Eishockey:Ganz neue alte Erfahrung

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Einstimmen auf die allererste Liga: Aufsteiger Bietigheim hofft auf eine im besten Sinne spannende Saison. (Foto: Avanti/Ralf Poller/Imago)

Die DEL-Saison beginnt zum ersten Mal seit 15 Jahren mit einem sportlichen Aufsteiger. Zweitligameister Bietigheim musste erstmals die Torrahmen mit Sponsorenlogos bekleben - und die Liga stellt sich auf einen zehrenden Abstiegskampf ein.

Von Christian Bernhard, München

Der Kirschbaum in seinem Garten hat Volker Schoch schon so manchen speziellen Moment beschert. Darunter erreichte den Geschäftsführer der Bietigheim Steelers im vergangenen Sommer zum Beispiel die Nachricht, dass seinem Klub die Lizenz für die DEL2, die zweithöchste deutsche Eishockey-Liga, verweigert worden war. "Das war ein wilder Sommer", sagt er am Telefon. Er sitzt dabei erneut unter diesem Kirschbaum.

Die Steelers bekamen die Lizenz damals doch noch, unter harten Auflagen und nach dem Gang vor ein Schiedsgericht. Diese Chance nutzten sie zum sportlichen Aufstieg in die Deutsche Eishockey Liga (DEL), die an diesem Donnerstag mit dem Auftaktspiel zwischen Meister Eisbären Berlin und dem EHC Red Bull München (19.30 Uhr) beginnt. Die Steelers, 1988 gegründet, treten erstmals in der ersten Liga an. Und nachdem die DEL die Wiedereinführung von Auf- und Abstieg beschloss, ist Bietigheim der erste Aufsteiger seit 15 Jahren.

Großes Gefälle: In Wolfsburg dürfen 1351 Fans in die Halle, in Köln bis zu 11400

Für die DEL ist es die zweite Saison nach Pandemiebeginn. Es gebe immer noch "viele Unwägbarkeiten", sagte DEL-Geschäftsführer Gernot Tripck der Sport-Bild und forderte die Fortsetzung der Corona-Staatshilfen, sollten Zuschauer-Beschränkungen bestehen bleiben. Im Moment sind unterschiedliche Auslastungsgrenzen in den Hallen vorgesehen: In Wolfsburg dürfen 1351 Fans in die Halle, in Köln bis zu 11400.

Die Staatshilfen waren für zahlreiche Vereine überlebenswichtig. Schoch sagt, dass auch die Steelers damit "vieles korrigiert" haben. Was die Unwägbarkeiten betrifft, klingt er aber, als wären sie in Bietigheim vor allem positiver Natur. Schoch sagt: "Hier in der Stadt sind alle gespannt auf das, was kommt."

In der 40 000-Einwohner-Stadt nördlich von Stuttgart bricht nun eine Art neuer Eishockey-Zeitrechnung an. "Wir mussten noch nie unsere Torrahmen mit Sponsoren-Logos bekleben", sagt Schoch. Die Wohnung für einen der neuen Importspieler suchte er über eine Mitteilung auf der Vereins-Homepage.

Bietigheim war in den vergangenen 13 Jahren fünfmal Zweitliga-Meister, mehr als die "goldene Ananas", wie Schoch es bezeichnet, war damit aber nicht zu gewinnen, da Auf- und Abstieg noch nicht möglich waren. "Jetzt sind wir angekommen", sagt Schoch. Und auch die neuen Gegner freuen sich auf die Steelers. Es tue der Liga gut, ein neues Gesicht zu haben, sagt Münchens Manager Christian Winkler. Bietigheim sei ein Standort, "der es im Rücken hat, DEL zu spielen."

Ab Platz elf schwebt das Abstiegsgespenst herum - erst recht, wenn Frankfurt aufsteigen sollte

Winkler erwartet eine "sehr intensive und herausfordernde Saison". Er spielt damit auf die durch Auf- und Abstieg grundsätzlich veränderten Grundlagen an. In den vergangenen Jahren war es üblich, dass Mannschaften aus den hinteren Tabellenregionen, die kaum noch Hoffnung auf den Einzug in die Playoffs hatten, teure Spieler im Februar und März ziehen ließen, um Kosten einzusparen. Diese Spieler kamen dann oft bei Playoff-Teilnehmern unter, um diese in der entscheidenden Saisonphase zu unterstützen. "Das wird es mit Sicherheit nicht mehr geben", sagt Winkler.

Schoch glaubt (und hofft mit Sicherheit auch ein bisschen darauf), dass etablierte Klubs nun mehr unter Druck sind. Ab Platz elf werde jeder Verein "das Abstiegsgespenst über sich schweben haben". Für zusätzliche Spannung sorgt der Umstand, dass noch nicht klar ist, wie viele Klubs am Ende der Saison absteigen werden. Sollten die Löwen Frankfurt, die im Moment als einziger Zweitligist die wirtschaftlichen Nachweise für eine zukünftige DEL-Lizenz erfüllen, den sportlichen Aufstieg schaffen und dann die DEL-Lizenz erhalten, müssten zwei aktuelle Erstligisten runter. Wenn Frankfurt unten bleibt, nur einer.

Auf Spieler und Klubs wartet eine besonders intensive Spielzeit: Da mit den Steelers ein 15. Klub mit dabei ist, erhöht sich die Anzahl der Hauptrunden-Spieltage auf 60. (Ein Team pausiert pro Spieltag.) Dazu kommen die Olympischen Winterspiele in Peking und die Weltmeisterschaft im Frühjahr. Bammel brauche man vor dem prallen Programm zwar nicht haben, sagt Münchens Kapitän Patrick Hager, der sich an die Olympia-Saison von vor vier Jahren erinnert, als die Nationalspieler am Ende der Saison auf knapp 100 Spiele kamen. "Die haben wir auch sehr erfolgreich durchgezogen, warum soll das dieses Jahr nicht auch möglich sein?" Doch der straffe Spielplan sei schon ein Faktor. Er ist überzeugt davon, dass sich jene Mannschaften am Ende durchsetzen werden, die "das Tempo über das ganze Jahr gehen können".

"Alles andere als unser Abstieg wäre eine Überraschung", finden die entspannten Neulinge

Die vorderen Ränge sind bei den Steelers kein Thema, beim kleinsten Liga-Standort mit dem kleinsten Budget geht es allein um den Klassenverbleib. "Wir können so was von entspannt reingehen", sagt Schoch, "alles andere als unser Abstieg wäre eine Überraschung." Lizenzierungsprobleme gab es keine, da Schoch keine Patronate, keine Bürgschaften abgeben musste. "Es gab nichts mehr abzusichern, was Altlasten betrifft." Das um 25 Prozent erhöhte Budget sei sehr konservativ berechnet worden, "klassisch schwäbisch".

Schoch hielt an einem Großteil der Aufstiegsmannschaft fest. Vor dem Auftaktspiel gegen den ERC Ingolstadt (Freitag, 19.30 Uhr) sprach er noch mal zu den Spielern. Er habe ihnen gesagt: "Die nächsten acht Monate habt ihr nur noch eine Familie und einen Freundeskreis, und der sitzt hier neben euch in der Kabine."

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