Deutsche Eishockey Liga:Zwischen Erleichterung und Ernüchterung

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Geschafft: Andrew Desjardins feiert am Freitag den 3:1-Sieg der Adler Mannheim bei den Eisbären Berlin. Beide Teams könnten in den Playoffs wieder aufeinandertreffen. (Foto: Andreas Gora/Imago)

Nach einer ungewöhnlich kurzen Hauptrunde startet die DEL am Dienstag in die Playoffs. Das Format bietet Raum für Überraschungen.

Von Johannes Schnitzler, München

Ein Blick in die Gesichter von Christoph Sandner und Christof Kreutzer reichte, um selbst hinter der vorgeschriebenen FFP2-Maske zu erkennen: Sie hatten verloren. Die Schwenninger Wild Wings führten 5:3 gegen die Kölner Haie, es waren nur noch Sekunden auf der Uhr an diesem 38. und außergewöhnlich frühen letzten Spieltag der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Doch die Blicke von Schwenningens Geschäftsführer und Sportdirektor verrieten: Es war vorbei. Knockout noch vor den K.-o.-Runden. "Hut ab vor unseren Fans, die heute noch mal zum Stadion gekommen sind, es tut mir so leid", sagte Verteidiger Christopher Fischer und kämpfte sichtlich mit seiner Enttäuschung.

Schwenningen, dieses kleine, eishockeyverrückte Fleckchen Baden-Württemberg, seit der Rückkehr in die DEL stets auf hinter(st)e Plätze abonniert und nur einmal, 2018, in den Pre-Playoffs, war in dieser Spielzeit so nahe dran gewesen an den Entscheidungsspielen um die Meisterschaft wie nie zuvor in den vergangenen acht Jahren. Doch der Sieg gegen die Haie war am Ende Makulatur. Die Wild Wings mussten den Straubing Tigers den Vortritt ins Viertelfinale lassen. Und das, obwohl sie sogar einen Punkt mehr geholt hatten als die Niederbayern. Schuld war der Quotient.

Eishockey-Deutschland hat schon einmal recht gute Erfahrungen gemacht mit einem Quotienten. 1976 bei den Olympischen Winterspielen in Innsbruck musste die höhere Mathematik über die Vergabe der Bronzemedaille entscheiden. Das bundesdeutsche Team, Finnland und USA waren nach der Finalrunde punktgleich, also wurde aus den direkten Duellen dieser drei der Vergleich gezogen, geschossene Tore geteilt durch Gegentore. Finnland lag mit einem Wert von 1,125 vor den USA (0,75). Die Deutschen aber, die ihr letztes Spiel 4:1 gegen Team USA gewonnen hatten, waren um eine Winzigkeit besser: 1,167 - und damit hatten sie 0,041 Quotientpunkte mehr als Finnland. Das "Wunder von Innsbruck".

Die Rechnung geht für Straubing auf - wieder entscheidet die zweite Nachkommastelle

Nicht von derselben Tragweite, aber schon auch ein bisschen historisch, zumindest aus Sicht der Schwarzwälder, war die Entscheidung am Wochenende in der DEL. Die für 6. April an- und wegen einer Teamquarantäne der Iserlohn Roosters abgesetzte Partie des 36. Spieltags zwischen Straubing und Iserlohn war nicht mehr nachzuholen. "Nicht zumutbar", fand DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke angesichts des komprimierten Spielplans in der verkürzten Pandemiesaison. Alle 14 Klubs hätten um die Unwägbarkeiten dieser erst im Dezember gestarteten Saison gewusst und dem Procedere zugestimmt. Während Iserlohn sich als Tabellenvierter der Gruppe Nord trotzdem für das Viertelfinale qualifizierte, blieben die Wild Wings auf der Strecke: Punkte durch Spiele, so lautete diesmal die Rechnung, und sie ging für Straubing auf: 1,43: 1,42 - wieder entschied die zweite Nachkommastelle. Doppelt bitter für Schwenningen: Hätten die Straubing Tigers noch gegen Iserlohn gespielt und nach regulärer Spielzeit verloren, hätte ihr Quotient 1,40 betragen - und Straubing hätte im Viertelfinale zugeschaut.

Die schnellste Mannschaftssportart der Welt wird auch in den schon an diesem Dienstag beginnenden Playoffs ihrem Ruf gerecht: Bis spätestens 7. Mai steht der Meister fest. Alle Serien werden nach dem Modus "Best of 3" ausgetragen: Wer zuerst zwei Spiele gewinnt, ist eine Runde weiter. Oder Meister. Ein "Foul am Eishockey" sei dieses verkürzte Format, knurrte Mannheims Trainer Pavel Gross, "eine Lachnummer in ganz Europa" gar: Ein schlechter Tag, und schon steht man unter Druck. Das öffnet Raum für Überraschungen. DEL-Geschäftsführer Tripcke aber konterte kühl, der Terminkalender gebe schlicht "nicht mehr her".

Der Weg zur Trophäe dürfte dennoch nur über Mannheim und München führen, die seit 2015 den Titel unter sich ausgemacht haben. Gute Chancen werden außerdem Berlin, dem Sieger der Gruppe Nord, und Ingolstadt, Dritter im Süden hinter München und Mannheim, eingeräumt. Die Kölner Haie, 2020 lange an der Grenze zur Insolvenz balancierend, sind dagegen ebenso raus wie die Düsseldorfer EG oder die Augsburger Panther. "Wir können nicht am Kölner Dom stehen, die Hand aufhalten und sagen: ,Rettet die Haie', und dann davon ausgehen, dass wir eine Mannschaft aufstellen, die den hohen Erwartungen in Köln gewachsen ist", warb Haie-Trainer Uwe Krupp um Verständnis. Auch die Augsburger Panther, 2019 noch Dritter und Champions-League-Teilnehmer, blieben als Sechste im Süden hinter den Erwartungen. Da wie dort war das sportliche Abschneiden angesichts der Umstände aber zweitrangig: "Klar hätten wir die Playoffs gerne erreicht und sind enttäuscht. Eine Saison ganz ohne Augsburg wäre allerdings bedeutend schlechter gewesen als eine Saison ohne Playoffs", räumte Panther-Prokurist Leo Conti ein.

Es herrsche eine "Riesenerleichterung", sagte DEL-Geschäftsführer Tripcke am Montag, wie die Liga bislang durch diese schwierige Saison gekommen sei, wirtschaftlich, aber auch im Vergleich zu anderen Sportarten. Im Basketball etwa musste am Wochenende kurzfristig die Pokal-Endrunde verlegt werden, im Fußball befinden sich mehrere Erst- und Zweitligisten in Quarantäne. "Es kann jeden Tag einschlagen. Auch wir sind davor nicht gefeit", sagte Tripcke. In den Playoffs sind deshalb weiterhin mindestens zwei PCR-Tests pro Spieler und Woche vorgesehen. Muss ein Team in Quarantäne, "ist die Serie rein theoretisch noch nicht weg", sagte Tripcke: "Wenn man aber auch das zweite Spiel verpasst, ist man raus." Es gebe aber Grund zur Zuversicht: Von 266 geplanten Spielen in der Hauptrunde habe die DEL "nur ein einziges verloren". Aus Schwenninger Sicht leider das entscheidende.

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