Dritte Liga:Mit Herz und Klassen

Lesezeit: 2 min

Tat den Chemnitzern in jeder Hinsicht weh: Leon Klassen (hier bei der eher rustikalen Grätsche gegen Pascal Itter) erzielte den Siegtreffer für 1860 München. (Foto: Robert Michael/dpa)

Ein 19-jähriger Flügelspieler sorgt für Erleichterung bei 1860 München, das mit einem 1:0-Sieg aus Chemnitz heimreist. Am Wochenende präsentiert der Klub nach langer Suche einen neuen Stürmer.

Von Thomas Hürner

Marius Willsch nahm Fahrt auf, in höchstem Tempo sprintete er in den gegnerischen Strafraum. Eine gelungene Ballmitnahme, ein Pass in die Mitte und schließlich der Verlust des Gleichgewichts. Den erlösenden Moment des TSV 1860 München erlebte Willsch im Sitzen, mit ausgestreckten Beinen und einem recht ungläubigen Blick. Er hatte die Vorarbeit geleistet zum Treffer von Leon Klassen in der 77. Minute, die Löwen gewannen am Freitagabend mit 1:0 beim Chemnitzer FC. Es war ein Sieg von hoher Wichtigkeit nach zuletzt drei sieglosen Partien in Serie und dem negativen Höhepunkt zuletzt bei der 1:5-Niederlage gegen den FC Magdeburg.

Löwen-Trainer Daniel Bierofka habe jedoch "immer gewusst", dass sein Team eine Reaktion zeigen würde, wie er nach dem Spiel im Interview mit Magenta Sport sagte. Trotzdem sei natürlich auch "die Erleichterung da", man dürfe sich aber keinesfalls auf diesem Sieg ausruhen, denn nur auf diese Weise ließe sich "Ruhe reinbringen in den Laden".

Der Boykott Chemnitzer Fans führt zu einer phasenweise gespenstischen Stille im Stadion

Ruhig war es jedenfalls auch in Chemnitz an diesem Freitagabend. Nicht nur weil eine Ultragruppierung die anderen Fans zu einem Boykott des Spiel aufgefordert hatte, was zu einer phasenweise gespenstischen Stille im Stadion führte. Die Heimelf spielte die meiste Zeit so, als würde sie einen Vorsprung verteidigen, und die Münchner mühten sich vergebens, Lücken in der gut organisierten Defensive des Gegners zu erspähen. Das Resultat war ein eher träges Drittligaspiel mit wenigen Chancen auf beiden Seiten. 1860-Stürmer Sascha Mölders kam in der Anfangsphase zu zwei kleinen Gelegenheiten, wirklich gefährliche Situationen konnte sich in der ersten Hälfte aber keine der beiden Mannschaften herausspielen. Es gab eigentlich nur eine Ausnahme: Der Chemnitzer Stürmer Tarsis Bonga wurde mit einem schönen Chippass in Szene gesetzt und wäre unbedrängt aufs Löwen-Tor zugelaufen, wenn Philipp Steinhart ihn nicht gefoult hätte. "Da kann man die rote Karte geben", räumte Bierofka ein. "Aber Glück muss man sich auch erzwingen."

Der Löwen-Trainer vollzog mal wieder die inzwischen obligatorische Rotation in der Innenverteidigung, diesmal aber mit einer überraschenden Entscheidung: Der eigentlich gesetzte Dennis Erdmann musste mit einem Platz auf der Bank Vorlieb nehmen, es begannen Kapitän Felix Weber und Aaron Berzel. Im Mittelfeld setzte der Trainer auf zusätzliche Kompaktheit, statt zuletzt zwei Akteuren mit gestalterischen Fähigkeiten spielte in Efkan Bekiroglu nur mehr einer, Timo Gebhart musste nach dürftigen Leistungen in den vergangenen beiden Partien draußen bleiben. Nach nur drei Minuten in der laufenden Saison kam Klassen zu seinem Startelfdebüt. Und die Leistung, die der 19-jährige Flügelspieler darbot, hinterließ bei seinem Trainer einen bleibenden Eindruck, nicht nur wegen seines Treffers. "Der Junge hat einfach Herz", sagte Bierofka, "das ist, was wir brauchen." Klassen selbst beschrieb seine Gemütslage als "unbeschreiblich, nicht in Worte zu fassen".

In der Schlussphase haben die Münchner dann zweimal großes Glück

Was die Löwen für den Sieg in Chemnitz brauchten, war neben der schönen Kombination, die Klassens Treffer vorausging, auch etwas Glück in der Schlussphase. Die Chemnitzer kamen noch einmal zu zwei große Torchancen. Die erste vergab Rafael Garcia mit einem Volleyschuss im Strafraum (84.), bei der zweiten tauchte plötzlich Erik Tallig nach einem hohen Ball allein vor Löwen-Torwart Hendrik Bonmann auf, der seine Mannschaft vor dem Ausgleich bewahren konnte (89.).

Der beschwerliche, letztlich aber erfolgreiche Abend des TSV 1860 hatte sogar mit einer erlösenden Botschaft begonnen. Sportdirektor Günther Gorenzel wollte vor dem Spiel zwar nicht verraten, welchen Stürmer die Löwen nach langer Suche nun verpflichtet haben und schon gar nicht konkrete Vertragsmodalitäten offenbaren. Man sei aber "klar mit einem Spieler", sagte Gorenzel im Interview mit Magenta Sport. Die Verträge würden im Laufe dieses Samstags unterschrieben, danach werde man "Details dazu" bekanntgeben. Trainer Bierofka freute sich über "mehr Möglichkeiten", die sich ihm nun eröffnen würden. Einen Namen wollte aber auch er nicht verraten.

© SZ vom 31.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: