DFB-Pokal: FC Bayern:Italien liegt wieder nördlich der Alpen

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Ein bisschen Folklore oder ein ernsthafter Startelf-Kandidat? Beim souveränen 5:0 gegen Oberhausen freut sich der FC Bayern über das Comeback von Luca Toni.

Johannes Aumüller, Fröttmaning

Es ist ja nicht so, dass die Offensive des FC Bayern an zu geringem Konkurrenzkampf leidet. Da gibt es schon so viele starke Akteure wie die Stoßstürmer Miroslav Klose und Mario Gomez, wie die Flügelflitzer Arjen Robben und Franck Ribéry oder wie die Allzweckwaffen Thomas Müller und Ivica Olic; doch spätestens seit dem 5:0 (2:0)-Pokalsieg des FC Bayern gegen den Zweitligisten Rot-Weiß Oberhausen ist klar, dass sich neben diesem Sextett ein weiteres Mitglied des Bayer-Kaders im Angriff um einen Startelf-Platz bemüht. Und damit ist nicht Abwehrspieler Daniel van Buyten gemeint, der gegen RWO schon wieder zwei Tore köpfte und seine Ausbeute damit auf vier Treffer in den vergangenen drei Spielen erhöhte - sondern Luca Toni.

Lange haben die Fans des FC Bayern auf den Italiener warten müssen. Sein bisher letztes Pflichtspiel für den deutschen Rekordmeister hatte der 32-jährige am 23. Mai bestritten, dem letzten Spieltag der Saison 2008/09. Achillesfersenprobleme triezten den italienischen Nationalstürmer immer wieder, entsprechend schlecht war sein ohnehin nie sonderlich herausragender Fitness-Zustand. Zudem hieß es andauernd, Toni passe weder zur grundsätzlichen fußballerischen Philosophie des neuen Bayern-Trainer Louis van Gaal noch zu dessen favorisiertem 4-3-3-System. Sein Abschied aus München schien schon beschlossene Sache.

Doch nun brachte ihn van Gaal immerhin nach 61 Minuten beim Zweitrunden-Pokalspiel gegen Oberhausen, in dem er vielen Ersatz- und Ergänzungsspielern Einsatzzeiten gab (Breno, Ottl, Sosa, Görlitz). Und die knappe halbe Stunde auf dem Platz reichte Toni, um seinen Trainer zu großen Komplimenten zu bewegen. "Die Vorlage von Luca Toni war fantastisch", sagte van Gaal über den Pass des Italieners, den in der 77. Minute der erst kurz zuvor eingewechselte Thomas Müller zum 4:0 verwertete. Auch ansonsten zeigte sich der Italiener ziemlich präsent, er kämpfte und zeigte Biss, eine echte Torchance bot sich ihm aber nicht. Selbst äußern wollte sich Toni nach dem Spiel nicht, weil er derzeit keinen Dolmetscher hat.

Ziemlich rasch arbeitete sich Toni in den vergangenen Tagen wieder zurück in den Fokus. Mit einer Hartnäckigkeit, die ihm wohl kaum jemand zugetraut hätte, hat er gegen die Zweifel und die Zweifler an ihm angekämpft. Noch vor einer Woche schien ein Comeback des Italieners so unvorstellbar wie eine Wiesn mit Bierverbot. Dann spielte er am vergangenen Freitag in Mehmet Scholls Dritte-Liga-Truppe 45 Minuten gegen Jahn Regensburg (5:0), verkündete danach, er fühle sich fit für die erste Mannschaft - und musste dennoch die Aussage von Teammanager Christian Nerlinger vernehmen, fürs Pokalspiel sei er keine Alternative.

Nun war er fürs Pokalspiel doch eine Alternative, und jetzt können die Diskussionen beginnen, ob der Halbstundeneinsatz eher eine folkloristische Reminiszenz an vergangene tolle Toni-Tage war - oder ob mit dem Italiener, van Gaals Grundsatzphilosophie hin, van Gaals 4-3-3-System her, eine weitere echte Startelf-Alternative zurückkehrt. Wobei Toni der konditionelle Rückstand zweifelsohne anzumerken ist. Der erneut unglücklich agierende Mario Gomez musste auch gleich die Frage beantworten, ob der Konkurrenzkampf im Angriff nun noch schwerer geworden sei. Seine Antwort: "Der Konkurrenzkampf ist ohnehin schon schwer, aber das ist das, was ich beim FC Bayern wollte."

Beifall fürs Warmmachen

Die plötzliche Rückkehr Tonis in die nähere Startelf-Umgebung passt zu den vielen Schlenkern, die sich in der Beziehung zwischen dem FC Bayern und Luca Toni seit dessen Wechsel 2007 vollzogen. Im ersten Jahr feierte man ihn als den kaltschnäuzigen Angreifer, der in bester Gerd-Müller-Manier immer am richtigen Fleck steht und zig Mal in der Saison für das so wichtige 1:0 sorgt; im zweiten Jahr kritisierte man ihn immer häufiger wegen seines geringen Aktionsradius und seiner bisweilen grobmotorischen Art, selbst klarste Chancen zu vergeben. Im ersten Jahr waren sein Ohrschrauber-Jubel und sein selbstgefälliges Gestik- und Mimik-Spiel Kult, im zweiten Jahr diente es mehr und mehr als Vorlage für Persiflagen.

Im Sport ist es oft so, dass die Rückkehr von vermeintlich Gefallenen, Abgeschlagenen und Besiegten beim Publikum besondere Emotionen freisetzt. So hatte es dann auch gegen Oberhausen den Anschein, als hätten die Fans des FC Bayern ihren Luca Toni nie kritisiert, sondern immer nur ganz, ganz doll vermisst. Toni musste sich nur von der Bank zum Warmmachen erheben, da brandete aus der Südkurve schon Beifall auf.

Und dieser Beifall steigerte sich dann noch einmal, als van Gaal Toni nach einer guten Stunde einwechselte. Das Publikum freute sich, der Vortrompeter trötete die italienische Nationalhymne, nur auf Tonis Torhymne "bello e impossibile" wartete das Stadion vergeblich. Aber es entwickelte sich eine Stimmung, in der sich die Fans wieder all der schönen Toni-Momente und all der vielen Toni-Tore erinnerten: Pünktlich zum anstehenden Italiener-Wochenende auf der Wiesn lag auch in der Welt des Fußballs Italien wieder nördlich der Alpen.

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