Dritte Liga:Kaum Glühen im Sandkasten

Lesezeit: 3 min

Der Ball wollte einfach nicht über die Linie: Sechzigs Stefan Lex (Mitte) köpfelte gegen den FSV Zwickau neben das Tor, scheiterte dann am heraus stürzenden Tormann Johannes Brinkies und traf schließlich die Latte. (Foto: Wagner/Fotostand/imago)

Auf den furiosen Auftritt gegen Magdeburg folgt der Einbruch trotz Überlegenheit: Dem TSV 1860 München fehlt beim 0:1 gegen den FSV Zwickau die zündende Idee, Trainer Michael Köllner zeigt sich "tief enttäuscht" nach der verpassten Tabellenführung.

Von Gerhard Fischer

Gibt es zwei Mannschaften, die unter dem Namen TSV 1860 München in der dritten Liga antreten? Am vorigen Mittwoch spielte ein Löwenteam in Magdeburg so famos auf, als stünde der Durchmarsch in die Bundesliga plus Gewinn der Champions League kurz bevor. In der Gegenwart stand Sechzig immerhin vor dem Sprung auf Platz eins der Tabelle. Aber dann brach dieses vermeintliche Wunderteam am Sonntag gegen den FSV Zwickau in der zweiten Hälfte dermaßen ein, dass es gegen einen braven Gegner 0:1 verlor.

Der Trainer des TSV 1860, Michael Köllner, sagte hernach, er sei "tief enttäuscht". Seine Mannschaft habe in der ersten Halbzeit eine überragende Leistung gezeigt, aber sie habe keine Tore erzielt: "Wir hätten 3:0 führen müssen." Zwickau habe dann mit seiner ersten Chance ein Tor gemacht. "Wir haben das Spiel in der ersten Hälfte verloren", sagte er.

Sascha Mölders war nach seiner Gelbsperre wieder dabei, natürlich. Erik Tallig, Mitglied der sagenhaften Siegerelf in Magdeburg, musste dafür auf die Bank. "Wir freuen uns, wenn Sascha den Rasen zum Glühen bringt", hatte Köllner vor dem Spiel gesagt. Mölders kann ja viel, aber den ramponierten Rasen des Grünwalder Stadions, der Regen, Schnee und am Vortag die Partie von Türkgücü München gegen Waldhof aushalten musste, zum Glühen bringen? Das schafft vielleicht Grisu, der Feuer speiende Drache. Aber Köllner hatte es natürlich symbolisch gemeint.

Sechzig tritt mit einer offensiven Grundausrichtung auf

Übrigens, dass überhaupt gespielt werden konnte, verdankte der TSV 1860 dem emsigen Platzwart und seinen Helfern. Stunden lang sollen sie am Samstag nach dem Türkgücü-Spiel gearbeitet haben, um jeden geknickten Grashalm einigermaßen aufzurichten. Aber würde es reichen, um den Löwen, die unter Köllner zu einem erstaunlich spielstarken Team gereift sind, eine griffige Grundlage zu bieten? Das Spielfeld sah ein wenig aus wie ein Sandkasten mit grünen Grasbüscheln.

Die Grundausrichtung der Gastgeber war offensiv: rechts und links von Mölders stürmten Stefan Lex und Merveille Biankadi. Richard Neudecker, der wegen seines Einsatzes als falsche Neun in Magdeburg schon "Drittliga-Götze" getauft wurde, reihte sich mit Dennis Dressel dahinter ein. Die erste Chance hatte Mölders (11. Minute), aber er schoss über das Tor - in Richtung eines Plakats, auf dem stand: "Sechzig ist der geilste Klub der Welt." Zu diesem Zeitpunkt musste man darüber nicht lachen.

Danach war dreimal Lex an der Reihe. Er köpfelte neben den Kasten, scheiterte nach schöner Kombination am heraus stürzenden Tormann Johannes Brinkies, und traf schließlich per Kopf die Latte. Es sah gut aus, sieht man davon ab, dass das Tor fehlte. Auch Dressel verpasste mit einem furiosen Flachschuss das Gehäuse (27.). Es war so ähnlich wie beim Heimspiel gegen Meppen: Die Gäste standen hinten drin, manches Mal klärten sie sogar wie die Verteidiger der 1970er Jahren - mit Detlef-Pirsig-Befreiungsschlägen unters Stadiondach. Um so eine Deckung auszuhebeln, hat Sechzig ja den Draufgänger Keanu Staude verpflichtet. Aber Staude war noch nicht im Kader.

Nach dem Wechsel lässt die Körperspannung der Löwen nach, die Giftigkeit fehlt

Es blieben zur Pause diese Erkenntnisse: Sechzig gelang kein Treffer beim Spiel auf ein Tor; nach 45 Minuten waren die Grashalme in der Zwickauer Hälfte platt, weil sich das Geschehen nur dort abspielte; und 1860 benötigte nach der Pause variablere Spielformen, um zum Erfolg zu kommen.

Als nach dem Wechsel zunächst wenig passierte, ließ auch die Körperspannung der Löwen analog zum Spielgeschehen nach. Die Giftigkeit der ersten Hälfte fehlte. Auch die Überzeugung schien den Löwen abhanden zu kommen. "Positiv!", brüllte Torwart Marco Hiller von hinten nach vorne. Hiller stand in diesem zunächst einseitigen Spiel manchmal fast am Mittelkreis. An eine Parade erinnerte man sich nicht - bis die aus Löwensicht bittere 65. Spielminute kam. Hiller wehrte einen Flachschuss zur Seite ab, und Morris Schröter staubte zum 0:1 ab. Natürlich war das nicht verdient. Aber völlig überraschend war es auch nicht.

Und jetzt? Daniel Wein zwang Brinkies mit einem halbhohen Fernschuss zu einem Hüpfer ins rechte Toreck. "Weiter, Männer, weiter", rief Hiller von hinten. Aber es fehlte der geniale Einfall, die zündende Idee, vielleicht auch das Vermögen und das Personal, ein statisches Angriffsspiel zu variieren. Der Blick auf die Bank eröffnete wenig Alternativen, da saß weder eine Brechstange noch ein Außenstürmer, der die Zwickauer schwindelig spielen konnte. Köllner brachte Tallig, Semi Belkahia und Leon Klassen für Dennis Erdmann, Dressel und Lex, aber er brachte den Fans an den Fernsehern damit nur wenig Hoffnung.

Wo war ein Aufbäumen? Eine Schlussoffensive? Eine Chance? Wo waren jetzt die Löwen, die in Magdeburg geglänzt hatten?

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: