Doppel-Finale bei den US Open:"Ich pflücke vorne die Kirschen"

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Bissig in New York: Laura Siegemund steht im Doppel-Finale der US Open. (Foto: Jason DeCrow/dpa)

Laura Siegemund steht im Doppel-Finale der US Open, die sie 2020 mit Partnerin Vera Zvonoreva gewonnen hatte - allerdings in einem leeren Arthur Ashe Stadium. In diesem Jahr erlebte sie dort eine emotionale Partie im Einzel gegen Coco Gauff.

Von Jürgen Schmieder, New York

Wer vor Interview Room 3 im Arthur Ashe Stadium auf jemanden wartet, kann ein paar einzigartige Momente erhaschen bei den US Open. Man kann durch das kleine Tor am Ende des Ganges hinaus linsen auf den Platz; am Freitagnachmittag kam Ben Shelton im dritten Satz gegen Novak Djokovic zurück und erzwang einen Tie-Break. Das Publikum johlte, doch von dieser Position aus konnte man deutlich sehen, Djokovic stand beim Schweiß abtrocknen keine drei Meter entfernt, dass dies kein Wendepunkt in dieser Partie sein würde, sondern nur das Hinauszögern des Unvermeidbaren.

Den Tie-Break verpasst man, weil Laura Siegemund herbeigeeilt kommt. 6:4, 6:1 hatte sie das Doppel-Halbfinale mit ihrer Partnerin Vera Zvonoreva gegen Jennifer Brady und Luisa Stefani gewonnen; im Finale geht es am Sonntag vor dem Männer-Duell zwischen Novak Djokovic und Daniil Medwedew gegen Gabriela Dabrowski und Erin Routliffe. Während also draußen Djokovic sein Halbfinale beendet, beantwortet Siegemund, 35, Fragen von zwei Reportern aus der Heimat.

SZ: Frau Siegmund, Ihre US Open begannen hier im Arthur Ashe Stadium mit dieser emotionalen Partie gegen Coco Gauff, die nun im Einzel-Finale steht...

Laura Siegemund: Moment! Ich habe im Einzel Quali gespielt, das war irgendwo draußen auf Platz 16 oder so. Ich bin ja gefühlt schon seit fünf Wochen hier...

Im Einzel-Hauptfeld spielten Sie dann am ersten Abend des Turniers gegen Gauff; es war eine emotionale Partie über drei Sätze.

Ein tolles Erlebnis: Ich war dran - aber ich habe das hinter mir gelassen, jetzt zählt nur Doppel. Ich hatte eigentlich die komplette Saison, sämtliche Planungen aufs Doppel ausgelegt - aber dann sah ich die Gelegenheit, im Einzel dabei sein zu können. Warum nicht? Aber: Doppel hat Priorität; gerade, wenn man eine feste Partnerin hat wie ich, da hat man doch eine Verantwortung. Umso schöner, wenn es dann mal wieder fürs Finale in einem Grand Slam reicht.

Sie haben bei den US Open bereits zwei Mal triumphiert: 2016 im Mixed mit Mate Pavic, 2020 im Doppel mit Zvonoreva. Das Halbfinale heuer war ein Leckerbissen.

Es gibt Tage, da läuft es einfach. Wir wollten sehr offensiv spielen, weil wir gesehen haben, dass die anderen Gegner das nicht getan haben gegen das Serve-and-Volley-Spiel von Stefani. Wir haben uns gar nicht eingelassen auf die Ballwechsel, die den beiden liegen, sondern selbst von der Grundlinie aus Druck gemacht, variabel gespielt und hin und wieder auch unser Händchen am Netz gezeigt.

Ihre Stärke: Am Netz druck-, aber auch gefühlvoll sein.

Das ist unser Spiel: Vera ist von hinten aggressiv - und ich pflücke vorne die Kirschen. Dazu gehört auch, dass ich in der Defensive Punkte rette, die eigentlich schon verloren sind. Im Viertelfinale war ich damit nicht zufrieden, jetzt lief es am Netz viel besser. Es war eine der besten Partien, die wir miteinander gespielt haben. Das dürfen wir jetzt auch mal genießen, zumal wir am Samstag frei haben.

"Es gibt Tage, da läuft es einfach": Laura Siegemund (li.) und Vera Zvonareva bei den US Open. (Foto: Mathias Schulz/tennisphoto.de/Imago)

Ihre Partnerin hatte dieser Tage Geburtstag.

Da muss ich aber schon mal sagen: Bei mir daheim, da haben die Geschäfte länger auf als hier in New York. Ich bin los, Geschenk kaufen - und dann musste ich das Training um eine halbe Stunde nach hinten verschieben, weil die Läden hier erst um zehn Uhr aufmachen.

Zurück ins Arthur Ashe Stadium. Am Sonntag, 19 Uhr deutsche Zeit, geht es los.

Ich freue mich drauf, denn: 2020 hatte eine gewisse Komik. Man spielt im größten Tennisstadion der Welt - und es ist mucksmäuschenstill. Beim Matchball hat dann nur mein Freund geklatscht. Was mir damals klar wurde: Wie sehr die Atmosphäre auch das Spielerische beeinflusst - wenn das Adrenalin selbst in wichtigen Punkten nicht so da ist wie mit Zuschauern. Man merkt erst, wie viel das einem gibt, wenn Leute da sind. Die Anspannung kommt fast nur von außen, kaum von innen. Seitdem sage ich: Lieber sind die Leute gegen einen als gar keine Atmosphäre.

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