Die Kunst der Bewegung: Weitsprung:Am Balken der Wahrheit

Lesezeit: 1 min

Wie funktioniert Weitsprung? Bei höchster Geschwindigkeit den Balken zu treffen und seinen Körper in eine neue Richtung zu bewegen, ist sehr kompliziert. Mit Video.

Thomas Hahn

Der Weitsprung wirkt von außen wie eine sehr schlichte Disziplin, was wohl auch daran liegt, dass fast jeder in der Schule schon einmal Weitsprung betrieben hat und die Übung als einigermaßen anspruchslos empfunden hat. Für die Hochleistungsweitspringer hingegen ist sie durchaus kompliziert, was man schon an der enormen Streuung der Leistungen sieht, die viele Weitspringer aufweisen.

Das Brett zu treffen ist dabei nur das eine Problem, Weitspringer haben ihre Schrittlängen genau ausgemessen, um möglichst wenig Weite beim Absprung zu verlieren. Das größere Problem aber ist, bei hoher Geschwindigkeit, den Körper innerhalb eines Augenblicks in eine neue Richtung zu bewegen.

Das ist für die meisten Weitspringer nicht beliebig zu wiederholen, weil schon Fehler zu markanten Zentimeterverlusten führen, die der Springer gar nicht als Fehler wahrnimmt. "Minimale Veränderungen in der Lage des Unterschenkels, des Oberschenkels, des Rumpfes führen zu dramatischen Änderungen in Bezug auf Kräfte und Muskeltätigkeit", sagt Biomechanik-Professor Gert-Peter Brüggemann.

Bei den Weltmeisterschaften 1991 in Tokio kam es zu einem denkwürdigen Weitsprungwettkampf, mit zwei Meistern ihres Fachs, den Amerikanern Carl Lewis und Mike Powell ( siehe Video), die diese Wiederholbarkeit sehr weiter Sprünge in den Griff bekommen hatten. Beide waren Vertreter des Hitch-Kicks, also der Laufsprungtechnik, bei der es so aussieht, als laufe der Springer durch die Luft, im Gegensatz zur Hangsprungtechnik, die zum Beispiel der deutsche Hallen-Europa-Rekordler Sebastian Bayer ausübt und bei welcher der Springer die Beine nach dem Absprung ausgestreckt am Oberkörper anlegt.

Ansonsten aber zeigten Lewis und Powell zwei ganz unterschiedliche Weitsprung-Strategien. Lewis, ein exzellenter Sprinter, der damalige 100-Meter-Weltrekordler, kam mit hoher Geschwindigkeit ans Brett. Er sprang mit einem Abflugwinkel von etwa 18 Grad ab, seine Flugkurve war flach, seine ganze Bewegung in den Sprung hinein wirkte harmonisch.

Powell war langsamer im Anlauf, er hob seine Knie beim Laufen höher, und sackte auch in den letzten zwei Schritten vor dem Absprung mit seinem Schwerpunkt tiefer ab, sprang deshalb steiler ab als Lewis, etwa mit 22 Grad, und kompensierte diesen Nachteil durch schiere Kraft beim Absprung. Powell gewann damals mit dem immer noch gültigen Weltrekord von 8,95 Meter gegen Lewis, der auf windunterstützte 8,91 Meter kam. Die Beobachter sagen bis heute, der bessere Weitspringer, zumindest der elegantere, habe verloren.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: