DFB-Pokal:Neun Tore im Tollhaus

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DFB-Pokal, wie man ihn liebt: Die SpVgg Bayreuth durfte gegen den Bundesligisten Arminia Bielefeld zwischenzeitlich sogar vom Weiterkommen träumen. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Nach 15 Jahren kehrt Fußball-Regionalligist SpVgg Bayreuth in den DFB-Pokal zurück - und verlangt dem Bundesligisten Arminia Bielefeld bei der 3:6-Niederlage in der ersten Pokalrunde alles ab.

Von Christian Bernhard

Als das Spiel vorbei war, die Emotion aber noch ganz frisch, überkam Stefan Maderer ein kleiner philosophischer Anflug. Enttäuscht seien er und seine Teamkollegen, "aber das Leben geht weiter", sagte der Stürmer der SpVgg Bayreuth, die am Samstag einen Fußballtag erlebte, an den sie sich noch lange erinnern wird. "Für Bayreuth war das heute etwas ganz besonderes", sagte Geschäftsführer Wolfgang Gruber nach dem spektakulären 3:6, mit dem sich der Regionalligist gegen den Bundesligisten Arminia Bielefeld stolz aus dem DFB-Pokal verabschiedete. Bis auf das Wetter sei er auf alles "megastolz", sagte Gruber, er könnte "fast heulen". Bayreuths Trainer Timo Rost sprach nach dem packenden Pokalkampf von einem "überragenden Fußballfest", das sich der Verein gewünscht habe. Und das er bekommen hatte: Die Partie sei "für jedermann hier" ein Spektakel gewesen, betonte Maderer, "für uns Spieler, für die Zuschauer. Wir nehmen so viel daraus mit."

15 Jahre hatte die SpVgg auf ein DFB-Pokalspiel warten müssen, und dass sie alles dafür tun würde, die Rückkehr auf die große nationale Fußballbühne zu zelebrieren, wurde nicht nur bei den 5000 euphorisierten Zuschauern deutlich, die maximal zugelassen waren, sondern auch auf dem Platz. Die Bayreuther seien "immer intensiv unterwegs" gewesen, unterstrich Bielefelds Trainer Frank Kramer, "sie haben uns alles abverlangt, wir mussten heute richtig an die Grenze gehen." Dabei verfehlten die Oberfranken eines der Hauptziele, die Trainer Rost vor der Partie ausgegeben hatte: bloß nicht früh in Rückstand geraten.

Schon in Minute elf lag die SpVgg nach dem Tor von Jacob Laursen mit 0:1 zurück, aber nur drei Minuten später, als es gerade angefangen hatte zu regnen, erzielte Ivan Knezevic das 1:1. Kapitän Fabian Klos (28.) bescherte Bielefeld die 2:1-Pausenführung. "Wir hoffen jetzt auf Schnee in Halbzeit zwei", twitterte die SpVgg in der Pause - damit spielte sie auf das DFB-Pokalspiel im Januar 1980 an, als die Bayreuther den großen FC Bayern um Paul Breitner, Karl-Heinz Rummenigge und Klaus Augenthaler auf dem schneebedeckten Bayreuther Rasen sensationell mit 1:0 bezwangen. Bis heute ist das einer der größten Erfolge in der nunmehr 100-jährigen Geschichte des Vereins.

"Wir hoffen jetzt auf Schnee in Halbzeit zwei", twitterte die SpVgg in der Pause - und spielt damit auf den sensationellen DFB-Pokalsieg gegen den FC Bayern im Januar 1980 an

Schnee kam am Samstag keiner, aber den brauchten die Oberfranken auch trotz des 1:3 von Bryan Lasme (51.) nicht. Nur eine Minute später ließ Arminia-Torhüter Stefan Ortega eine Knezevic-Flanke fallen und Maderer staubte zum 2:3 ab. In der 68. Minute wurde das Hans-Walter-Wild-Stadion endgültig zum "Tollhaus", wie Rost es ausdrückte: Arminia-Verteidiger Joakim Nilsson beförderte den Ball beim Versuch, ihn vor Markus Ziereis zu klären, ins eigene Tor. Man müsse Bayreuth ein Kompliment machen, sagte Klos, "fast jeden Fehler, den wir gemacht haben, haben sie gnadenlos ausgenutzt, Hut ab dafür". Von diesem Zeitpunkt an wurde das ohnehin schon spektakuläre Pokalspiel noch dramatischer. Denn derselbe Nilsson köpfte den Bundesligisten nur fünf Minuten später erneut in Führung (73.).

So richtig turbulent wurde es in Minute 79, als Stefan Eder das vermeintliche 4:4 für Bayreuth köpfelte, Schiedsrichter Robert Hartmann aber zu Recht auf Abseits entschied. Noch während die Tormusik lief, spielte die Arminia den fälligen Freistoß schnell aus, überrumpelte die noch nicht sortierten Bayreuther und Fabian Kunze machte das 5:3. "Wenn wir da das 4:4 machen, weiß ich nicht, wie das Spiel ausgeht", sagte Rost, "da hatten wir das Gefühl, das Momentum kippt auf unsere Seite." Stattdessen markierte Lasme noch das finale 6:3 (85.). "Wir mussten heute wirklich alles aufbieten, ich glaube ein größeres Kompliment kann man nicht machen", sagte der Bundesligatrainer Kramer in Richtung des Regionalligisten.

Am Tag danach zog bei der SpVgg schon wieder der Alltag ein. Der führt sie am Dienstag zum Kreisligisten SV 08 Auerbach, wo die erste Runde des bayerischen Verbandspokals stattfindet. Über diesen Pokal können sich die Bayreuther erneut für den DFB-Pokal qualifizieren - und wie viel Spaß das machen kann, wissen sie spätestens seit Samstag wieder.

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