DFB-Elf trifft auf Norwegen:Angst vor dem Strafstoß

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Schon wieder ein Fehlschuss: Norwegens Maren Mjelde scheitert an Thailands Torhüterin Waraporn Boonsing (Foto: AFP)
  • Die deutsche Frauen-Nationalelf trifft bei der WM heute auf Norwegen, es geht dabei um den Gruppensieg.
  • Der Gegner verfügt über ein wuchtiges Sturmduo, er tut sich aber schwer, Elfmeter zu verwandeln.
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Von Kathrin Steinbichler, Ottawa

Seit das FBI mit seinen Nachforschungen den Weltverband Fifa mitsamt seinen WM-Vergaben unter Druck setzt, herrscht wieder einmal eisiges Schweigen zwischen den Fußballwelten in West und Ost. Zumindest im Männerfußball, wo sich Russlands Präsident Wladimir Putin als nächster WM-Gastgeber genötigt sah, die USA für ihr detektivisches Vorgehen gegenüber der Fifa und der russischen Bewerbung zu rügen. Im Frauenfußball dagegen, erzählt John Herdman, gebe es gerade eine neue Stufe der Kooperation zwischen Ost und West.

Es sei nämlich vor dieser Weltmeisterschaft in Kanada teilweise sehr schwierig gewesen, sich aktuelles Videomaterial über die Gegner zu beschaffen, so dass rund um das Turnier ein regelrechter Tauschhandel entstanden ist. Wenn er zum Beispiel etwas über das thailandische Team möchte, sagt der kanadische Nationaltrainer, frage er beim chinesischen Betreuerstab an, der aus der Asien-Qualifikation versorgt sei. Wenn China dafür Videos zur US-Mannschaft möchte, bekomme es die, "no problem". Man helfe sich untereinander aus.

Doch diese Art der Unterstützung bringt Norwegens Nationaltrainer Even Pellerud vor dem nächsten Spiel gar nichts. Denn Deutschland, das diesen Donnerstag (22 Uhr/ARD und Eurosport) im zweiten Vorrundenspiel gegen Norwegen bereits um den Gruppensieg kämpft, kennt wohl niemand besser als der 61-Jährige selbst. Was seiner Mannschaft allerdings auch nur bedingt weiterhilft.

"Wir sind in sehr guter Verfassung, aber wir können unsere Schwachstellen nur selbst in den Griff bekommen", sagt Pellerud, der Norwegen 1995 mit einem Finalsieg über Deutschland den ersten und bislang einzigen WM-Titel bescherte. Wobei sich die Schwachstelle der Norwegerinnen derzeit vor allem auf eine Spielsituation beschränkt: das Elfmeterschießen.

Schon im EM-Finale 2013 konnte Norwegen zwei Elfmeter während der 90 Spiel- minuten nicht nutzen, Nationaltorhüterin Nadine Angerer parierte erst gegen Trine Rönning, dann gegen Solveig Gulbrandsen. Am Ende gewann Deutschland durch ein Tor von Anja Mittag den Titel. Viele schlaflose Nächte hätten sie seitdem gehabt, erzählten die beiden Routiniers jetzt vor dem erneuten Aufeinandertreffen am Donnerstag, es habe seine Zeit gebraucht, dieses Spiel und die verpassten Gelegenheiten zu verdauen.

Als es nun zum WM-Auftakt gegen Thailand wieder einen Strafstoß gab, trat diesmal Maren Mjelde an - auch ihr Schuss wurde abgewehrt. Angesichts einer souveränen Spielleistung und einem 4:0-Endstand war das für Norwegen nebensächlich, aber Pellerud schickte eine Warnung an seine Spielerinnen: "Wenn wir keinen Weg finden, Elfmeter zu verwandeln, werden wir in jedem Turnier Probleme bekommen."

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Norwegen werde jedenfalls "besonders motiviert" sein, vermutet Dzsenifer Marozsan, "sie werden zeigen wollen, dass sie aus 2013 gelernt und sich verbessert haben." Angetrieben von der routinierten Gulbrandsen ist es vor allem das wuchtige, zweikampfstarke und schnelle Sturmduo Isabell Herlovsen, 26, und Ada Hegerberg, 19, das die nicht immer sattelfeste deutsche Innenverteidigung beschäftigen wird. Marozsan wiederum soll nach ausgeheilter Bänderdehnung im Knöchel mithelfen, dass Deutschland die Hoheit im Mittelfeld und damit die Kontrolle über das Spiel hat. "Wir wollen unser Spiel durchziehen und diese Gruppe gewinnen", sagt Marozsan, allerdings weiß sie: "Das will Norwegen auch. Es wird ein Spiel auf Augenhöhe, ich bin gespannt."

Vor der WM 2011 war die Edeltechnikerin noch kurzfristig mit einer Verletzung ausgefallen, nach dem Umknicken im Training in Ottawa "war ich zunächst geschockt, ich wollte auf keinen Fall wieder fehlen. Aber ich wurde Tag und Nacht behandelt, es geht mir jetzt wieder gut." Die passgenauen Zuspiele und Standards der 23-Jährigen sollen Deutschlands Offensive noch gefährlicher machen, ob die nach einem Foul angeschlagene Melanie Leupolz auflaufen kann, ist weiter fraglich. Flügelspielerin Simone Laudehr glaubt jedenfalls: "Gegen Norwegen werden wir nicht so viele Chancen bekommen wie gegen die Elfenbeinküste, und die wenigen müssen wir nutzen."

Egal, was die Videoanalysen ergeben, Trine Rönning kennt den Gegner: "Deutschland ist eine Lokomotive und hat seine Maschinen jetzt gestartet. Sie haben ihre Spielweise, und der müssen wir unsere entgegensetzen." Und wenn es nun erneut zu einem Strafstoß kommt? Nun, "wenn Mjelde jetzt auch im Klub ist, muss das nächste Mal vielleicht Lene Mykjaland ran". Aber vorher wollen sie treffen, aus dem Spiel. Denn "wir sind besser als 2013".

© SZ vom 11.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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