DFB-Stürmerin Célia Šašić:Taschentücher für die Heimreise

Lesezeit: 3 min

Célia Šašić: Erschrocken vom eigenen Fehlschuss (Foto: AFP)
  • Célia Šašić verschießt im WM-Halbfinale gegen die USA einen wichtigen Elfmeter - dabei gilt sie sonst als sichere Schützin.
  • Danach ist die DFB-Stürmerin untröstlich.
  • Den Spielplan zur WM der Frauen in Kanada finden Sie hier.

Von Kathrin Steinbichler, Montréal

Gefühle können einen Menschen schon mal zu Boden drücken, ganz unsichtbar, aber äußerst wirkungsvoll. Und so hatte Célia Šašić jetzt Mühe, in den grell ausgeleuchteten Stadionkatakomben von Montréal die letzten Meter dieses Abends zu gehen. Der Mannschaftsbus draußen vor dem Tor schien in dem Moment so weit weg wie die Chance auf den WM-Titel.

"Beschissen" fühle sie sich, sagte Šašić nach dem 0:2 (0:0) im Halbfinale gegen die USA, auch das zerknüllte Taschentuch in ihrer Hand konnte ihre Tränen nicht aufhalten. Die Stürmerin der deutschen Frauenfußball-Nationalelf, die nach einer Stunde einen Foulelfmeter zur Führung vergeben hatte, war in dieser Nacht das verkörperte Elend.

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"Es tut mir leid", sagte die 27-Jährige, bevor ihr kurz die Stimme wegbrach. "Die ganzen Gesichter danach zu sehen . . . Vielleicht wäre es anders ausgegangen, wenn der reingegangen wäre."

Ihre Kolleginnen aber wussten bereits, dass auch ein verwandelter Elfmeter diesmal wohl nicht genug gewesen wäre. Schon im Viertelfinale gegen Frankreich hatten sich die Deutschen nur durch Elfmeter durchgesetzt. Diesmal, gegen eine spielerisch überzeugende und durchaus taktisch gewitzte US-Elf, genügte das Vertrauen in die Standards einfach nicht. Der kraftraubende Offensivwirbel, der die Deutschen in der Vorrunde noch zur torreichsten Mannschaft gemacht und bei den Gegnern für Respekt gesorgt hatte, war in der K.-o.-Runde von Spiel zu Spiel mehr verkümmert. Im steten Lärm der 51 176 Zuschauer im Stade Olympique von Montréal kamen die nötige Kreativität und auch der Mut endgültig zum Erliegen.

"Letztendlich hatten die Amerikanerinnen die besseren Chancen und haben verdient gewonnen", stellte Annike Krahn fest. Auch die Innenverteidigerin hatte verweinte Augen, als sie aus der Kabine auftauchte, auch sie kämpfte mit den Emotionen: "Wir haben ganz ordentlich gespielt, aber leider nur bis 20 Meter vor dem Tor." Echte Torchancen, räumte Krahn ein, "haben wir uns nicht erarbeitet".

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Bis auf das eine Mal, als Alexandra Popp in eine Kopfballrückgabe von Julie Johnston sprintete und kurz vor dem Torschuss von der Innenverteidigerin umgerissen wurde. Johnston tobte und gestikulierte und redete auf die Schiedsrichterin ein, am Ende kam sie doppelt ungeschoren davon: Erst sah sie nur Gelb für das klare Verhindern einer Torchance, obwohl dafür ein Platzverweis im Regelbuch steht - dann setzte auch noch Sasic den Foulelfmeter neben das Tor (60.).

Zuvor war Stürmerin Šašić noch vom Punkt abgedreht, was ungewohnt für sie ist. Zu nahe hatte sich dort Hope Solo aufgebaut, die US-Torhüterin machte keine Anstalten, den Weg frei zu machen. "Wir hatten vorher darüber gesprochen, was ist, wenn es Elfmeter gibt", erzählte anschließend Abby Wambach. "Wir waren uns einig: Hope soll versuchen, die Situation so lange wie möglich hinauszuzögern, damit die Deutschen ins Grübeln kommen." Ein simpler Trick der psychologischen Kriegsführung, in der das US-Team den sichtlich aufgeregten Deutschen an diesem Abend deutlich überlegen war.

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Schon bei der Aufstellung hatte US-Trainerin Jill Ellis gezeigt, dass ihr Team gewillt war, für dieses spezielle Spiel zu speziellen Maßnahmen zu greifen. Statt des üblichen amerikanischen 4-4-2 schickte Ellis eine 4-2-3-1-Formation aufs Feld. Im Mittelfeld bekam Kapitänin Carli Lloyd so dank der Defensivarbeit der 22-jährigen Morgan Brian die Möglichkeit, immer wieder ihre offensiven Stärken auszuspielen. Wie schon gegen Frankreich, das mit einer ähnlichen Taktik für Überzahlsituationen gesorgt hatte, wusste die deutsche Elf darauf keine Antwort - und Lloyd erfüllte ihre Aufgabe so, wie sie es sich vorgenommen hatte: mit einem Tor und einer Torvorlage.

"Ich habe mir in den vergangenen Jahren den Arsch abtrainiert, um genau für diese Momente vorbereitet zu sein", meinte Lloyd später. Sie zögerte deshalb nicht, als es nach dem verschossenen Elfmeter der Deutschen plötzlich auch einen für die USA gab. Schon in der ersten Halbzeit hatte Alex Morgan Torhüterin Nadine Angerer zu zwei Glanzparaden gezwungen. Jetzt machte sich die Stürmerin, die in der US-Liga mit Angerer in Portland zusammenspielt, erneut mit dem Ball Richtung Strafraum auf. Krahn konnte sie nur durch ein Foul stoppen - allerdings sichtlich vor der Strafraumgrenze.

"Ich wollte schon die Mauer für den Freistoß stellen", sagte Angerer. Anders als zuvor auf US-Seite regte sich bei den Deutschen aber auch bei der Strafstoßentscheidung kaum Widerstand. Carli Lloyd ließ Angerer mit ihrem platzierten Schuss keine Chance (69.), genau wie später bei ihrem Querpass, den die eingewechselte Kelley O'Hara zum 2:0 über die Linie drückte (84.). Šašić dagegen resümierte: "Klar ist, dass wir es nie geschafft haben, so richtig torgefährlich zu werden." Im Spiel und auch aus elf Metern nicht.

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© SZ vom 02.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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