Doping-Ermittlungen im Radsport:Festplatten im Visier

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Der spanische Doping-Arzt Fuentes gerät stärker unter Druck - das BKA hat neue Beweise. Zudem fordert die Staatsanwaltschaft Bonn von den spanischen Behörden die Herausgabe von fünf Festplatten aus der Fuentes-Razzia.

Thomas Kistner, Javier Cáceres, Freddie Röckenhaus

Auf Markus Choina, Narkosearzt aus Bad Sachsa im Südharz, kommt viel Ungemach zu. Nach den Aussagen, die der deutsche Radprofi Jörg Jaksche beim BKA gemacht und in der ARD-Sendung Blut und Spiele vor der Kamera sowie gegenüber der SZ wiederholt hat, dürfte Choina als Helfer des spanischen Doping-Arztes Eufemiano Fuentes feststehen. Jaksche bezeugte, Choina habe bei ihm mehrfach Bluttransfusionen zu Dopingzwecken durchgeführt. Die Honorare dafür habe er jedoch stets auf ein Schweizer Konto von Fuentes bei der HSBC-Bank in Genf überwiesen - auf das Jaksche auch für die Leistungen von Fuentes selbst einzahlte.

Der Radsport im Dopingsumpf: Das BKA hat neue Beweise gegen den spanischen Doping-Arztes Fuentes. (Foto: Foto: (dpa))

Aus spanischer Sicht war bisher wohltuender Stillstand in der Fuentes-Affäre eingetreten. Antonio Serrano, ein bemerkenswert passiver Ermittlungsrichter, hatte - wie erst jetzt herauskommt - nach der aufsehenerregenden Razzia im Mai 2006 gleich die fünf brisantesten Beweismittel gegen Fuentes und Co. aus dem Verkehr gezogen. Serrano, durchaus angesehener Richter des Gerichts 31 in Madrid, hatte den Polizisten der Guardia Civil untersagt, die beschlagnahmten Computerfestplatten der Festgenommenen auszuwerten. Dies betraf neben Fuentes auch dessen Partner, den Hämatologen Merino Battres, sowie Radsport-Drahtzieher Manolo Saiz. Dieser, Gründer der Rennstall-Vereinigung Pro Tour, gilt als zentraler Hintermann der Dopingszene.

Serrano versuchte sogar, das Verfahren gegen den Dopingpaten ganz einzustellen. Begründung: Das Treiben von Fuentes und Partnern habe "die öffentliche Gesundheit nicht gefährdet''. Der spanische Ex-Radprofi Jesus Manzano sieht das anders. Er beklagt, dass er durch die brutalen Praktiken zweimal in Lebensgefahr schwebte, als er noch für den Rennstall Kelme bei der Tour de France fuhr - und Fuentes Teamarzt bei Kelme war. Auch deshalb läuft gegen die Verfahrenseinstellung ein Einspruchsverfahren.

Transfusionen in Hannover

Durch die Aussagen Jaksches und durch Ermittlungen des BKA dürfte nun aus Deutschland massiv Druck auf Richter Serrano entstehen. Denn das BKA ermittelte, dass Fuentes gemeinsam mit Choina bereits vor der Tour 2005 auf deutschem Boden aktiv war. Damals sollen Choina und Fuentes bei Italiens Rad-Heros Ivan Basso im Maritim-Hotel Hannover Blut-Transfusionen durchgeführt haben. Basso behauptete gegenüber den italienischen Behörden, er habe nie gedopt. Seine bei Fuentes gefundenen Blutbeutel seien nur für ein geplantes Doping bei der Tour 2006 vorgesehen gewesen. Zum Vollzug sei es nicht gekommen.

Noch mehr Druck droht Serrano und vor allem Fuentes und Co. von einem ungewöhnlichen Schritt der Staatsanwaltschaft Bonn. Die ermittelt noch immer gegen Ullrich und andere, mit bisher sehr bescheidenem Erfolg. Nun sollen die Bonner bei den spanischen Behörden die Herausgabe der fünf Festplatten aus der Fuentes-Razzia quasi mit der Brechstange fordern. Dies soll per "Beschlagnahmeanordnung'' geschehen, die dem Gericht in Madrid zugestellt wird. Die Beschlagnahme würde bisher von Serrano zurückgehaltene Beweismittel gegen Fuentes betreffen - sie würden sozusagen aus der Asservatenkammer heraus beschlagnahmt.

Der Bonner Staatsanwalt Fred Apostel wollte dies gegenüber der SZ nicht bestätigen. Allerdings wird in spanischen Polizeikreisen die Aktion der Bonner für ungeeignet gehalten. Serrano hatte im Verlauf der Affäre mehrere Male Amtshilfeersuchen aus Deutschland abgelehnt. Er werde dies wieder tun. So durften im März zwar DNA-Proben aus Ullrichs Blutbeuteln abgezapft werden. Ähnliche Ersuchen für Proben des spanischen Ex-Telekom-Fahrers Oscar Sevilla wurden aber abgelehnt, obwohl auch gegen Sevilla in Bonn ermittelt wird.

Die Wirkung der Omertà

So verdichtet sich der Eindruck, dass Serrano auf Einfluss "von ganz oben'' handelt. Spätestens als Fuentes einem Reporter der französischen Le Monde auftischte, er habe auch Fußballer von Real Madrid und Barcelona zu seiner Klientel gezählt, wurde erkennbar, wie aufreizend die Zurückhaltung der spanischen Justiz ist. Fuentes hatte dem Reporter sogar Trainings- und Dopingpläne ausgehändigt, die der Franzose nach eigenen Angaben bei seinem Anwalt verwahrte. Fuentes bestritt später, mit Le Monde über Fußball gesprochen zu haben. Der Reporter indes behauptet, er habe davon einen Tonband-Mitschnitt. Dass vor allem Real Einfluss auch in Regierungskreisen hat, könnte erklären, warum die spanische Justiz Fuentes offenbar aus der Schusslinie nehmen will. Ausgezahlt hat sich die spanische Omertà bereits. Offenkundig wurden nachträglich Codenamen spanischer Radprofis aus den kursierenden Ermittlungsakten der Guardia Civil getilgt, Spaniens triumphalem Sportsommer stand nichts mehr im Wege: Neben Tour-Sieger Alberto Contador jagten fünf Iberer unter die ersten Zehn, 21 Spanier platzierten sich unter die ersten 50.

Die Guardia Civil, die sich in ihren Ermittlungen jäh ausgebremst sah, verfolgt nun die Aktivitäten in Deutschland mit stiller Freude. Offiziell will man sich nicht äußern. Aber im Idealfall würde es den Deutschen auf der Basis der Kooperation von Fuentes und Choina in Deutschland endlich gelingen, die Festplatten zu sondieren - und damit Einblick in mutmaßlich entscheidende Vorgänge zu nehmen. Allein im Mail-Verkehr der Computer, so der Anfangsverdacht, dürften sich klare Belege finden, dass es bei Eufemiano Fuentes nicht nur um Doping und Gesundheit, sondern um Steuerhinterziehung und Geldwäsche gegangen sein könnte. Nach vorsichtiger Schätzung dürfte Fuentes sechs Millionen Euro pro Jahr im Dopinggeschäft verdient haben. Das meiste davon lief wohl über Schweizer Konten.

© SZ vom 18.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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