Deutschland verliert bei Handball-EM gegen Polen:Auch die zweite Chance vergeben

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"Wir können niemandem einen Vorwurf machen, nur uns selbst" - das war die nüchterne Bilanz von Abwehrchef Oliver Roggisch. Nach der Niederlage gegen Dänemarkt am Montag verlieren die deutschen Handballer auch gegen Polen 32:33. Damit verpassen sie nicht nur das EM-Halbfinale endgültig. Auch die Olympia-Qualifikation ist nach den Ergebnissen des Abends ein für alle Mal dahin.

Joachim Mölter, Belgrad

Der Handball-Bundestrainer Martin Heuberger ging auf die spanischen Schiedsrichter Oscar Lopez und Angel Ramirez zu und redete einen Moment auf sie ein. "Ich habe ihnen gesagt, dass sie sich noch mal in Ruhe das Video von diesem Spiel anschauen sollen, und dann würde ich gern noch einmal mit ihnen darüber reden", erzählte er später, nach der 32:33 (17:18)-Niederlage gegen Polen, mit der die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) die EM-Hauptrunde in Belgrad beendet hatte.

In Heuberger brodelte es, der 47-Jährige war sichtlich bemüht, nichts Falsches zu sagen. Auch sein neben ihm sitzender Abwehrchef Oliver Roggisch wollte den Eindruck vermeiden, ein schlechter Verlierer zu sein: "Wir haben zweimal die Chance gehabt, das Halbfinale zu erreichen", bilanzierte er, "wir haben beide vergeben und können niemandem einen Vorwurf machen, nur uns selbst."

Die als Außenseiter in die Europameisterschaft gestarteten Deutschen hatten überraschenderweise zwei Gelegenheiten gehabt, erstmals seit 2008 wieder unter die besten Vier bei einem großen Turnier zu kommen. Die erste verspielten sie beim 26:28 gegen Dänemark am Montag, die zweite am Mittwoch gegen Polen. Ob sie sich wenigstens die Teilnahme an der Olympia-Qualifikation im April sichern könnten, das ursprüngliche Ziel bei dieser EM, lag damit auch nicht mehr in ihren Händen. Das hing von den anderen Ergebnissen des Abends ab.

Als klar war, dass Mazedonien und Slowenien als jeweilige Gruppendritte am Freitag das Spiel um Platz fünf bestreiten, stand fest, dass Olympia 2012 ohne deutsche Handballer stattfindet. "Es wäre bitter, wenn wir das nicht schafften", hatte Heuberger zuvor gesagt: "Das hätten die Jungs nicht verdient."

16 Minuten in Unterzahl

Seine Spieler hatten sich in der turbulenten Schlussphase des Polen-Spiels mit allen Kräften gegen die sich abzeichnende Niederlage gewehrt, selbst der zuvor so glücklose Kapitän Pascal Hens trug zwei Tore bei. "Aber es ist schwierig, in Unterzahl zu gewinnen", fand der Flensburger Holger Glandorf.

Insgesamt 16 Strafminuten mussten die Deutschen überbrücken, doppelt so viele wie die Polen. Und gerade als sie einen Vier-Tore-Rückstand (25:29/47. Minute) ausgeglichen hatten und sogar erstmals führten (30:29/56.), erhielten sie zwei Zeitstrafen nacheinander. Kurz darauf sah Dominik Klein auch noch die rote Karte (58.) wegen eines Fouls, dem nicht nur der Pole Krzysztof Lijewski zum Opfer fiel - sondern auch der deutsche Spielmacher Michael Haaß, auf dessen rechtes Sprunggelenk Lijewski gestürzt war. Der Göppinger erlitt eine Fraktur, er muss operiert werden und fällt voraussichtlich vier Monate aus.

Der Berliner Sven-Sören Christophersen, Haaß' erster Vertreter auf der zentralen Rückraumposition, haderte später mit "einem gewissen Ungleichgewicht" in bestimmten Situationen und gab zu, dass er und seine Mitspieler "verunsichert waren wegen der Art und Weise, wie das Spiel verlaufen ist".

Von den Deutschen gab es zwar keine direkte Kritik an den Schiedsrichtern, aber die erweckten gerade zum Ende der Partie hin den Eindruck, nicht ganz so unparteiisch zu sein. Es ist jedenfalls fragwürdig, warum ein Spiel, das über die Halbfinalteilnahme entscheidet, von Männern geleitet wird, deren Landsleute bereits als Halbfinalisten feststehen: Spanien hatte sich in der anderen Hauptrundengruppe bereits am Dienstagabend einen der ersten beiden Tabellenplätze gesichert. Die Schiedsrichter-Einteilung war sicher keine glückliche Entscheidung des europäischen Handball-Verbandes EHF.

Bundestrainer Heuberger hatte bei seiner Mannschaftsaufstellung etwas mehr Fortune gehabt, wenn auch nicht genug, um die Partie zu gewinnen. Er hatte ja schon mit einigen Personalien überrascht im Laufe des Turniers, diesmal war es die, Uwe Gensheimer zunächst draußen zu lassen, den bis dato besten deutschen Torschützen.

Dafür fing Dominik Klein auf Linksaußen an, er gilt als der bessere Abwehrspieler. Die Rochade zahlte sich aus, weil Klein in Phasen, in denen das Spiel zu kippen drohte, einige Pässe abfing und beim Gegenstoß ein Tor erzielte: Beispielsweise als die DHB-Auswahl nach dem 10:14 auch noch eine Zwei-Minuten-Strafe für Lars Kaufmann verkraften musste (21.). Klein und dessen Kieler Klubkollege Christian Sprenger auf der rechten Seite waren die besten deutschen Torschützen an diesem Tag, beide trafen siebenmal.

Die Schwachstelle der DHB-Auswahl war ausnahmsweise die Abwehr. Trainer Heuberger fand sie "nicht ganz so spritzig wie sonst". Das galt auch für Torwart Silvio Heinevetter, der zu Beginn keinen Ball in die Finger bekam. Heuberger ersetzte ihn nach dem 9:12 (18.) durch Carsten Lichtlein, der seinem Team wieder mehr Rückhalt gab.

Am Ende probierte Heuberger alles, was ihm möglich war, er wechselte den nachnominierten Spielmacher Martin Strobel ein, um dem Angriff neue Impulse zu geben; er stellte die Abwehr auf eine aggressive 5-1-Formation um, um die Polen zu bremsen. Es half alles nichts.

© SZ vom 26.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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