Dopingfall Sun Yang:Halbe Strafe für den Hammer

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Sun Yang: Dekoriert mit 16 WM- und sechs Olympia-Medaillen - und nun auch mit seiner zweiten Dopingsperre. (Foto: Liang Xu/Imago)

Zertrümmerte Blutproben, befangene Richter: Der spektakuläre Dopingfall um Schwimmer Sun Yang findet seine nächste Pointe. Der Cas reduziert die Sperre des Chinesen beinahe um die Hälfte - zu Gute kommen ihm gesetzliche Änderungen.

Von Saskia Aleythe, München

Wer täglich viele Stunden im Pool verbringt, bekommt vom Rest der Welt nicht viel mit. An dieser Tatsache ist nicht zu rütteln, Sun Yang hat sie selber schon mal angeführt, 2013, da war der Chinese erst 21 Jahre alt - und wurde dummerweise beim Fahren ohne Führerschein erwischt. Er hatte mit einem Porsche einen Bus gerammt, und - naja - das lag halt irgendwie auch am Schwimmen. Meinte er. Er kenne die Gesetze nicht so gut, rechtfertigte sich Sun Yang, das ganze Training habe nicht zugelassen, sich mit ihnen zu beschäftigen. Insofern könnte man ihm jetzt gratulieren: Zeit für die Welt außerhalb des Pools hat er erst mal genug.

Hatte es bis Dienstag noch eine Rest-Chance auf seine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio gegeben, so ist diese durch die erneute Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofs (Cas) erloschen: Vier Jahre und drei Monate Sperre verhängten die Richter, was zwar fast eine Halbierung des ursprünglichen Urteils bedeutete, aber eben auch das Tokio-Aus. "Eine gute Nachricht für die Integrität der Spiele und des Sports", kommentierte Weltrekordler Adam Peaty die Entscheidung in den sozialen Netzwerken - seines Zeichens britische Schwimmgröße -, fügte jedoch im selben Satz an: "Aber es hätte eine lebenslange Sperre sein müssen."

Schon im Februar 2020 war Sun Yang vom Cas in einem viel beachteten Prozess zu einer Acht-Jahres-Sperre verurteilt worden - bei einer Trainingskontrolle im September 2018 hatte ein Sicherheitsmann auf Anweisung der Mutter des 29-Jährigen eine Blutprobe mit einem Hammer zerstört. Die Kontrolleure hatten sich nicht ausreichend ausgewiesen, verteidigte sich die Entourage des Chinesen. Weil er bereits 2014 eine dreimonatige Sperre wegen Missbrauchs eines Herzmittels in den Akten stehen hatte, galt Sun Yang als Wiederholungstäter.

Doch mit der Acht-Jahres-Sperre wollte er sich nicht abfinden, und weil das Internet wie im Falle seines Porsche-Abenteuers nicht vergisst, konnte er das erste Cas-Urteil erfolgreich anfechten: Der vorsitzende Richter hatte in der Vergangenheit chinesische Tierquäler auf Twitter mit rassistischen Ausdrücken belegt, das Schweizer Bundesgericht erklärte ihn für befangen - was nun zum neuerlichen Verfahren mit komplett neu besetztem Schiedsgericht führte.

Die Änderungen im Anti-Doping-Code wurden zehn Monate nach dem ersten Urteil wirksam

Dieses kam zu dem Schluss, Sun Yang habe "rücksichtslos" gehandelt, indem die Mitnahme der Blutprobe durch die Kontrolleure verhindert wurde. Dass die Sperre verkürzt wurde, begründete die Kammer mit den erst seit diesem Jahr gültigen Änderungen im Anti-Doping-Code des Welt-Schwimmverbandes (Fina). Im ersten Urteil wurde die Vier-Jahres-Sperre noch aufgrund des wiederholten Vergehens verdoppelt, nun lassen die Regeln bei mehrmaligen Dopingverstößen eines Athleten einen größeren Spielraum bei der Bestrafung zu - aufgrund einer "Beachtung der Gesamtumstände". Und da kamen Sun Yang nun die nur spärlich mit offiziellen Dokumenten ausgerüsteten Kontrolleure zu Gute.

Ein Szenario wie bei der WM 2019 bleibt der Schwimm-Welt nun erspart: Damals hatten die Vorfälle um Sun Yang zu Verwerfungen geführt, der Australier Mack Horton boykottierte eine gemeinsame Siegerehrung wie später auch Großbritanniens Duncan Scott. Die Fina hatte den Chinesen für die verhängnisvolle Nacht 2018 lediglich verwarnt und ihn zur Medaillenjagd starten lassen, erst auf Hinwirken der Welt-Anti-Doping-Agentur wurde das Verfahren am Sportgerichtshof eingeleitet. Schon von Sun Yangs Medikamenten-Missbrauch 2014 hatte man erst erfahren, als die Sperre schon abgesessen war.

Erst im Juni 2024 wird Sun Yang wieder schwimmen können, die neuerliche Sperre wurde rückdatiert auf den Zeitpunkt des ersten Urteils - bei den Spielen in Paris wäre der dreimalige Olympiasieger 32 Jahre alt. Zu alt für ein Comeback? Er werde nicht aufgeben, sagte der Schwimmer chinesischen Medien, sein Anwalt bezeichnete ihn als "Opfer politischer Posen". Klingt ganz so, als wäre die letzte Pointe in diesem Fall noch nicht erzählt.

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