DFB-Elf: Andreas Beck:Karrieresprung mit Buch

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Andreas Beck, 21, gibt gegen Norwegen sein Debüt in der Nationalelf. Fußballspielen ist aber nicht die einzige Leidenschaft des Hoffenheimer Rechtsverteidigers - er zitiert gerne Goethe.

Thomas Hummel, Düsseldorf

Seit dem Abend des 5. Dezember ging es eigentlich nur noch um den Zeitpunkt des Anrufs. An diesem Abend bestand Andreas Beck seine Reifeprüfung in der Münchner Arena, der 21-Jährige stand einem gewissen Franck Ribéry gegenüber und verdarb ihm derart die Lust am Fußballspielen, dass der Franzose dem Hoffenheimer Rechtsverteidiger ein anerkennendes "Chapeau!" zurief. Der Anruf des Bundestrainers kam zum nächstmöglichen Zeitpunkt.

Neu-Nationalspieler Andreas Beck: Auf seiner Internetseite gibt er Buchtipps (Foto: Foto: ddp)

Für das erste Länderspiel des Jahres am Mittwochabend in Düsseldorf gegen Norwegen (20.30 Uhr) kündigt Löw das Debüt von Andreas Beck in der Nationalmannschaft an. Es ist einer dieser schwindelerregenden Karrieresprünge, die der Bundesliga-Aufsteiger TSG Hoffenheim derzeit in Serie produziert. Denn vor einem Jahr noch kämpfte er beim damals äußert mittelmäßigen VfB Stuttgart um Anerkennung und einen Stammplatz.

Dann rief Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick an. Der bedient sich regelmäßig aus der Jugendschule des VfB, weil diese den Talenten alle Anlagen mitgebe, die ein Fußballer braucht. Rangnick war von Becks Fähigkeiten derart überzeugt, dass er seinen Verein und Mäzen Dietmar Hopp dazu brachte, die bemerkenswerte Summe von 3,5 Millionen Euro zu investieren. Für Verein wie Spieler war es eine lohnende Investition.

Die Plattitüde als Bekenntnis

"Hoffenheim ist für mich derzeit der beste Klub, bei dem ich spielen kann", sagt Andreas Beck. Es klingt wie eine dieser Fußballer-Plattitüden, die inzwischen zum Geschäft gehören. Doch dieser schmale, blasse Junge schickt den Worten einen ehrlichen, tiefen Blick hinterher. Aus der Fußballer-Plattitüde wird so fast ein Bekenntnis.

Andreas Beck konterkariert so einige Schubladen, in die Fußball-Profis (oft nicht zu Unrecht) gesteckt werden. Er hat Abitur gemacht, seine semmelblonden Haare stehen nicht aufrecht gegelt und Strähnchen hat er auch nicht zu bieten. Beck fährt keines dieser schnellen, PS-starken Sponsorenautos, sondern bis vor kurzem noch einen 20 Jahre alten Saab 900. Als dieser nun in die Werkstatt musste, holte sich Beck einen neuen Saab.

Dazu ist der 21-Jährige weithin für seine Lese-Leidenschaft bekannt. Auf seiner Internetseite (andi-beck.de) gibt er Buchtipps, er sagt: "Ein gutes Buch kann dich in eine andere Welt ziehen." Philosophen wie Nietzsche hätten gar sein Wertesystem in Frage gestellt. Auch stellt er monatlich seine liebsten Aphorismen vor. Im Januar zitierte er Goethe: "Mit einem kannst du immer rechnen, mit dem Unvorhersehbaren."

Trainingslager am "Schlucksee"

Es ist äußerst fraglich, ob dieser Andreas Beck vor 25 Jahren Nationalspieler hätte werden können, als eine Auswahl um Paul Breitner, Toni Schumacher und Manfred Kaltz für ihre Exzesse bekannt war und vor der WM 1982 der Trainingslagerort Schluchsee kurzum in "Schlucksee" umbenannt werden musste. Andreas Beck trinkt gerne Apfelschorle.

Sowohl Ralf Rangnick als auch Joachim Löw mögen bekanntlich diese neue, gebildete Profigeneration der leisen Töne. Dennoch hat sich Beck die Nominierung nicht in der Bibliothek verdient, sondern immer noch auf dem Fußballplatz.

Beck wurde in Westsibirien geboren, als er drei Jahre alt war, siedelte seine Familie nach Württemberg um. Während eines Hallenturniers entdeckten ihn Späher vom VfB Stuttgart, wo er anschließend Deutscher Meister mit den B- und A-Junioren wurde. Zum Meistertitel der Männer 2007 steuerte er vier Einsätze bei. Dennoch wirkte der Rechtsverteidiger unter Trainer Armin Veh noch gehemmt, verlor nach dem ersten Fehlpass häufig das Selbstvertrauen. In Hoffenheim blühte Beck in kürzester Zeit auf, schnell wurde klar, dass sich hier einer rasant entwickelte.

Nahtlos einsetzbar

"Seine Qualität in der Offensive ist enorm hoch", lobt DFB-Assistenztrainer Hansi Flick. Beck sei unheimlich engagiert und 90 Minuten unterwegs. Außerdem habe er seine taktischen Fähigkeiten in der Defensive verbessert. Begünstigend komme hinzu, sagt Flick, dass Hoffenheim "ein ähnliches System" wie die Nationalmannschaft praktiziere und Beck deshalb nahtlos einsetzbar sei.

Der so Gerühmte wird gegen Norwegen voraussichtlich eine Halbzeit zum Einsatz kommen, weil Hoffenheim am Freitag schon das nächste Bundesliga-Spiel gegen Leverkusen bestreiten muss. Auch wird er im Sommer mit der U21 bei der Europameisterschaft aktiv sein, weil der DFB diesem Turnier "höchste Priorität" (Flick) einräumt.

Dennoch glauben viele Experten, dass sich Beck mittelfristig in der A-Nationalmannschaft durchsetzen wird. Und Ralf Rangnick kommentierte Becks ersten Ausflug zum DFB-Team mit der ihm eigenen Selbstgewissheit: "Das ist die logische Folge seiner persönlichen Entwicklung bei uns." Beck reagierte da eher mit Fußballer-Plattitüden: "Ich fühle mich geehrt und freue mich." Oder: "Egal wie lang ich spiele, ich werde jede einzelne Minute genießen." Der schmale, blasse Junge schickte den Worten seinen ehrlichen, tiefen Blick hinterher.

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