Novak Djokovic:Er bleibt ein Mann der Widersprüche

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Will sich weiterhin nicht impfen lassen - auch wenn er dann bei den French Open und in Wimbledon nicht antreten können sollte: Novak Djokovic. (Foto: Oscar Gonzalez/NurPhoto/Imago)

Tennisprofi Djokovic sagt in einem Interview zu seinem Fall bei den Australian Open, er sei kein Impfgegner, will sich aber nicht impfen lassen - und würde auch Titel opfern. Die Entscheidung ist zu respektieren, das Problem ist seine Argumentation.

Kommentar von Gerald Kleffmann

Novak Djokovic sagt, er sei kein Impfgegner. Aber was wäre, wenn man bei den French Open oder in Wimbledon nur geimpft antreten könne, was nach derzeitiger Lage wahrscheinlich ist? Würde er, der seinen 20 Grand-Slam-Titeln weitere hinzufügen will, auf die Teilnahmen verzichten? "Ja, das ist der Preis, den ich bereit bin zu zahlen", sagt Djokovic. Würde er gar auf die Chance verzichten, als größter Spieler in die Historie einzugehen? Weil seine Ablehnung gegen den Pieks so stark sei? "Ja", sagt Djokovic. So sehr ist Djokovic kein Impfgegner, dass er auf seine größten Träume verzichten würde?

Man mag in dieser Argumentation einen Widerspruch erkennen, aber wenn das am Dienstag in der BBC veröffentlichte Interview etwas bestätigte, ist es ohnehin eine bestehende Erkenntnis: Novak Djokovic, 34, bleibt ein Mann der Widersprüche. Man hat auch jetzt nicht den Eindruck, dass da einer alles offenlegt zu einem Thema, das Mitte Januar die Tenniswelt verrückt gemacht hatte. Das Anwälte und Gerichte beschäftigte und ranghöchste Politiker eines Kontinents. Als Ungeimpfter wollte Djokovic von einer umstrittenen Ausnahmeregel Gebrauch machen und bei den Australian Open um seinen zehnten Titel kämpfen. Nach Tagen zwischen Abschiebehotel, Trainingsplatz und Gericht war sein Visum von Einwanderungsminister Alex Hawke kassiert worden.

Umstrittener Tennisprofi
:Djokovic: Lieber Wimbledon-Aus als Corona-Impfung

Tennisprofi Novak Djokovic will sich auch weiterhin nicht gegen das Coronavirus impfen lassen. Dafür würde der Serbe sogar auf Grand-Slam-Turniere verzichten.

Djokovic hebt nun die Gefahr des Coronavirus und die Bedeutung einer Impfung hervor. Weil die Pandemie die Gesellschaft natürlich belaste. Gleichzeitig schert er aus dieser beschworenen Gesellschaft aus, indem er den wichtigsten Solidarbeitrag verweigert: die Impfung. Djokovic will sich zwar offenhalten, sich impfen zu lassen, "alle zusammen" würden ja versuchen, "die bestmögliche Lösung zu finden, Covid zu beenden". Djokovic suggeriert dabei nur einen Zustand, als gäbe es nicht längst wirksame Impfstoffe, nicht zehn Milliarden global verabreichter Vakzine, keine hohe medizinische Sicherheit. Die Sicht erstaunt umso mehr, da Djokovic intelligent ist, fast ein Dutzend Sprachen spricht. Aber: Er hat auch ein Faible für esoterische Schwurbler. Er ist ein Fan eines selbsternannten Alchimisten, der meinte, dreckiges Wasser mit Gedanken reinigen zu können. Das ist der andere Djokovic. Nicht der BBC-Djokovic.

Djokovic spricht gerne von verantwortungsbewusstem Handeln - trotz Infektion ging er aber unter die Leute

Ihm ist anzurechnen, dass er die Konsequenzen seiner Impfverweigerung hinnimmt. Er liegt auch richtig, wenn er sagt, er sei nicht wegen Gesetzesbruchs abgeschoben worden. Hawke hatte sein Urteil damit begründet, Djokovic stelle als prominenter Impfskeptiker eine Gefahr für die öffentliche Ordnung dar und könne die Anti-Vax-Bewegung befeuern. Dies bestritt Djokovic nun, er hätte nur nie die Möglichkeit gehabt, dies darzulegen. Auch hier lässt er eine Wahrheit weg. Millionen hätten ihm ja sofort zugehört, wäre es ihm ein Anliegen gewesen, sich von Impfgegnern abzugrenzen. Hat er aber nicht getan.

Am schwersten wiegt aber nicht mal die Frage, ob er sich nun impfen lässt oder nicht, eine offene Gesellschaft sollte diese im Zweifel aushalten können. Am schwersten wiegt, dass Djokovic von verantwortungsbewusstem Handeln spricht - und deshalb etwa nachvollziehbar selbst entscheiden will, was er seinem Körper zuführe -, sich selbst indes komplett verantwortungslos verhielt. Trotz Infektion brach er vor der Abreise nach Melbourne bewusst gesetzliche Quarantäne-Regeln, ging unter die Leute, gefährdete auch Kinder. Und Zweifel, ob sein Positivtest im Dezember wirklich valide war, konnte er auch jetzt nicht überzeugend ausräumen. Ob er von einer Manipulation wisse, wurde er gefragt. Er antwortete lapidar nur: "Nein."

Nein, in diesem Interview hatte Djokovic nur zum Teil "für klare Verhältnisse gesorgt", wie er später bei Twitter meinte. Er bog sich seine Welt zurecht, nach dem Prinzip der kognitiven Dissonanz. Es gelten nur jene Argumente, die ihm nützen. Er ahnt sicher: Die Zeit spielt für ihn. Er könne gerade nicht zu vielen Turnieren reisen, sagte Djokovic und schob nach: "Im Moment." Ab Montag ist er erstmals wieder im Einsatz. In Dubai. Dort gilt keine Impfpflicht für Sportler.

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