Depressionen im Fußball:Die verwundbaren Gladiatoren

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Warum gerade im Profisport jede psychische Schwäche als Makel gilt und Torhüter unter einem ganz speziellen Druck stehen.

Josef Kelnberger

Sport kann Depressionen lindern, zumindest leichte und mittelschwere. Therapeuten verweisen auf die Endorphine, die bei Bewegung im Körper ausgeschüttet werden und dem Menschen ein Gefühl des Glücks bescheren. Schwieriger ist die Situation für Berufssportler, die unter Depressionen leiden. Die Witwe von Robert Enke hat am Mittwoch eindrucksvoll das Dilemma beschrieben.

Ein gebrochener Mann? Robert Enke bei einem Bundesliga-Spiel für Hannover 96. (Foto: Foto: ddp)

Ihr Mann sehnte sich nach dem Fußball, Training und Spiel und vor allem nach der Gemeinschaft mit den Teamkollegen, die ihm Halt gab. Teresa Enke erklärte aber auch, wie der Sport einer Therapie im Wege stand: Robert Enke hatte Angst, aus dem Profifußball zu fliegen, sobald seine Krankheit öffentlich bekannt würde.

Der Profisport, vor allem der Fußball, ist nach wie vor eine Welt der vermeintlich unverwundbaren Gladiatoren. Das gilt vor allem für die Position des Torwarts. Oliver Kahn prägte viele Jahre lang das Bild des deutschen Torwarts: kraftstrotzend, nervenstark, aggressiv. Torhüter stehen unter ganz speziellem Druck. Sie greifen nur sporadisch ins Geschehen ein, aber jede ihrer Aktionen kann über Sieg oder Niederlage entscheiden.

Fehler sind nicht wiedergutzumachen. Kahn schien diese Herausforderung in Kraft umzusetzen. Nach der Karriere bekannte er, er habe unter einem schweren Burn-out-Syndrom gelitten und professionelle Hilfe in Anspruch genommen. Das Burn-out-Syndrom gilt als naher Verwandter der Depression, nur klingt der Begriff in der modernen Leistungsgesellschaft schicker: Wer unter Burn-out leidet, hat sich im Beruf überfordert, Depression klingt nach innerer Schwäche. Robert Enke schien zu beweisen, dass es nicht der Aggressivität und der schlechten Manieren eines Oliver Kahn bedurfte, um ein großer Torwart zu sein. Er galt als äußerst ausgeglichen - was für eine Fehleinschätzung.

Ob der sportliche Druck die Depressionen Enkes verstärkte oder gar verursachte? Jedenfalls traten sie offenbar erstmals auf, als er 2003 beim FC Barcelona aussortiert wurde. Sein Tod lenkt den Blick auf die psychischen Belastung von Profisportlern. Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Vereinigung der Vertragsfußballspieler, verweist nach Enkes Tod darauf: "Der Druck auf die Spieler nimmt zu. Es kommt vor, dass Spieler beim Training bedroht, rassistisch beschimpft oder von Trainer und Mitspieler gemobbt werden."

Sein Verband bietet psychologische Hilfe an, und immer mehr Vereine integrieren Sportpsychologen in ihre Teams. Jürgen Klinsmann, inspiriert von amerikanischen Trainingsmethoden, holte Hans-Dieter Hermann als Psychologen zum Nationalteam und danach Philipp Laux zum FC Bayern.

Aufgabe der Sportpsychologen ist es aber vor allem, Teamgeist, Motivation und Stressresistenz der Spieler zu stärken. Eine Krankheit, die seine Zugehörigkeit zur Gruppe gefährdet, wird der Spieler eher vor ihm zu verbergen versuchen. Der Nationalteam-Psychologe Hermann hat von den schweren Depressionen des Robert Enke nichts bemerkt.

© SZ vom 12.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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