Ausgerechnet die Engländer! Jetzt nehmen sie Rache für all die Elfmeter-Niederlagen, für die verkorkste Übernahme von Rover durch BMW, für die Nichtbeteiligung Deutschlands am Irakkrieg. Mit vielem durften, ja mussten wir rechnen, doch das trifft die deutsche, vor allem die Berliner Seele ins Mark: Die Engländer haben das Rätsel gelüftet, wer der lustige Kerl in Berlino war, der im Sommer bei der Leichtathletik-WM in Berlin mit Usain Bolt tanzte. Das ist hart.
Während der gesamten WM haben die deutschen Journalisten und vor allem die Berliner Tag für Tag den Presseapparat der Veranstaltung genervt, sie sollen doch den Mann (oder die Frau? das Kind? den Affen?) im Bärenkostüm enttarnen. Ein Interview nur, ein klitzekleines Interview, bitte, bitte, bitte! Man hätte so gerne gewusst, wie es sich anfühlt, beim Jubeln auf eine wahrhaftige Speerwurf-Weltmeisterin zu fallen, eine jamaikanische Sprinterin Huckepack zu nehmen oder von Diskus-Koloss Robert Harting kurzum auf den Kopf gestellt zu werden.
Doch die WM-Anzugträger blieben beinhart. Berlino sollte Berlino bleiben. Wie der Pinball Wizard im Musical "Tommy", wie ein Sprecher sagte: "Er ist blind, taub und dumm." Ja, das hat er gesagt.
Nun ist nicht überliefert, welcher Vaterlandsverräter es dem Reporter vom Oberserver gesteckt hat, doch dieser schickte nun die Exklusivmeldung um die Welt und ins erstarrte Deutschland hinein: Oliver Seiffert heißt der famose Bengel, 33 Jahre alt, von Beruf Schauspieler. Als Seiffert sich in London zum Arbeiten aufgehalten habe, offenbarte Seiffert sich. "Es war ein großes Vergnügen, die Menschen in Berlin zu unterhalten", sagte dieser Seiffert. Der Journalist vom Observer sei der erste Mensch, "der weiß, es war ich".
Oliver Seiffert? Schauspieler? Nun ja, bei der Suchmaschine Google ergibt eine Abfrage der Begriffskombination ganze sieben Treffer. So richtig ist der Mann offenbar noch nicht durchgestartet in seinem Beruf. Ganz im Gegensatz zu Berlino: Den hat der Observer in einer bislang einmaligen Aktion zum Maskottchen des Jahres gewählt. Was für ein Titel!
Der Druck für all die Berlino-Maskottchen-Nachfolger ist damit auf Marianengraben-Stärke angewachsen. Vorbei die Zeiten, als ein blauer wurstförmiger Münchner Olympia-Dackel unbedarft in die Welt wedeln durfte, als die zwei WM-Burschen Tip & Tap als Schlüsselanhänger unter dem Weihnachtsbaum lagen, ohne zumindest mit Franz Beckenbauer zu schmusen. Die Maskottchen werden nun ausschwärmen, den wichtigsten Titel im Sportgeschäft 2010 fest im Blick.
Da wird das Vancouver-Maskottchen Quatchi (Zotteltier mit Kopfhörern) eine japanische Eiskunstläuferin zum fünffachen Rittberger in die Luft werfen, Maskottchen-Kollege Miga (Marke Waschbär mit Helm) mit wehendem Beinhaar auf halber Strecke in einen Schweizer Bob springen und Sumi (Katze mit Snowboard) neben dem Abfahrtssieger ins Ziel schießen. Südafrikas Fußball-Leopard Zakumi wird mit Maradona auf dem Bauch über den Platz rutschen, den Linienrichtern die Fahnen kurz vor dem Abseitswinken abluchsen und die Elfmeter der Engländer zur Belustigung des Publikums an den Pfosten lenken.
Doch sie alle werden keine Chance haben. Denn wie aus einer englischen Quelle (Grrr!) zu hören ist, könnte der unbesiegbare Oliver Seiffert zurückkehren. Diesmal im Kostüm von "Urmel auf dem Eis". Diese Mischung aus Säugetier und Dinosaurier soll im Mai die deutsche Eishockey-WM beleben. Weil der Gastgeber ganz sicher nicht viel zur Unterhaltung beitragen wird, bekommt Urmel auf dem Eis freie Hand. Und was kann es schon Lustigeres geben, als wenn eine Horde kanadischer Eishockeyspieler einen Dinosaurier-Verschnitt in die Mangel nimmt.