DFB-Elf in der Einzelkritik:Rüdiger werkelt wie ein Hafenarbeiter

Stuttgarter Verteidiger bremst die Turbowusler, Sami Khedira beschwört die Regengötter und am Ende denken die Spanier: "Krass, dieser Kross". Die DFB-Elf beim 1:0 in Spanien in der Einzelkritik

Von Jonas Beckenkamp, Vigo

Ron-Robert Zieler

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(Foto: Javier Soriano/AFP)

Joachim Löw hatte die Zaubertrommel kräftig geschüttelt - heraus kam: Ein etwas überraschender Startelf-Einsatz des Hannoveraners. Begann sein fünftes Länderspiel mit einem Fingerzeig des Himmels: Das galicische Sauwetter hatte kurz mal Sendepause. Als er einen tückischen Schuss von Nolito abgewehrt hatte, endete diese aber und Zieler stand im Regen. Musste auf dem weichen Geläuf ein paar Mal richtig Fußball spielen, was nicht immer gelang. Hielt sich aber insgesamt schadlos, piesackte Nolito mit einer weiteren Parade und weiß jetzt: November-Ausflüge an den Atlantik machen nur unter einem Motto Spaß: Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung.

Antonio Rüdiger

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(Foto: dpa)

Gehört wie seine Nebenleute Höwedes und Mustafi zu Gattung "flexibler Verteidiger". Als rechter Mann im wechselnden Dreier- oder Fünferverbund besonders gefragt. Machte sich als Tempobremser gegen die spanischen Turbowusler bezahlt, in dem er sich oft klug positionierte. Vereitelte einige brenzlige Situationen mit seiner schieren Präsenz und werkelte wie ein Hafenarbeiter aus der Bucht vor Vigo. Erlaubte sich schließlich sogar eine Prügelkerze in den atlantischen Schauer-Himmel. Bewies damit volle Flexibilität: Beherrscht das Abwehrspiel mit allen nötigen Mitteln.

Shkodran Mustafi

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(Foto: dpa)

Trägt für einen Jungen aus Bad Hersfeld einen ganz schön internationalen Namen, den sie mittlerweile auch in Spanien kennen. Erzielte beim FC Valencia bereits drei Saisontore - drei mehr als ein gewisser Luis Suarez in Barcelona. Verdingte sich als umsichtiger Abwehrchef und wirkte vor allem im Verbund mit Höwedes sehr kommunikativ. Überließ den Bodenkampf seinen Mitspielern, man muss sich ja nicht immer dreckig machen. Versuchte stattdessen, als Organisator für Ruhe zu sorgen. Das gelang ihm mit aller Routine. Muss weiter auf seinen vierten Treffer auf spanischem Boden warten.

Benedikt Höwedes

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Ist so flexibel, dass er in Brasilien kurzerhand sogar eine leichte Anpassung seines Nachnamens zuließ ("Howetz"). In Vigo dann vom Stadionsprecher als "Heffedes" vorgestellt. Freute sich über die Linkslastigkeit der spanischen Offensive, denn so konnte er sich aufs Wesentliche konzentrieren: Ein Kopfbällchen hier, ein bisschen Aufbauspiel da, nichts Weltbewegendes. Wirkte solide wie ein Elder Statesman, wählte die Einfachheit über Sperenzchen und grätschte einmal gefühlte zehn Meter über den Torf. Es war ein Spiel wie gemalt für ihn. (im Bild links)

Sebastian Rudy

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(Foto: AP)

Kein Podolski, kein Bellarabi, kein Kruse - dafür Sebastian Rudy. Durfte sich als Profiteur der matten Auftritte seiner Kollegen fühlen und konnte erstmals seit dem Schottland-Spiel wieder auf dem Feld die Hymne mitsingen. Als Brückenspieler zwischen hinten und vorne mit brauchbaren Ansätzen, dazu mit einer hübschen Schusschance nach Bellarabis Hereingabe. Lieferte auf rechts den Beweis ab, dass er eine Alternative ist. Hat mit fünf Länderspielen jetzt mehr erreicht als seine Hoffenheimer Vorgänger Tobias Weis und Marvin Compper zusammen (zwei).

Sami Khedira

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(Foto: AP)

Eine Knöchelblessur! Da schmunzelt ein stahlharter Stehaufmann wie er nur. Konnte natürlich trotzdem auflaufen, im 53. Länderspiel sogar als Kapitän. Registrierte den Regen mit stoischer Ruhe, strich sich die Mähne zurück und tat ein bisschen was gegen das spanische Tiki-Taka. Viel war nicht nötig, denn dort spielten ja nicht Iniesta, Xavi oder David Silva, sondern Typen namens Bruno, Morata und Raul Garcia. Feierte in der zweiten Halbzeit ein wahres Grätschen-Festival: Rutschte, schlitterte und pflügte über das Erdreich von Vigo, als könne er damit die Regengötter beschwören.

Toni Kroos

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(Foto: dpa)

In spanischen Medien konsequent "Kross" genannt - im Internet zudem Inspirationsquelle der "Kroosistas", einer jungen Fangemeinde der Madrilenen. Und was tat dieser "Kross" diesmal? Versuchte es mit Eleganz und erhabenem Passspiel, musste jedoch bald feststellen, dass eher Wasserball gefragt war. Blieb um Spielkultur bemüht, führte kleine Kunstwerke am Ball auf, was aber nichts brachte. Es war eher ein Abend fürs Grobe als für Delikatessen. Als alle schon in Gedanken beim Dessert waren, packte er doch noch einen aus: Sein strammes Geschoss aus 25 Metern sauste unten links ins Tor. Krass, dieser "Kross".

Erik Durm

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(Foto: dpa)

Die Gibraltar-Kritik des Bundestrainers ("Von einigen habe ich wenig gesehen") ging auch in seine Richtung, aber Löw ist kein Unmensch und stellte den Dortmunder erneut auf - wen auch sonst? Bewegte sich links viel die Linie entlang, ohne jedoch den richtigen "Punch" zu finden. Zeigte immerhin mehr Elan als zuletzt und erfüllte damit teilweise die Erwartungen des Bundestrainers. Bräuchte aber auf engem Raum etwas mehr Ruhe am Ball, um sich zu befreien. Weil das oft nicht gelang, bleibt der Eindruck: Auf der linken Seite der DFB-Elf dürfen sich ruhig andere bewerben.

Thomas Müller

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Neben "Kross" und "Heffedes" einziger Verbliebener aus der Startaufstellung des WM-Finals. Hatte sich gerade an den schönen Schnürlregen im Balaidos-Stadion gewöhnt und ein paar Bälle gespielt, da war es auch schon wieder vorbei. Ging nach 22 Minuten für Bellarabi vom Feld, nachdem er an einer Wand namens Sergio Ramos abgeprallt war. Erste Diagnose: Ein klassischer "Pferdekuss" im Rücken. Bekam immerhin anerkennenden Applaus von den spanischen Fans. Sie hatten diesen "Muller" bestimmt ziemlich gefürchtet.

Mario Götze

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(Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Hatte mit dem WM-Finale auch in Ansätzen etwas zu tun, die Älteren werden sich erinnern. Die Zeitung Marca nahm das zum Anlass, ihn als Anführer der "Generation 1992" zu portraitieren, Götzes Geburtsjahr. Nahm mit gewohnter Schleicher-Attitüde die Position im vorderen Zentrum ein, wo er Casillas gleich mit einem knackigen Volleygeschoss prüfte. Hätte mit den Kollegen gerne mehr kombiniert, doch die einzige lösbare Schwierigkeit des Abends bestand darin, es irgendwann in die warme Dusche zu schaffen.

Kevin Volland

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(Foto: Miguel Riopa/AFP)

Zwei Hoffenheimer in einer DFB-Elf! Das muss es zuletzt in den düsteren Tagen von Weis/Beck/Compper gegeben haben. Von Löw für seinen Eifer und seine Läuferqualitäten mit einem Startelfplatz belohnt - und als Beschleuniger nach Ballgewinnen vorgesehen. Wirkte auf der linken Seite gut eingebunden, erarbeitete sich förmlich die Ballkontakte und genoss den Fight in der Sintflut von Vigo. Zeigte dank enormer Einsatzfreude und viel Mut sein bisher bestes Länderspiel, was angesichts seiner beiden ersten Auftritte aber keine Kunst war.

Karim Bellarabi

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(Foto: REUTERS)

Brachte 2012 als Leverkusener das Kunststück fertig, in letzter Minute ein Tor im Nou Camp von Barcelona zu erzielen. Es war das 1:7, aber immerhin schön. Durfte sich nach Müllers frühzeitigem Aus an dessen Stelle rechts außen in die Rutschpartie werfen und brachte gleich Torgefahr ins Spiel - dabei stand es noch gar nicht 0:7. Lieferte mit vielen Läufen und einiger Ballsicherheit gute Argumente für weitere Einsätze. Sollte bald nach Barcelona zurückkehren, da geht es mit dem Toreschießen leichter.

Max Kruse

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Durfte dann auch noch hinein und eine Kostprobe des Wolkenbruchs erleben. Ertrug es mit Fassung. Ist ja gebürtiger Reinbeker, das liegt bei Hamburg.

Lars Bender

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Ist gebürtiger Chiemgauer und damit sowieso mit allen Wassern gewaschen. Fror noch eine Minute mit.

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