Dritte Liga:Vielleicht ein Vorbote

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Lässig umkurvt: Stefan Lex, der hier Würzburgs Torwart Hendrik Bonmann austanzt, erzielt ein Tor selber, zwei legt er auf. (Foto: Heiko Becker/HMB-Media/Imago)

Der TSV 1860 München beschließt ein ereignisreiches Jahr mit einem 3:0 in Würzburg. Nach dem Spiel ist Trainer Michael Köllner ziemlich gut aufgelegt. Geht da doch noch was?

Von Sebastian Leisgang

Michael Köllner hatte Lust. Erst fasste er den Verlauf des Spiels zusammen, dann sagte er ein paar Sätze zu Tim Linsbichler, er lobte Semi Belkahia, er redete über die Taktik der Würzburger Kickers, und irgendwann, als man eigentlich der Meinung sein konnte, es sei jetzt alles gesagt, was zu sagen war, da sprach Köllner auch noch über den Platz, obwohl ihn kein Mensch danach gefragt hatte.

Köllner, 51, saß im kleinen Presseraum des Würzburger Dallenbergstadions und stützte die Ellenbogen auf den Tisch. Es waren ziemlich aufreibende 90 Minuten, die hinter ihm und seiner Mannschaft lagen, doch jetzt, da der TSV 1860 München das letzte Spiel des Jahres 3:0 (2:0) gewonnen hatte, da kam Köllner in Redelaune.

Es war ein ziemlich entspannter, ja beinahe ein ausgelassener Trainer, der sich da im dunkelblauen Rollkragenpullover vor den Reportern niedergelassen hatte und über Fußball sprach. Wie ausführlich Köllner an diesem Abend antwortete, wie redselig er war, wie er lachte, daran ließ sich gut erkennen, wie belebend dieser Sieg noch einmal war. Er sei "unheimlich glücklich", sagte Köllner und ließ dann keinen Zweifel daran, wie gut das 3:0 nach all den Turbulenzen der vergangenen Wochen tat. Erst dieses 2:5 gegen Magdeburg, das ziemlich tief blicken ließ, dann die Fragen nach der Zukunft des Geschäftsführers Günther Gorenzel und schließlich der Bruch mit Sascha Mölders: Es waren äußerst aufgeregte Dezembertage, heikle Angelegenheiten, schwierige Themen, bei denen Köllner als Krisenkommunikator gefragt war.

Im August ist die Welt noch in Ordnung, erst im September verliert die Mannschaft die Lockerheit

Jetzt konnte er wieder über Fußball sprechen, klar also, dass Köllner in Würzburg gut aufgelegt war. "So haben wir uns den Jahresabschluss vorgestellt", sagte er im Presseraum und nannte die vergangenen Tage mit den Auswärtssiegen in Dortmund (2:0) und in Würzburg eine "perfekte Woche". Seine Mannschaft überwintert zwar auf dem zehnten Tabellenplatz, hat im Vergleich zur Vorsaison aber nur fünf Punkte weniger. Geht da also vielleicht doch noch was?

Eine Rückblende in eine Zeit, in der sie bei Sechzig selbst noch recht offen über solche Fragen sprachen. Ein Mittwochabend in Birkenfeld, einem kleinen Ort ein paar Kilometer nordwestlich von Würzburg. Köllner steht vor dem Sportheim des Kreisligisten und spricht über das Landespokalspiel, das gerade zu Ende gegangen ist. Sechzigs Welt ist ziemlich in Ordnung an diesem Augustabend. Auch mit einem besseren Nachwuchsteam haben die Löwen auf dem Birkenfelder Sportplatz keine Fragen aufkommen lassen, der Saisonstart in der dritten Liga ist geglückt, und vor ein paar Tagen hat Köllners Mannschaft sogar den Zweitligisten Darmstadt 98 im DFB-Pokal besiegt.

In Birkenfeld ist Köllner genauso gesprächig, wie er es am Montagabend in Würzburg war. Ein paar Meter entfernt steht zwar schon der Bus, doch erst mal will Köllner die Geschichte erzählen, wie er den Birkenfelder Torwart vor dem Spiel auf der Toilette getroffen und ihm gesagt hat, dass das sein Abend werden könne. Wie er dann staunte, als Birkenfelds Torwart tatsächlich einen Ball nach dem anderen hielt - und wie er ihm in der Halbzeit noch mal ein paar Worte sagte.

Die Schmach von Magdeburg haben die Löwen erstaunlich schnell zurechtgerückt

In Birkenfeld sind Magdeburg, Gorenzel und Mölders weit weg, Köllner ist ziemlich gelassen, erst im September wird seine Mannschaft kein Spiel gewinnen, die Lockerheit verlieren und in der Tabelle abstürzen. Jetzt aber, da Sechzig die Schmach von Magdeburg erstaunlich schnell zurechtgerückt und sich auf den letzten Metern des Jahres wieder gefangen hat, da dürfen Köllner und seine Spieler guten Mutes Weihnachten begehen.

Der Abend von Würzburg könnte ja ein Vorbote gewesen sein. Im Gegensatz zu ihrem Trainer ging der Mannschaft die Leichtigkeit zwar noch ab, doch "ein stabiles, kompaktes Spiel", wie es Köllner mit seiner Elf "hinbekommen" wollte, das bekamen die Löwen mit Ausnahme der Anfangsphase hin. Marcel Bär (32., 71.) und Stefan Lex (37.) trafen. Jetzt ist es auch die Erinnerung an die erste Hälfte dieses Jahres, mit der sich die Sechziger unter den Baum setzen. War es nicht gerade dieses Unbeschwerte, das die Mannschaft durch die Rückrunde der vergangenen Saison trug? War es nicht auch die unverstellt-charmante Art, mit der der Trainer auftrat? War es nicht so, dass sich bis zum letzten Spieltag alles fügte, ehe diese Niederlage in Ingolstadt allen Träumen ein jähes Ende setzte?

Es war ein ereignisreiches Löwenjahr, das nun dem Ende zugeht. Ein Jahr, in dem die Sechziger erst Ausrufezeichen setzten, dann Fragen aufwarfen und schließlich in Person von Köllner so redselig wurden, dass sie Punkt und Komma vergaßen. Und die Rückrunde, die kommt ja erst noch.

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