DFB-Remis gegen Australien:Löw lebt seine Freiheit aus

Lesezeit: 3 min

Joachim Löw (re.): Viel Spaß am Ausprobieren (Foto: AFP)
  • Ein 2:2 gegen Australien? Wäre vor einem Jahr eine Katastrophe gewesen beim DFB-Team.
  • Doch als Weltmeister ist Joachim Löw selbstbewusster denn je - und hat für seine Ziele Rückschläge bewusst einkalkuliert.
  • Ergebnisse im Fußball finden Sie hier.

Von Carsten Eberts, Kaiserslautern

Joachim Löw hatte es eilig, doch er hetzte nicht. Geduldig bahnte er sich den Weg durch die Menschen. Grüßte hier einen, schüttelte dort eine Hand. Die Vermutung, Löw könne sich auf der Flucht befinden, erwies sich als grundlegend falsch.

Nur 2:2 im Freundschaftsspiel gegen Australien. Der Gedanke, was auf den Bundestrainer noch vor einem Jahr bei einem solchen Resultat eingeprasselt wäre, kam auf am späten Mittwochabend hoch oben auf dem Betzenberg. Löw hätte zerknirscht erklären müssen, weshalb seine Mannschaft gegen die Nummer 65 der Weltrangliste nicht dominanter aufgetreten war. Wie er bloß auf diese taktische Formation gekommen sei. Und überhaupt auf diese Aufstellung.

Am Ende hätte manch einer, wenn auch hinter vorgehaltener Hand, die Eignung von Löw als Bundestrainer in Frage gestellt. Das könne ja heiter werden, beim nächsten großen Turnier, hätte es geheißen. Wobei Löw dort ja sowieso wieder keinen großen Titel würde gewinnen können.

Nun ist Löw, seit der WM in Brasilien, ein Weltmeister-Trainer, und die Wahrnehmung eine völlig andere. Er darf machen, fast was er will. Kritik muss er nicht fürchten. Löw umgibt eine besondere Aura, das war in Kaiserslautern zu beobachten: Aus dem bemühten, manchmal schmallippigen Coach ist ein äußerst selbstbewusster Trainer geworden.

Auch nach solchen Testspielen. Schön sei der Vortrag gegen die Australier nicht gewesen, erklärte Löw völlig zu Recht. Aber das habe er auch nicht erwartet. Vor allem in der zweiten Halbzeit war die Partie unrund und hektisch. Marco Reus hatte das DFB-Team zwar in Führung gebracht (17.), ehe die Australier durch Troisi (40.) und Jedinak (50.) die Partie kippten. Hätte der eingewechselte Lukas Podolski kurz vor Schluss nicht den Ausgleich erzielt (81.), die DFB-Elf hätte den Auftakt ins Länderspieljahr sogar verloren.

Löws Erklärung? Fast lapidar. Er habe experimentieren wollen, neue Dinge testen, ausprobieren. Dass das Spiel mit zwei Stürmern vorne kaum Ertrag brachte? Nicht so schlimm. Und die vielen verlorenen Zweikämpfe gegen die zweitklassigen Australier? Hatte er registriert. "Vieles ist nicht ganz so gut gelungen", sagte Löw. Dann lächelte er. Am Sonntag, im wichtigen EM-Qualifikationsspiel in Tiflis gegen Georgien, werde sich die Mannschaft wieder weltmeisterlicher präsentieren.

DFB-Team in der Einzelkritik
:Danke, liebes Publikum

Lukas Podolski grinst schon vor seinem Tor. Benedikt Höwedes wird von einem Zweitligaprofi brummkreiselig gespielt. Und Mesut Özil muss nun in London wieder aufgerichtet werden. Die DFB-Elf beim 2:2 gegen Australien in der Einzelkritik.

Von Carsten Eberts, Kaiserslautern

Löw wirkte entspannt, dabei hatte er personell stärker umbauen müssen, als es ihm lieb gewesen sein mag. Einige Weltmeister fehlten verletzt, etwa Torwart Manuel Neuer, andere wurden geschont (Müller, Schweinsteiger, Kroos, Hummels). Inmitten dieser Umbauten versuchte Löw, in der Defensive eine Dreierkette zu implementieren. Vorne begann er zudem mit zwei Spitzen, Mario Götze neben Reus, obwohl beide nicht als klassische Mittelstürmertypen gelten und sich gemeinsam entsprechend schwer taten.

Die Dreierabwehrkette hat Löw dann bereits zur Halbzeit aufgelöst, das Experiment zumindest für diesen Moment als gescheitert erklärt. Er habe die Variante testen wollen - mit Mustafi, Höwedes und Badstuber. Doch man habe die Dreierkette "nicht so viel trainieren können", gestand Löw. Als Badstuber angeschlagen raus musste, stellte er lieber wieder auf Viererkette um. Seine Spieler nahm der Bundestrainer in Schutz: "Man kann nicht erwarten, dass alles funktioniert, wenn man sich monatelang nicht sieht."

Khedira verlässt Real Madrid
:"Möchte einen neuen Reiz in meiner Karriere setzen"

Sami Khedira wird in der kommenden Saison nicht mehr für Real Madrid auflaufen. In einem Interview verkündet der Nationalspieler seinen Abschied - doch wo zieht es ihn nun hin?

Darum ging es dem Bundestrainer: Verständnis. Vom DFB hat er vor wenigen Wochen eine Art Freifahrtschein erhalten, dass er künftig auch experimentieren darf. Sein Vertrag wurde bis 2018 verlängert, nach seinen Wünschen. Er ist dabei, einen Prozess einzuläuten, will das taktische Spektrum des Teams erweitern. Kleinere Rückschläge bewusst einkalkuliert. Löw darf das jetzt, und er macht es.

Auch die Spieler wollten der Leistung im Testspiel keine größere Wichtigkeit zukommen lassen. "Luft nach oben", hatte İlkay Gündoğan bemerkt. Man habe nur "zum Teil umsetzen können, was wir uns vorgenommen hatten", erklärte Sami Khedira. Die Mannschaft wisse um den Ernst der Lage in der EM-Qualifikationsgruppe, in der die DFB-Elf aktuell nur auf Rang drei liegt. "Um uns", sagte Khedira, "muss sich keiner Sorgen machen."

Kleine Erkenntnisse hatte Löw schon gewinnen können. Etwa, dass Jonas Hector auf links offensiv eine Bereicherung sein kann, defensiv aber Schwächen hat. Auch dass die ewig verletzten Badstuber und Gündoğan in der Planung endlich wieder eine Rolle spielen. Den Fauxpas mit der Dreierkette zog Löw als Beispiel für den eingeläuteten Prozess heran. Wenn Fehler gemacht würden, dann doch bitte in Testspielen, sagte er: "Es wird Zeit benötigen, wenn wir flexibel werden wollen."

Wie lange? Er wollte sich nicht festlegen. "Vielleicht anderthalb Jahre, vielleicht drei", sagte Löw, was im Fußball ein sehr weit gefasster Zeitraum ist. Löw will sich diese Zeit nehmen. So spricht nur einer, der sich seiner Sache sehr sicher ist.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: