Dopingfälle im Sprint:"Athleten suchen Sündenbock"

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Schuldig? Oder reingelegt worden? Asafa Powell. (Foto: Getty Images)

Fitnesstrainer der jamaikanischen Sprinter Asafa Powell und Sherone Simpson wehrt sich gegen die Schuldzuweisung, er habe den Sportlern illegale Mittel verabreicht. Sprint-Legende Armin Hary fordert die Streichung aller Rekorde unter 10,0 Sekunden und der aktuelle Deutsche Meister fühlt Genugtuung.

Der Fitnesstrainer der in den Dopingskandal verwickelten Leichtathletik-Stars Asafa Powell und Sherone Simpson (beide Jamaika) hat sich zur Wort gemeldet und jede Schuld von sich gewiesen. "Beide Athleten sind eindeutig auf der Suche nach einem Sündenbock. Ich habe Asafa Powell und Sherone Simpson nicht mit verbotenen oder illegalen Substanzen versorgt. Alle von mir empfohlenen Vitaminpräparate wurden in seriösen Läden gekauft und waren große Marken. Die bei mir gefundenen Präparate wurden von der italienischen Polizei als legal befunden. Ich weiß nicht, was die Athleten zusätzlich genommen haben", teilte der Kanadier Christopher Xuereb in einer Stellungnahme mit.

Am Dienstag hatte der Manager der beiden Sprinter den Coach für die positiven Tests verantwortlich gemacht. Es müsse mit den von Xuereb verabreichten Nahrungsergänzungsmitteln zusammenhängen, sagte Powells Agent Paul Doyle. Man wolle nicht Xuereb die Schuld für alles geben, aber er sei derjenige gewesen, der die Präparate zur Verfügung gestellt hat.

Der frühere 100-Meter-Weltrekordhalter Powell und Simpson, die bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen mit der jamaikanischen Sprint-Staffel Gold gewonnen hatte, gehören zu den fünf jamaikanischen Leichtathleten, die bei den nationalen Meisterschaften im Juni positiv getestet wurden. Außerdem wurden die Diskuswerfer Allison Randall und Traves Smikle erwischt, der letzte Name ist noch nicht bekannt.

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Von den zehn schnellsten Sprintern der Geschichte sind bis heute nur zwei unbelangt: Der jamaikanische Weltrekord-Mann Usain Bolt und sein Kollege Nesta Carter. Alle anderen 100-Meter-Läufer in den Top Ten wurden als Doper überführt, gesperrt oder standen vor Gericht. Einer dealte sogar mit Heroin. Eine Übersicht.

Von Jonas Beckenkamp

In den Proben von Powell und Simpson wurde das Stimulanzmittel Oxilofrin gefunden. "Es scheint so, dass die Athleten meinen Anregungen oder den Wada-Richtlinien nicht gefolgt sind. Ich bin zuversichtlich, und dabei habe ich auch mit Wissenschaftlern und der Polizei gesprochen, dass ich nichts falsch gemacht habe. Es ist an der Zeit, dass die Athleten ihre Verantwortung übernehmen", ergänzte Xuereb und verwies darauf, dass es weitere positive Fälle von Athleten gegeben habe, mit denen er gar keinen Kontakt hatte. Es sei immer die gleiche Geschichte, dass Athleten einen Sündenbock für ihr Fehlverhalten suchen würden.

Die italienische Staatsanwaltschaft in Udine hatte im Zuge des Skandals Untersuchungen gegen Powell, Simpson und Xuereb eingeleitet und bei der Durchsuchung der Hotelzimmer in Lignano Sabbiadoro nicht identifizierte Substanzen konfisziert. Daraufhin bestellte die Justiz auch Trainer Stephen Francis von Powells Sprint-Klub ein, Carabinieri brachten ihn in eine Kaserne in der Adria-Ortschaft Lignano Sabbiadoro, um ihn zu befragen. In Italien gibt es im Gegensatz zu Deutschland ein Anti-Doping-Gesetz, wonach der Gebrauch oder die Verteilung verbotener Substanzen unter Strafe steht.

Die deutsche Sprint-Legende Armin Hary fordert als Reaktion auf die jüngsten Doping-Enthüllungen die Streichung der Sprint-Weltrekorde. "Man sollte einen Strich ziehen und sagen: Wir annullieren alle Weltrekorde im Sprint. Alles, was unter zehn Sekunden ist, streichen wir erst einmal", sagte der Olympiasieger von 1964 in einem Interview der Abendzeitung. "Ich will nicht sagen, dass dies der Tod der Leichtathletik ist, aber wir sind sehr, sehr krank", sagte Hary, der die 100 Meter als erster Mensch in 10,0 Sekunden gelaufen war.

Der inzwischen 76-Jährige erhob schwere Vorwürfe gegen Athleten, die des Dopings überführt sind. "Das tut mir alles sehr, sehr weh. Sie treten den Sport, den ich derart liebe, mit Füßen." "Man sollte diese Rekorde streichen, bis man sicher sein kann, dass die Leistungen wieder sauber errungen wurden", sagte Hary. Dafür seien drastische Strafen für überführte Dopingsünder notwendig. "Wir müssen die zehn Jahre, am besten lebenslang sperren", forderte er. "Wenn man das durchzieht, haben wir in fünf bis zehn Jahren wieder saubere Olympische Spiele."

Deutschlands derzeit bester Sprinter Julian Reus (25) reagiert mit Genugtuung auf die jüngsten Doping-Enthüllungen. "Wie schaffen es Leute, die vermutlich auch nicht mehr trainieren und opfern, so viel schneller zu sein als ich, und zwar auf einem konstant hohen Niveau das ganze Jahr über", fragte sich der deutsche Meister über 100 und 200 Meter im Gespräch mit der Tageszeitung Die Welt: "Ich verhehle nicht, dass ich mich also ein bisschen gut fühle, weil nun gewiss ist, dass diese vermeintlichen Ausnahmeläufer es nur mit verbotenen Mitteln schaffen. Das, was ich mir erarbeitet habe, bekommt dadurch einen höheren Wert", sagte Reus weiter.

Der Wattenscheider hat eine persönliche Bestzeit von 10,09 Sekunden. Im internationalem Vergleich befindet sich Reus damit unter ferner liefen. "Die Kluft dazwischen, wie sich der Sprint in Deutschland und der Sprint international entwickelt hat", sagte Reus, "ist so groß, dass es für uns nur gut sein kann. Von den historisch zehn schnellsten Männern über die 100 Meter sind inzwischen neun positiv getestet worden. Meine Hoffnung ist, dass unsere Leistungen in einem anderen Licht gesehen werden."

Einzig Weltrekordler Usain Bolt (Jamaika) ist von den zehn schnellsten Läufern bislang noch nicht in die Doping-Falle getappt - für Reus unerklärlich. "Da fragt sich mein gesunder Menschenverstand, wie das wohl sein kann. Zumal das Zeug, das einige der gedopten Jungs eingeworfen haben, enorme Leistungssprünge erahnen lässt", sagte er.

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