - auch weil er viel über sich gelernt hat.

Von Mathias von Lieben

Oliver Reck irrt durch den Strafraum. Er schaut nach links, dreht sich nach rechts, findet ihn einfach nicht. Dann fällt ihm der Ball, den er suchte, von oben auf den Kopf und von dort ins eigene Tor. Konsequenzen hatte das Eigentor im November 1991 sportlich nicht, Werder Bremen gewann trotzdem 4:3 gegen den FC Bayern. Doch die Boulevardpresse taufte ihn: "Pannen-Olli", "Schießbuden-Reck" und "Olli-O-Bein".

Die Spitznamen gehören zum alten Oliver Reck. Und es hat einige Zeit gedauert, bis er sie loswurde. Heute trainiert der 49-Jährige den Traditionsverein Fortuna Düsseldorf, ziemlich erfolgreich sogar. In Düsseldorf haben sie einen neuen Namen für ihn: "Riese Reck".

Mit Fortuna liegt er auf Platz vier in der Tabelle der zweiten Liga. Seit dem dritten Spieltag hat seine Mannschaft nicht mehr verloren. Reck ist stolz darauf, was er gerade leistet, man hört es ihm an. "Seit ich Trainer bin, sind wir die Elf mit den meisten Toren und den meisten Punkten in der zweiten Liga", erzählt er. Wenn Düsseldorf am Montagabend gegen St. Pauli drei Punkte holt, springt das Team auf Platz zwei.

Reck ist heute der einzige Trainer im deutschen Profifußball, der als Spieler früher Torwart war. Und Reck blickt oft sehr brummig. Mit seiner Halbglatze und dem kräftigen Körperbau (1,96 Meter) wirkt er nicht gerade wie der Prototyp eines modernen Fußballtrainers. Sein Markenzeichen ist ein roter Kapuzen-Pullover - unkonventionell, aber authentisch. Ein Exemplar seines "Glückspullis" wurde vergangene Woche für 1001 Euro versteigert. Die Wertschätzung in Düsseldorf ist enorm.

Fast wäre es nie dazu gekommen: Im Skiurlaub Anfang 2013 fuhr er durch Tiefschnee, als ihm plötzlich schwindelig wurde. Mit dem Hubschrauber wurde er in ein Krankenhaus geflogen. Die Diagnose: Herzinfarkt. Es folgte ein Krankenhausaufenthalt mit anschließender Reha. Ein Schock für den gebürtigen Frankfurter. Der Infarkt war genetisch bedingt, Recks Vater hatte das gleiche Problem.

Wenn Reck heute am Spielfeldrand auf- und abläuft, ist davon nichts mehr zu sehen. Beim Heimspiel gegen RB Leipzig sprang er im Zick-Zack in der Coaching-Zone, schrie und gestikulierte, als verfüge er über einen Adrenalin-Überschuss. "Mir geht es so gut wie nie. Ich mache täglich Sport und unternehme sehr viel in meiner Freizeit." Wenn er Zeit hat, geht er gerne joggen, fährt Fahrrad, spielt Golf, Tennis oder Beachvolleyball.

Es hat lange gedauert, bis sich Oliver Reck den Respekt erarbeitet hat, den er heute erfährt. Trotz zahlreicher Titel mit Bremen und Schalke wurde er als Fußballer nie ernst genommen - der Ruf des "Pannen-Olli" dominierte die Berichterstattung. Er konnte so gut spielen, wie er wollte, alle lauerten auf den nächsten Fehler. "Als Spieler wurde er sehr kritisch beäugt und auch als Trainer war Papa immer nur der Helfer", erzählt sein Sohn Daniel heute über diese Zeit. Nach seiner Karriere blieb Reck bei Schalke 04, wurde Co-Trainer unter Marc Wilmots, später Interims- und Torwarttrainer. Er war ein Mann aus der zweiten Reihe, die Notlösung für alles.

Auch in Düsseldorf war Reck zu Anfang nur Interimstrainer, die Fortuna holte aber unter ihm 18 von 21 möglichen Punkten. Prompt wurde auf Facebook eine Gruppe für Reck erstellt: Fortuna-Fans für Oliver Reck als Cheftrainer. Die Bitten der Düsseldorfer sollten erhört werden. Zur aktuellen Saison ist Reck Trainer geworden. "Ich bin endlich Chef - jetzt entscheide ich!", sagt Reck. Wieder klingt er sehr stolz.

1860-Niederlage in Aue
:Abschied vom Offensivfußball

0:3 nach einer Viertelstunde - und am Ende 1:4: Das Spiel in Aue sollte für den TSV 1860 der Aufbruch in bessere Zeiten werden, stattdessen landet München auf einem Abstiegsplatz. Trainer Von Ahlen will nun offenbar einen Schritt wagen, den bereits sein Vorgänger geplant hatte.

Seit der Niederlage gegen Karlsruhe am dritten Spieltag hat Düsseldorf nicht mehr verloren. Unter Oliver Reck verfügen die Düsseldorfer mittlerweile über ein vielseitiges Portfolio an Spielsystemen. Damit glaubt Reck den Grund für den aktuellen Höhenflug zu kennen: "Die Gegner können sich nicht auf uns einstellen." Seine taktischen Umstellungen bringen Erfolg, gemeinsam mit dem VfL Bochum hat die Fortuna in dieser Saison die zweitmeisten Tore (18) der Liga geschossen.

Wie Fortuna-Sportvorstand Helmut Schulte will Reck beim Traditionsklub langfristig etwas verändern. Deshalb wurde er vor der Saison mit einem Zwei-Jahres-Vertrag ausgestattet. "Oli ist im Umgang mit der Mannschaft sehr ehrlich", sagt Schulte. Jeder habe bei ihm eine Chance: "Seitdem er da ist, hat er mit seiner klaren Art einiges verändert. Die Mannschaft tritt unter ihm viel selbstbewusster auf als letztes Jahr." Schulte und Reck treffen sich manchmal privat - fernab der Fortuna. Eine Gemeinsamkeit haben sie dabei schon entdeckt: Düsseldorfer Altbier.

Mittlerweile weiß Reck auch, wie er seinen Erfolg nach außen verkauft. In Interviews schließt er oft seine Augen, denkt nach, und antwortet erst dann. Wird er kritisiert, blickt er von oben auf seine Gegenüber herab. Manchmal hat es den Anschein, als wolle sich Reck damit unnahbar machen. "Ich habe im Umgang mit den Medien einiges dazugelernt. Ich muss mich nicht verstecken", sagt der Fortuna-Trainer. Nicht wenige bewerten sein neues Auftreten als leicht arrogant.

Nächstes Jahr wird Oliver Reck 50 Jahre alt. "Zu einem runden Geburtstag wäre ein Aufstieg mit der Fortuna schon etwas ganz Besonderes", sagt Reck. Das Spiel gegen den FC St. Pauli weckt alte Erinnerungen. Gegen die Hamburger hat Reck sein einziges Tor in seiner Torwart-Karriere geschossen - per Elfmeter. Schon damals hat er das Image des Pannen-Ollis kurzzeitig abgelegt. Heute hat er es ganz geschafft.

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